Die Rückkehr der Pechtra Baba oder Die Kunst des Weglassens als Ausdruck des Kärntner Seins

 

Gestern Abend bin ich wieder einmal im Lehnsessel eingeschlafen und nicht, wie sich das für einen anständigen Bürger gehört, im Bett, möglichst ausgezogenerweise. Also mit einem züchtigen Schlafanzug, natürlich, weil das nackert schlafen gehört sich ja auch nicht. Das macht die Bettwäsche so schmutzig, hat schon meine Mami gesagt. Und außerdem: Es gehört sich einfach nicht.

Egal. Eingeschlafen bin ich, weil ich so angestrengt nachgedacht hatte, über das Wesen des Kärntner Seins. Oder, wie das bei Thomas von Aquin schon heißt, das Seiende an sich. (Oder war das bei Heidegger?) Egal, jedenfalls denke ich schon seit Langem darüber nach, was denn das ausmacht. Das Sein nämlich, das Kärntnerische. Oder, um es einfacher zu sagen: Was macht Kärnten eigentlich aus?

Ein Punkt ist ganz sicher das Weglassen.

Am Schönsten demonstriert sich die Kärntner Kunst des Weglassens in der Sprache. (Ich weiß, ich hab’ das schon mal geschrieben. Aber es stimmt noch immer.) Also Sprache. Zum Beispiel in: Muass Klognfuat foahn. (Man verzeihe mir, dass ich Fremdländer kein fließendes Kärntnerisch zusammenbringe.) Das hochdeutsche „Ich muss nach Klagenfurt fahren“ braucht fast doppelt so viele Worte.

Oder auch, in der besonderen Kombination von „ane“ als Bezeichnung für mehrere: Brauchts ane Untatatzalan oda tans Schalalan aa?

Irgendwie erinnert mich das immer an die berühmten Kinderfragen: Papa, deaf i Kaugummi? Ja, was jetzt? Haben? Werfen? Auf den Bauch picken?

Unlängst wieder im Supermarkt: „Mama, deaf i Kaassemmale?“

Dieses subtile Weglassen nicht wirklich benötigter Dinge, weil in Wirklichkeit ja eh’ jeder weiß, was gemeint ist, schließlich will das Kind die Kaassemmale erstens bekommen und zweitens essen, und zwar jetzt, was haben Sie sich denn sonst gedacht? Also diese feinfühligen Einsparungen von Dingen, die sowieso jeder weiß, hat die Kärntner Politik auch übernommen.

Zum Beispiel bei der Budgetkontrolle. Es weiß eh’ jeder, dass die Landesregierung alles, was sie tut, zum Wohle des Landes Kärnten tut, also wozu noch aufwendig kontrollieren, kost jo lei no mea Göld.

Oder so in etwa.

Das erklärt den Umgang mit den Landesfinanzen, wie er auch beim Scheiß-Dich-nicht-an-Birni-Prozess zu Tage kam.

Kein Wunder, dass da inquisitive Staatsanwälte ebenso wie naseweise Journalisten schlecht ins Bild passen bzw. als nestbeschmutzende Einmischung von außen empfunden werden. Zumindest von denen, die täglich alles nehmen – äh – geben, um dem Volk zu dienen. Oder so ähnlich.

Folgerichtig sagte Richter Manfred Herrnhofer bei der Urteilsverkündung so etwas wie die politische Schuld läge mehrheitlich bei dem, der vor seinem Tribunal nicht mehr verfolgt werden könne. So gesehen ist er nicht vom Himmel gefallen, sondern schwebt als schmierig grinsender Geist über all jenen Morasten und Sumpftümpel, in deren schlierigen Oberflächen er sich spiegelt.

Christian Rainer, diese fleischgewordene Apotheose der Selbstdarstellung, der Kollege von der Bobopostille profil, zweifelt in aller Öffentlichkeit an, dass Kärnten überhaupt reformierbar ist.

Und auch die Presse, wenngleich um vieles höflicher, zweifelt mit. „Mangels eines Gegenentwurfes“, so schreibt sie, sehe man keine Alternative.

So was ist alles nicht förderlich für einen gesunden Schlaf, selbst im besten aller Lehnsessel, also bin ich wieder aufgewacht.

