Offener Brief an den Bundesvorstand der Piratenpartei Österreichs, insbesondere an c3o

 

Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

(Ich weiß, dass es Dir nix ausmacht, also verwende ich Deinen Klarnamen.)

Du weisst, dass ich von Anfang an gegen die Allianz mit der KP war. Du weisst auch, dass ich mich loyal der Partei gegenüber verhalten habe, dass ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln versucht habe, einer möglichen Spaltung entgegenzuwirken (ob’s was genutzt hat, weiß ich nicht, die Spaltung blieb jedenfalls aus).

Aber jetzt ist die Kanne voll.

Flasche leer, habe fertig.

Kannst Du Dich an unser Gespräch beim Chaos Communication Congress in Hamburg im vergangenen Dezember erinnern, hinter dem Bällebad, im „Entspannungszimmer“? Du meintest damals ganz siegessicher, es wäre doch gelacht, wenn wir es nicht „gemeinsam“ schaffen würden. Gemeinsam mit der KP.

Jetzt ist Montagabend, nach der Wahl, es wurde kurz gelacht, das war’s dann, Danke, setzen, Nicht Genügend.

Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

Ich habe Dich damals in Hamburg eindringlich gewarnt. Ich hab’ auch die drei Prozent vorhergesagt, wahrscheinlich eher zufällig. Egal. Ich habe Dich gewarnt, dass in so einer Konstellation die Mehrheit unserer piratischen Positionen verloren ginge. Du hast es beiseite gewischt. Demokratiefinanzierung? Demokratisierung Europas? Netzneutralität? Fahrscheinlose Öffis? Bedingungsloses Grundeinkommen? Pustekuchen.

Dabei ist das nicht einmal die Hälfte unserer Positionen vom Nationalratswahl-Flyer. Religion privatsieren? I wo, viel zu kontroversiell. Patentmissbrauch verhindern? Wie bitte soll man das denn transportieren …

Vernunftbasierte Drogenpolitik? Pfui, damit könnte man ja anecken. Das sollen die Spinner von der Hanfpartei machen. Was, steht im Parteiprogramm? Noch immer? Des ignorier’ ma, machen die Grünen schließlich auch so. Erfolgreich. Ja, die Grünen …

Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

Dafür gab’s einen hoch populistischen Wahlkampf, so mit Haftungsboykott und dergleichen. Auf der Basis: Wir zahlen nix, aber das macht nix. Von einem, den die Mehrheit unserer Stammklientel als politischen Wendehals sieht. Macht nix, Hauptsache wir bekommen mehr Stimmen.

Christopher, darf ich mir Dein neues MacBook Air ausborgen? Ich mach’ dann anschließend einen Haftungsboykott und schenk’ es weiter.

Nach meiner Überzeugung ist die Piratenpartei kein Startup, bei dem man die Marketingstrategie einfach ändert, wenn es nicht gleich funktioniert. Und das war’s doch, warum Du die Allianz angestrebt hast.

<Loriot> Ach? </Loriot>

Weil Dir bei der Piratenpartei der soziale Aspekt fehlt, wie Du in facebook gepostet hast? Bull Shit, man. In Hamburg hast Du mir etwas Anderes erzählt.

Also, lieber Bundesvorstand, lieber c3o und Co, ich fordere die Einberufung einer Bundesgeneralversammlung, so schnell wie möglich, mit Neuwahl der Funktionen und davor eine Grundsatzdiskussion, wie wir in die Landtagswahl 2015 in Wien gehen wollen.

Meine Vorstellungen dazu kann ich gleich präzisieren: Ich will all’ die Positionen, die auf dem NR-Flyer hinten drauf sind, in eine zentrale Message vereinen (doch doch, das geht)1). Ich will, dass wir uns auf unsere Wurzeln als urbane Netzpartei der Nerds zurück besinnen. (Siehe auch den Blog von Anatol Stefanowitsch. Dem ist nichts hinzuzufügen.)

