Gestern abend bin ich vor dem Fernseher eingeschlafen. Mit all der Aufregung über
U-Ausschuss wird abgedreht oder nicht, Kollegin Schramm, die fleischgewordene Peinlichkeit, steht im Shitstorm, Charlie Hébdo veröffentlicht neue Karikaturen des Propheten – äh – Dingsbums, EU-Anwärter Kroatien will den Euro möglichst bald einführen (san de deppat?) – kurzum, mich hat die Aufregung überwältigt, vielleicht auch das kleine Bier. Also eingeschlafen.
Wie ich wieder aufwache, sitzt eine neben mir, der tät’ ich im Dunklen nicht begegnen wollen, so hässlich ist die. Irgendwie denk ich mir – nach so einem Tag! – nix weiter dabei, schließlich hab’ ich öfters seltsame Gäste.
Sag’ ich dann doch zu ihr: „Wer bist Du denn?“ Sagt sie: „I bin die Pertchtl.“
Ich, Zuagroaster aus dem feindlichen Ausland (aka Bundeshauptstadt), hab’ natürlich keine Ahnung. Und sag’ das auch. Sagt sie: „Die Pechtra Baba, na slovensku …“
„Das kann ich auch nicht“, sage daraufhin, wahrheitsgemäß, ich. „Egal“, sagt die Baba jetzt, „ich bin gekommen, Dir eine Geschichte zu erzählen. Eine grausliche, denn Du sollst Dich fürchten vor mir …“
Und dann hat sie mir eine Geschichte erzählt, die Pechtra Baba.
Die Geschichte geht von den wackeren Kärntner Roten und der schönen Zeitung, die sie Jahrzehnte lang hatten, zu einer Zeit, in der sie noch kleine rote Papiermarkerln in die Parteibücher geklebt haben, als Nachweis des Mitgliedsbeitrages … „ja, Baba“ sag’ ich dann, „und der Kreisky ist auch schon lange tot. Komm’ zur Sache.“
Die Pechtra Baba schaut mich erbost an, weil ich so respeklos rede mit ihr, und lässt sich nicht beirren. Und erzählt weiter, wie der Fortschritt ins Land Einzug gehalten hat, und wie daraufhin die Roten die schöne Zeitung heruntergewirtschaftet haben, so dass am Ende sie keiner mehr lesen, geschweige denn abonnieren wollte, und daraufhin die Werbekunden … „Baba“, sag’ ich jetzt, „die Roten haben ihre Zeitungen alle an die Wand gefahren, überall, auch in Frankreich und in Deutschland. Also erzähl’ mir was Neues.“
„Potschasne“, sagt die Baba jetzt, „es ist erst vorbei, wenn die dicke Dame singt.“ Und dann erzählt sie mir, dass die Roten am Ende so verzweifelt waren, dass sie sie verkauft haben, die schöne Zeitung, samt dem Verlagshaus und der Druckerei. An einen erfolgreichen Villacher Geschäftsmann, der in Werbung macht, und ein bisserl in Grundstücken, und so. „A gstondana Untanehma, holt“, sagt sie dann, und grinst mich an.
Und erzählt, wie der Betriebsrat und die Chefredaktion besorgt waren, dass die Blattlinie … eine linksliberale, also etwas in Kärnten sehr verbreitetes … und der erfolgreiche Unternehmer hat ganz viel versprochen, und es werde keine Änderungen geben.
Und dann hat er es noch präzisiert, der erfolgreiche Unternehmer, in einem Interview mit einer anderen Zeitung. Da hat er gesagt: „ Wenn ein Journalist Material hat, soll er wen abflaschen. Mir is’ das egal. Ich will, dass wir eine gute Zeitung machen und nicht unter der Gürtellinie angreifen – das ist meine Grenze. Aber die Redaktion macht ohnehin, was sie entscheidet. Nur mitdiskutieren darf ich als Eigentümer noch – oder?“
Also ganz die Position des verantwortungsbewussten, nachhaltigen Unternehmers. Und dann hat er seinen Vater noch zum Prokuristen gemacht, der erfolgreiche Unternehmer, damit er wenigstens ein bisserl noch die Kontrolle hat, oder?
Leider war die Zeitung zwei Jahre später schon wieder pleite. Und dann gab es so was Unanständiges wie einen Konkursantrag, noch dazu von der Gebietskrankenkasse, es war allen echt peinlich. Heuer, Anfang Juni, am Bezirksgericht Klagenfurt Stadt.