Und da war sie wieder, die Perchtl, die Pechtra Baba, bei mir auf Besuch. Schiach wie ein Untersuchungsausschuss ist sie ja schon, die Baba. Aber ich fürcht’ mich da überhaupt nicht mehr.

„Baba“, sag’ ich, schon ganz vertraut, „was willst Du denn jetzt wieder?“

„Ich will Dich erschrecken.“

„Nach dem Birni-scheiß-dich-nicht-an-Prozess soll’ ich mich noch vor was schrecken?“

Sagt die Baba: „Es geht immer noch schlimmer.“

„Klar“, sag’ darauf ich, „zum Beispiel bei diesem Tillo …“

„Bei wem?“

„Na, dem Tillo Berlin.“

„Der hat nur ein l.“ Sagt jetzt die Baba.

„Bist Du da sicher?“ Sag ich.

Sagt sie: „Da bin ich mir ganz sicher.“

„Ich bin mir auch ganz sicher“, sag’ ich jetzt, „dass er als Vorstandsvorsitzender der Hypo Alpe Adria, so mit Prämien und allem, drei Millionen Euro bekommen hat.“

„Der war doch nur knapp zwei Jahre dort Chef?“

„Ja, genauer 23 Monate. Und wenn man das umlegt, so mit Montag bis Freitag und alle Feiertage, dann hat er pro Arbeitstag über 6.500 Euro bekommen.“

Die Baba pfeift anerkennend durch ihre schiefen Vorderzähne. „Das ist nicht schlecht. War der so gut?“

„Kommt drauf an. Für die Bank nicht. Die schrieb zu der Zeit hohe Verluste und musste vom Staat mit Kapitalzuschüssen unterstützt werden. Das hat den Herrn Berlin nicht daran gehindert, 600.000 Euro Bonus einzustreifen.“

Die Baba scheint beeindruckt.

„Das geht noch besser.“ Langsam gewinne ich die Oberhand. „Aber man darf nicht immer nur nach Kärnten schauen. Im schönen Oberösterreich sind sie auch nicht schlecht unterwegs. Dort hat die Stadt Linz zwei Bilder von Schiele und eine Klimt-Zeichnung verschlampt.“

„Was heißt verschlampt? Das sind ja Kunstwerke, die für viel Geld gehandelt werden.“

„Eh. Das hat die Stadt Linz, respektive die Neue Galerie, die der Stadt gehört, aber nicht wirklich gehindert. Die hat sich Schieles Aquarell „Junger Knabe“, das Ölgemälde „Tote Stadt“ sowie eine Klimt-Zeichnung mit dem Titel „Zwei Liegende“ 1951 von der damaligen Besitzerin ausgeborgt. Ganz legal, mit Übernahmebestätigung. Und heute sind die drei Werke einfach unauffindbar. Futsch. Gone. Disparu. Die Erben fordern rund 7 Mio. Euro. Und das könnte es die Stadt auch kosten. Steuergeld. Stell’ Dir vor, was man damit alles hätte machen können.“

„Ein teureres Birnbacher-Gutachten?“ schlägt die Baba vor.

„Geh’, Baba, sei ein bisserl ernster.“

„Dann schreck’ mich halt noch ein bisserl mehr.“

„OK“, sag’ ich jetzt, da kann ich noch einen drauf setzen. „Der Helmut Elstner will 1,8 Milliarden Dollar Schadenersatz.“

Jetzt ist es mir gelungen. Die Baba starrt mich sprachlos an.

Schließlich sagt sie: „Wie bitte? Von wem?“

„Von so ziemlich jedem, der ihm eingefallen ist. Elsner hat in New York eine Betrugsklage eingebracht gegen BAWAG-Eigentümer Cerberus, Ex-ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer, Ex-BAWAG-Chef Ewald Nowotny, Ex-BAWAG-Aufsichtsrat Erich Foglar, Ex-BAWAG-Vorstand Stephan Koren, den früherer BAWAG-Treasurer Thomas Hackl sowie die Ex-Refco-Chefs Phillip Bennett und Tone Grant und BAWAG-Anwalt Markus Fellner. Man habe ihn betrogen, und er fordere Schadenersatz.“

„In der Höhe von …“ Die Baba ist noch immer verduzt.