Ich will, dass wir uns auf Aussagen konzentrieren, zu denen wir stehen (und die wir auch inhaltlich darstellen) können. Ich will, dass unsere Kandidaten, wer immer das sein wird, Piraten sind, die sich nicht für $irgendwelche wahltaktischen Positionsgewinne öffentlich zum Brot machen und bei der Mehrheit unserer Sympathisanten nur mehr Kopfschütteln auslösen. (Scheisse, ist das kompliziert …)

Ich will eine (öffentliche) Diskussion über eine Neue Arbeitswelt und was wir in Zukunft als Arbeit definieren wollen/sollen, über Chancen und Risken der Digitalen Revolution, und vor allem darüber, wie wir unsere Vorstellungen in konkrete Forderungen für den Wahlkampf verpacken können. (Als BGE, zum Beispiel. 😛 )

Und ich will GANZ SICHER keine Fortsetzung der Allianz in $irgendeiner Form.

Ich mach’ Dir, Christopher, und dem Rest des BV, einen Vorschlag: Diesen Sonntag ist die LGV der Wiener Piraten, dort wird das sicher alles Thema sein. Wollen wir uns dort treffen und darüber einen Diskurs führen, einen gesitteten? Ja?

Ich bin überzeugt, faithless ist ganz wild auf diese Diskussion.

Faithless, wir kommen.

PS: Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

andre

——

1) Man muss nur unser Programm lesen. Lesen bildet, ungemein. Wir sind (noch immer) eine liberale Bürgerpartei mit basisdemokratischen Strukturen. Wir wissen, dass die Digitale Revolution die Welt bis zur Unkenntlichkeit verändern wird, und wir wollen sie darauf zumindest ein wenig vorbereiten. Auch wenn uns die Mehrheit nicht zuhört, können wir dennoch das Salz in der Suppe von morgen sein. Und mehr will ich eh’ nicht …

Sind die Piraten links? Eine Polemik.

„Sind die Piraten links?“ fragt der fraktionsunabhängige österreichische Mandatar des europäischen Parlaments, Martin Ehrenhauser, in einem Blogpost.

Die Art, wie der Blogpost zu seinem Schluss kommt – „Ja“, um diesen erstmal vorweg zu nehmen – verleitet mich dann doch zu einer kurzen Replik, denn bei näherer Hinsicht scheint mir Martins Argumentation ein wenig, sagen wir höflich, zu kurz zu greifen.

Zu allererst stoße ich mich an Martins Begriffsdefinition von „links“ und „rechts“. Als große Gemeinsamkeit des „rechten“ Politikspektrums sieht er „ … das gegenemanzipatorische Politikverständnis. Verkürzt erklärt heißt es, dass der Mensch von Natur aus ,böse‘  ist und die Aufklärung nicht greift.“ Dem gegenüber stellt er das  „emanzipatorische Politikverständnis der Linken“, dass davon ausgehe, „dass der Mensch ,gut‘ ist und die gesellschaftlichen Verhältnisse verantwortlich sind, wenn sich ein Mensch ,böse‘ verhält. Sie sind davon überzeugt,  dass der vernunftbegabte Mensch durch Aufklärung zum ,Guten‘ geführt werden kann.“

Tja, hm …

Ich dachte immer, ich sei ein Linker. Aber dass der Mensch von Natur aus gut ist, halte ich für ein Gerücht, für ein glattes sogar. Heißt das, dass ich jetzt laut Martin gar kein Linker bin?

Ein wenig weiter im Text wird es konkreter. Da zitiert Martin Oswald Spengler und seine Zyklentheorie sowie Julius Evola und Carl Schmitt, vor allem letzterer geht auch meiner Meinung nach in die richtige Richtung, wobei man gleich Thomas Hobbes hätte zitieren können, nicht nur wegen des Gesellschaftsvertrages, oder auch John Locke, wegen des selben Vertrages, wobei der dann eher für die Linke stehen müsste, zumindest für die liberale Seite davon. Und wenn wir schon dabei sind, dann werfen wir mit David Hume noch einen liberalen Schotten ein; wer Hobbes toll findet und Locke und Hume nicht so mag, den könnte man schon als eher rechts definieren. Konfrontieren wir noch Hobbes’ Definition des Göttlichen Willen mit dem von Locke postuliertem Recht auf Widerstand, dann könnte das schon hinkommen.