Der Antrag sei „völlig überraschend gekommen“ für ihn, hat er gesagt, der erfolgreiche Unternehmer. Und dann passierte Seltsames: Dann kam ein anderer erfolgreicher Unternehmer, diesmal aus dem Oberland, der macht sein Geld in – erraten – Immobilien, und auch in Spielgemeinschaften, und mit dem anderen erfolgreichen Geschäftsmann, dem Villacher, vertreibt er zusammen auch diese neuen elektrischen Zigaretten. Nicht fragen, Sie wollen’s nicht wissen. Jedenfalls der aus Oberkärnten hat die Schulden von der Tageszeitung bei der Gebietskrankenkasse gezahlt, und da war man dann allgemein froh.
Und noch eine Woche später – da hatte der erfolgreiche Villacher den anderen Zeitungen schon erzählt, der erfolgreiche Oberkärntner habe keinerlei Geschäftsbeziehung mit dem Verlag – da war der erfolgreiche Oberkärntnter Unternehmer auch schon Mehrheitsbesitzer an einem Tochterunternehmen der Zeitung, nämlich den – an sich nicht ganz so maroden – Bezirksblättern.
Wo all das schöne Geld herkam, darf gerätselt werden. Ich mein’, für Kärntner Verhältnisse sind 240.000 Eumels ein Waukerl, da scheißt sich selbst der Birni nicht an, aber so auf die Schnelle, jetzt, hier, in bar … auch nicht so wenig, dass es aus der Portokasse genommen werden könnte. Aus den Bilanzen der Zeitung jedenfalls auch nicht, deren letzte aus 2010 weist 922.698,86 Euro Verbindlichkeiten, einen Bilanzverlust von 524.302 Euro und 371.586,53 Euro negatives Eigenkapital aus, also nicht wirklich berauschend.
„Aber da gibt es noch einen“, sagt die Pechtra Baba jetzt und grinst ganz hinterhältig, „der hat viel Geld, sehr viel Geld, und der will jetzt bei der kommenden Landtagswahl mitspielen, und da wäre eine Zeitung doch gerade recht … möglichst ohne eine offene Übernahme, von wegen dem Wirbel und der Medienbehörde warat’s, die in solchen Fällen ja mitreden will … und das bisserl Widerstand aus der Redaktion, das kriegen wir auch noch hin, schließlich sitzt das Herz links, aber das Geldbörserl sitzt rechts.“
„Ach ja“, sag’ ich. Und: „Das sind doch alles nur Spekulationen.“ Sag’ ich. Und: „Du hast absolut keine Beweise.“
„Ach“, sagt die Pechtra Baba dann, „und dass jetzt der Vater des erfolgreichen Unternehmers aus Villach – der mit der Prokura im Verlag – jetzt sein Wahlkampfleiter geworden ist, ist ein Zufall, ja?“
„Nein, was es doch für Zufälle gibt, sagt sie noch, und jetzt grinst sie direkt diabolisch. „Und, stell’ dir vor, er macht es ehrenamtlich. Was für eine Ehre. Und seine Prokura hat er selbstverständlich zurück gelegt.“
„Was“, sag’ ich jetzt, erstaunt, „der Alte ist jetzt Wahlkampfleiter beim … “
„Nicht!“ schreit die Baba jetzt, „nicht sag’ seinen Namen, „den darf man nicht aussprechen, sonst … “ zu spät.
„Frank Stronach“, sag’ ich jetzt, und die Baba schreit ganz fürchterlich laut, und es stinkt nach Schwefel, davon bin ich wieder aufgewacht. Und was dann passiert, werden wir nie erfahren. Weil: es is eh‘ nix passiert.
Und dann war gottseidank alles wieder normal. Der U-Ausschuss wird nicht eingestellt. Charlie Hébdo ist nicht abgefackelt worden, Frau Schramm ist noch immer eine blöde Kuh, und selbstverständlich ist die KTZ eine linksliberale Zeitung geblieben. *muhahahaha* Und alles Andere ist nur geträumt. Da hab’ ich nix versäumt.
Und das von der Hypo Alpe Adria Bank, die jetzt vom Staat Schadenersatz einklagen möchte, weil sie bei der Notverstaatlichung um vermögensrelevante Werte gebracht worden sein will, das habe ich natürlich auch nur geträumt. Gottseidank.
Äh – nein?
Ganz lange Pause.
Hallo, Nobelpreis-Komitee? Haben Sie auch einen Nobelpreis für Chuzpe? Also, ich möchte da einen Vorschlag machen …
Ergänzung am Di. 13.11.2012:
http://derstandard.at/1350261198868/Kaerntner-Team-Stronach-trennte-sich-von-Wahlkampfleiter
Ging eigentlich erstaunlich schnell.