„Einskommaacht. Milliarden. Zwar nur US-Dollar, aber das ist dann auch schon wurscht.“

Und jetzt, so denk’ ich mir, geb’ ich ihr den Todesstoß. „Und der – äh – der Dingsbums …“

„Der wer … ?“

„Na, der Altherrenfaschist, aus Kanada, Du weißt schon …“

„Nicht“ schreit die Baba jetzt, „untersteh’ Dich und nenn’ seinen Namen. Das bringt Unglück.“

„Wurscht, er fällt mir eh nicht ein. Na, jedenfalls hat der seine neue Partei vorgestellt. Ohne jeden störenden Inhalt, aber mit sehr viel Pathos.“

„Ja, und? Die anderen Parteien sind inhaltsvoller?“

„Eh’ nicht. Aber am letzten Sonntag hat man ihn – in dieser Sendung Tick, Trick und Track interviewen Onkel Dagobert – gefragt, warum er so viele Politiker in seinem Unternehmen beschäftigt hat. Und da hat er gesagt – wörtlich – die seien eh’ nicht so schlimm, die müsse man nur umerziehen.“

Die Baba schweigt und schaut mich an.

„Umerziehen“, sag ich jetzt und schaue zurück. „Das hat so einen faulen Beigeschmack, das ranzelt so … wie soll ich sagen … “

„Und das ist keinem aufgefallen?“ unterbricht die Baba.

„Offenbar nicht, obwohl’s ja eigentlich eine Steilvorlage ist. Aber vielleicht braucht die keiner, weil wenn er so weitermacht, demontiert er sich eh’ selber.“

„Sag’ das nicht. Der könnte über zehn Prozent der Stimmen bekommen.“

„Was? Du glaubst wirklich, der – Dingsbums – na, ah ja, jetzt fällt er mir ein, der Stronach …“

Da stosst die Baba einen ganz schrillen Schrei aus und verschwindet in einer Wolke aus Ruß und Schwefel.

Und von dem Schrei bin ich dann wieder aufgewacht.

Schade.

Ich hätte sie noch so gerne gefragt, ob sie wirklich daran glaubt, dass der Herr – äh, Dingsbums aus Kanada, also ob der tatsächlich etwas reissen wird, bei den Auftritten, die er liefert.

Und ob sie auch glaubt, dass die Grünen in Kärnten Leute suchen, die bei der nächsten Landtagswahl ihre Infostände betreuen sollen. Gegen Geld. Also gegen Entgelt. Weil jetzt haben sie doch eh’ so viel Geld, nach der Erhöhung der Parteienföderung. Aber vielleicht ist das alles nur eine böse Unterstellung. Deshalb hab’ ich sie ja auch fragen wollen … jetzt ist sie weg. Und ich bin wieder allein.

Aber dass die Grünen in Kärnten, trotz  mehrmaliger Bitte, mit uns immer noch nicht reden, das kann ich bestätigen. Offenbar sind Piraten nicht satisfaktionsfähig, oder irgendwie so.

Der neue SPD-Spitzenkandidat in Deutschland – wie bitte? Ja, genau der, der die Schweiz mit der afrikanischen Stadt Ouagadougou verglichen hat, also der weltgewandte Herr Steinbrück, hat ja auch schon öffentlich angekündigt, egal wie die nächste Bundestagswahl ausgeht, mit den Piraten rede er nicht, „Die Piraten werden nicht regieren wollen – und könnten es auch nicht“, sagte er der „Welt am Sonntag“ am vergangenen Wochenende.

Ich denke mir, die sollten wir alle eines Besseren belehren.

 

PS: Haben Sie jetzt in Wikipedia unter Heidegger nachgeschaut, oder Thomas von Aquin? Ja, ja, das ewige Bildungsbürgertum. 🙂

Eine Antwort auf „Die Rückkehr der Pechtra Baba oder Die Kunst des Weglassens als Ausdruck des Kärntner Seins“

  1. Ach ja, Anmerkung am Donnerstag darauf: Dass Christian Rainer mit seinen lila Socken Wahlwerbung für die Piraten gemacht hat (Lila ist deren Parteifarbe), dürfte meiner wohlwollenden Wahnvorstellung entspringen. Aber ein bisserl gegrinst haben wir schon …

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