Nur: Das steht bei Martin nicht. Da steht was vom zyklischen Geschichtsverständnis der Rechten, das eine gottgegebene Ordnung vorsieht, versus dem linearen Geschichtsverständnis der Aufklärer, die eine emanzipatorische Entwicklung der Menschen daraus ableiten, damit kann ich mich ja schon wieder anfreunden, aber wenn ich dann bei Kant nachlese, dass er Lockes Recht auf Widerstand kategorisch ablehnt, heißt das jetzt, dass Kant rechts war? Oder dürfen den nur alle Deutschen (äh, pardon, Deutsch Sprechenden) zitieren, einfach weil’s dazugehört? Dann will ich als Linker Fichte zitieren dürfen, den Johann Gottlieb nämlich, schließlich glaubte der glühende Atheist auch nicht an den Göttlichen Willen. Dafür gilt er als geistiger Vater der deutschen Rechten, die Partei der Republikaner unter Franz Schönhuber berief sich explizit auf Fichte. (1985 – wer kann sich da noch an die Republikaner im Europaparlament erinnern? Ja ja, das politische Gedächtnis ist kurz.)

Also was jetzt?

Wobei Martin dann ableitet, dass die Piraten an den Göttlichen Willen nicht glauben (das tun die NEOS auch nicht, angeblich) und daher seien wir links. Zitat: „Die Piraten glauben an keine göttliche Rangordnung, sie glauben an das ,friedliche und kooperative Potenzial des Menschen.‘ Sie sind überzeugt, dass alle Menschen eine ,gleiche Chance zur Selbstverwirklichung‘ haben müssen und sehen sich zur ,Solidarität verpflichtet.‘ “

Schön ist das, richtig kuschelig. Leider fehlt in der ganzen Argumentation der ökonomische Aspekt, und wie wir ja schon seit Onkel Brecht wissen, kommt erst das Fressen und dann die Moral, also zuerst Adam Smith und dann erst Immanuel Kant, Imperativ hin oder her.

Weil: Auf der gesellschaftlichen Seite „links“ sein, das ist einfach, das konnte sogar Jodok Fink, Christlichsozialer unter Lueger und damit wahrlich kein Linker, dennoch ein Sozialreformer der ersten Republik.

Wie gesagt: Erst bei der Ökonomie spalten sich die Geister.

Das Ganze muss man im Licht der Ereignisse zwischen Piraten, der KP und Martin Ehrenhauser sehen. Martin Ehrenhauser muss sich bei dieser EU-Wahl der Wiederwahl stellen und hat alleine wahrscheinlich keine Chance. Die Piraten haben alleine auch keine, und die Kommunistische Partei Österreichs ebenfalls keine (also keine reelle). Also haben sich Piraten und KP zu einer Wahlgemeinschaft zusammengeschlossen, während sich Martin Ehrenhauser noch überlegt, für diese Gemeinschaft als Kandidat anzutreten.

Ob diese Koalition der Wir-schaffen-es-alleine-nicht-so-wirklich-Fraktionen gemeinsam überhaupt eine Chance hat, wird sich bei der Wahl zeigen, bis dahin kann man nur spekulieren, das überlasse ich anderen. Aber wie weit KP und Piraten mit der Klammer „links“ für Martin Ehrenhauser zu verbinden sind, das verdient dann doch ein wenig Aufmerksamkeit.

Dass dabei Martin bei der Definition von „links“ nicht so genau hinschaut, verwundert nicht. Dabei wäre es doch so naheliegend, bei der KP selber nachzuschauen. Auf dem offiziellen Website der KPÖ wird deren wirtschaftspolitischer Sprecher Martin Graber auf dem Sozialkonvent der KPÖ vom April 2013 zitiert: „Die Banken, Versicherungen, der gesamte Finanzsektor gehören in öffentliche Hand unter strengster Kontrolle der verschiedenen (zivil)gesellschaftlichen Einrichtungen.“

Ich denke mir, dass das die Piraten in dieser Form eventuell nicht mittragen würden. Schließlich steht im Parteiprogramm zum Thema „Wirtschaft“ an erster Stelle: „Die Piratenpartei Österreichs bekennt sich zur freien Marktwirtschaft.“ Und von einer Verstaatlichung des Finanzsektors (oder wie interpretiert ihr „gehören in öffentliche Hand“?) steht da auch im weiteren nichts.

Und auch das bekannt basisdemokratische Kampfblatt „Neues Deutschland“ mit dem Artikel „Wir befinden uns im Klassenkampf“, das prominent auf der KP-Seite steht, könnte dem einen oder anderen Piraten etwas aufstoßen.

Ich weiß schon: Viele heimatlose Linke haben bei den österreichischen Piraten angedockt und träumen auch da von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, wie das bei Marx so hübsch heißt.

Aber die wahren Piraten, die träumen (ökonomisch) von etwas anderem. Die träumen von einem neuen Maker Space, als Nachfolger des Stewart Brand und seines „Whole Earth Catalog“ („Stay hungry! Stay foolish!), als die neuen Selbständigen angesichts des Tsunami der Digitalen Revolution, der sowieso alle bisherigen ökonomischen Bedingungen über den Haufen werfen wird. Sehr hübsch nachzulesen im „New Yorker“ vom 13. Jänner dieses Jahres („How Makers Became The New Hackers“), aber meilenweit entfernt vom Klassenkampf à la KPÖ.

Im Fachjargon der Politologen heißt das Linksliberal (oder, in Anlehnung an den Pakt Brandt-Scheel „Sozialliberal“) und grenzt sich deutlich von den K-Gruppen der Nachkriegszeit ab. Aber das nur so am Rande.

Und so gesehen lässt sich die Frage „Sind die Piraten links“ eher so beantworten: Sozial ja, ökonomisch sind wir eher auf der liberalen Seite.

Wowereit.

 

Und zu guter Letzt noch schnell einen Link zum blog des von mir sehr geschätzten c3o zum Thema „Piraten & Wirtschaft„. Mu

 

Ein Vorschlag zur Güte oder: Warum wir bei dieser Europawahl nicht antreten sollten.

Es ist wieder einmal Zeit für ein kleines update, so kurz vor der BGV 2014-1 in Graz.

Als erstes eine Anmerkung: Offenbar sind viele in der Piratenpartei der Meinung, ich sei nicht mehr dabei resp. ausgetreten. Dem ist nicht so – ich bin nur zurück- und niemals ausgetreten.

(Warum, lese man einen blogpost vorher nach.)

Also werde ich bei der BGV anwesend sein & von meinem demokratischen Recht der Wahl Gebrauch machen.

Zweitens: Ich strebe kein Amt an und keine Position. Ich hatte stets vor, zur Wahl bei dieser BGV nicht mehr anzutreten, hauptsächlich aus gesundheitlichen Gründen. Nach fisimas Hoppala hatte ich gehofft, wenn ich mit Getöse zurückträte, würde dies eine Änderung …

OK, hat auch nicht geklappt. Nicht das erste, das 2013 nicht so ablief wie geplant.

Gut, ich war etwas – äh – emotionell. Das ändert im Prinzip aber nichts am Inhalt der Kritik. Wer mich dafür abwatsch^W zur Rede stellen möchte, kann dies auf der BGV gerne tun.

Weil’s aber hier nicht um mich geht, sondern um die Sache, ist der dritte Punkt der wichtigste: Wie soll es jetzt weiter gehen?

Und da hätte ich der Allgemeinheit gerne einen Vorschlag unterbreitet.

So weit ich das überblicke, wird darüber diskutiert, ob wir alleine oder gemeinsam mit der KP zur Europawahl antreten sollen.

Mit der KP: Ihr kennt meine Meinung. Mit den Kummerln zu paktieren halte ich nach wie vor für politischen Selbstmord. Die KP ist eine Marke aus der Vergangenheit, wir eine Marke für die Zukunft. Ich wüsste wirklich nicht, was wir davon profitieren könnten, und auch gemeinsam werden wir ganz sicher nicht ein Mandat erringen.

Ausserdem: Am Begriff „Kommunisten“ klebt mindestens so viel Blut wie an „Nationalsozialismus“. In so gut wie allen europäischen Ländern haben sich die Linken daher von diesem Begriff distanziert, haben sich umbenannt, haben deutlich Stellung bezogen. Nur die heimische KP heißt immer noch genau so wie der Verein, der alleine in der ehemaligen Sowjetunion für mindestens 20 Millionen Tote verantwortlich ist.

1934, nach dem Bürgerkrieg in Österreich, floh die Mehrheit der Schutzbundführer in die Sowjetunion, damals noch das gelobte Land der europäischen Linken. Und dort wurden sie alle – alle! – liquidiert.

Mit denen wollt ihr packeln, unter dem selben Namen und mit noch immer dem selben Logo?

Pfui Deibel.

Ja, meint da der c3o, aber wir wollen ja nur ein Zweckbündnis, wegen der Wahlhürden …

Ich würd’ ja nicht einmal dann wollen, wenn es tatsächlich etwas brächte, aber es wird und kann nichts bringen. Die Kummerln bringen ein Prozent, wir auch eins, und dann?

Vier bringt der Ehrenhauser? Echt jetzt?

Außerdem: Es ist nach außen nicht darstellbar. Sprich: Wo immer wir in der Öffentlichkeit aufträten, wäre unser Image als Partei der Zukunft beim Teufel. Oder, wie es die Alexs auf twitter sehr hübsch formuliert hat: „Als weder links noch rechtspartei mit anderen lagerparteien kooperieren scheint mir etwas abseits der spur zu sein.“

Ohne KP: Na ja, wir können ja versuchen, den Erfolg der NRW zu wiederholen. Alleine am Unterschriften sammeln werden wir verzweifeln, und wenn wir es tatsächlich schaffen, bleibt für den Wahlkampf keine Luft mehr.

Und Geld für Werbung, in einem Flächenwahlkampf für ganz Österreich, haben wir auch nicht.

Ja, rufen jetzt die Befürworter, aber die Zeichen stehen auf Konfrontation, alle Meinungsumfragen sagen den etablierten deutliche Verluste voraus, da wären doch genug Proteststimmen abzuholen …

Ja schon, aber _gegen_ die EU. Zulegen werden die Europa-feindlichen, der Front National, der Vlaamse Belang, oder auch die Norweger und die Wahren Finnen, die sind dann nicht ganz so unappetitlich. Aber dennoch auch dagegen.

Wir aber sind nicht gegen die EU, ganz im Gegenteil. Und schon deshalb werden wir _da_ auch nix extra abholen können.

Also was jetzt? Trübsal macht sich breit.

Ich hätte da einen Plan C.

Wir treten einfach gar nicht an.

Neinneinnein, nicht weil wir aufgeben, sondern weil wir klug sind.

Die nächsten bei uns anstehenden Wahlen sind die Wienwahlen. Wenn wir jetzt anfangen, uns _darauf_ vorzubereiten, wenn wir eine Wahlkampfkasse eröffnen und _jetzt_ anfangen, sammeln zu gehen, Strukturen aufzubauen, Themen zu identifizieren, bei denen wir punkten können, dann ist da tatsächlich etwas drin.

Denkt doch einmal nach: Derzeit regieren die Roten mit den Grünen, einzige Opposition sind die Rechten, in den beiden Geschmacksrichtungen grauslich und ein bisserl weniger grauslich. Wobei die weniger grauslichen im Bund Regierungspartei sind, was de facto nur die *spuck* FP als Oppositionspartei übrig lässt.

Da ist doch in der Mitte noch ein Platzerl als Opposition frei …

Auch in D ging es mit Berlin los …

Unsere Themen sind nur im Bund und auf Europaebene darstellbar? Unsinn. Keine Transparenz gibt’s auch auf dem Magistrat, die Roten regieren seit 60 Jahren, da feiert der Filz fröhliche Urstände, da werden wir schon was finden. Und beim Datenschutz genau so.

Ganz abgesehen davon, dass Wien kein Flächenwahlkampf ist, und wir lang nicht so viel werbetechnischen Aufwand betreiben müssten, um überhaupt gehört zu werden …

Aaaalso: Lasset uns doch beschließen, die Europawahlen einfach auszulassen, bereiten wir uns doch auf die Schlacht von Wien vor, und dann fangen wir gemeinsam noch einmal von vorne an.

Was haltet ihr davon?

Warum ich dann doch noch nicht ausgetreten bin.

Soifz. (© Vilintril)

Also, da sind noch einige Fragen offen, die beantwortet gehören.

Vorab möchte ich jedoch mal was Grundsätzliches äußern, um das Gesamtbild in’s (für mich) rechte Lot zu rücken.

Jeder von uns – aber wirklich Jeder und Jede, den/die wir da draußen treffen – hat einen Plan, wie die Welt ausschauen soll, damit sie gerechter, besser & edler wäre.

Der ist meist bestechend, für den jeweiligen völlig logisch und würde – ganz sicher – perfekt funktionieren, wenn nicht die blöde Welt dauernd die störende Eigenschaft hätte, anders zu sein, als wie wir uns das jeweils von ihr erwarten.

Meine (aber wirklich nur meine private) Vorstellung von „weise“ wäre, das alles zu erkennen und daraus den Schluss zu ziehen, dass es offenbar so einen Plan gar nicht geben kann, und dass es jedem einzelnen von uns gut zu Gesicht stünde, etwas weniger intellektuellen Dünkel und etwas mehr Demut vor der Schöpfung zu haben. Und dass wir weiters zugeben, erst mal jeder für sich und nur vor sich selber, dass dieser unser jeweiliger Plan – höchstwahrscheinlich – ziemlich unzulänglich ist. Und dass es – höchstwahrscheinlich – einen ganzen Haufen Dinge gibt, von denen wir nix wissen, und/oder die wir nicht verstehen, und/oder die wir aus welchen Gründen auch immer übersehen haben.

So gesehen ist das ja auch nur ein Plan, und zwar meiner, also funktioniert er auch nicht. Aber er wäre hübsch.

Und nun zu den Piraten.

Auch da gibt es einen Plan.

Wenn ich den (siehe oben) richtig verstanden habe, ist es der, die Welt eine bessere und gerechtere zu machen, so wie im Detail in der Satzung beschrieben, und um das alles durchzusetzen, eine parlamentarische Mehrheit dafür innerhalb des bürgerlich-demokratischen politischen Systems zu bekommen.

Für mich ist das unheimlich wichtig. Ich habe mich in meinem Leben oft genug in politisch deutlich unappetitlicheren Systemen bewegt, um nicht genau zu wissen, wovon ich rede. Ein grundsätzliches Bekenntnis zur Demokratie (in der bei uns üblichen Geschmacksrichtung bürgerlich-liberal) ist für mich eine conditio sine qua non, oder auch: Wenn diese Bedingung nicht erfüllt wird, bin ich raus.

Wenn man das Programm der Piratenpartei liest, passt eh’ alles: Wir sind eine liberale Partei, wir vertreten bedingungslos die Menschenrechte sowie die individuellen Freiheiten der bürgerlich-liberalen Gesellschaft, im Netz ebenso wie im wirklichen Leben; Wonne, Waschtrog, Eierkuchen.

Die Tücke lauert, wie üblich, im Detail.

Denn es ist nun mal so, das was dem Einen noch nicht liberal genug ist, dem Anderen schon viel zu liberal ist, weshalb die Götter den politischen Kompromiss erfanden, immer leicht nach verrauchten Hinterzimmern riechend, immer mit dem Hautgoût des Packelns behaftet, weil man Kompromisse bekanntlich nicht mit Schreiduellen im Plenum, sondern nur mit ruhigen Gesprächen im Klubzimmer erreichen kann.

Bestes Beispiel dafür ist wohl die Große Strafrechtsreform der zweiten Regierung Kreisky. OK, am Ende gab’s 1974 einen Beharrungsbeschluss der absoluten SP-Mehrheit, aber das war wohl nur wegen der Fristenlösung, ansonst wurde im generellen Konsens das StGB, das in seiner Grundform noch aus 1803 stammte, an die Postmoderne des ausgehenden Jahrhunderts angepasst. Ich bin überzeugt, dass in einhundert Jahren kein Mensch mehr von Zwentendorf, UNO-City oder Konferenzzentrum mehr reden wird, oder was uns der Alte sonst noch so alles hinterlassen hat – aber seine Strafrechtsreform, zusammen mit Christian Broda, damit wird er in die Geschichtsbücher eingehen.

Damit einmal klar ist, was so meine Vorbilder sind.

In diesem Zusammenhang verstehe ich halt dann auch ein bisserl was von Öffentlichkeit & Pressearbeit und so, nicht weil ich mich für so einen Superjournalisten halte (was ich nicht tue, ich denke mir, ich bin eher so Durchschnitt), sondern weil man einfach nicht 40 Jahre lang eine Hacke machen kann, ohne dabei $irgendetwas zu lernen. Und das, was ich da gelernt habe, sagt mir, dass die Partei, also wir, die PPAT, da ein großes Problem hat.

Das stößt mir nicht erst mit Fisimas Aktion in Sachen Bettelverbot auf, das geht tiefer.

Ich habe mit der PPAT echt eine kognitive Dissonanz. Weil einerseits sind wir anders als die Anderen, wir sind basisdemokratisch und transparent, weit über jede Schmerzgrenze hinaus. Super. Nur wenn es dann hart auf hart geht, sind auch wir Piraten plötzlich wie die Anderen, und sondern genau dasselbe Politgeschwurbel aus unseren Gesichtsöffnungen ab wie die anderen Lemuren auch.

Zum Beispiel bei meinem Ö1-Interview. Das war nicht so schlau (ich hätte es wahrscheinlich ablehnen sollen, bloß: Wie?), aber ich habe die Wahrheit gesagt und muss mich nicht für eine einzige Aussage genieren. Was dann als Aussage von anderen Piraten kam, bis hin zur offenen Aufforderung, ich hätte doch einfach aufmunternd lüge^W ein paar Sätze aus der Marketingabteilung sagen … Freunde: dafür bin ich nicht Pirat geworden.

Da kriege ich dann besagte Dissonanz. Weil: was jetzt? Wir lügen nicht, aber dann doch, wenn es wirklich wichtig ist? Da hätte ich ja gleich der jungen ÖVP beitreten können.

Dasselbe gilt jetzt für Fisimas Aktion. Ich will ihm gerne glauben, er habe es in lauterster Absicht getan (jftr: ich tu’s sogar), aber es ist völlig wurscht, der PR-SuperGAU ist es allemal. Und das bockige sich-eingraben-ich-hab-ja-nix-Böses-getan ist genau das Falsche, frisch aus dem Lehrbuch, und wir verspielen gerade den kläglichen Rest unserer Glaubwürdigkeit.

Und weil ich für das, was ich für richtig halte, auch einstehe, hab ich das laut gesagt, auch mit ein bisserl Getöse, und das natürlich öffentlich. Weil: Wie denn hätte ich es machen sollen? Sind wir nicht basisdemokratisch? Kann nicht jeder hören, wenn wir verschiedener Meinung sind? Was jetzt? Ach, öffentlich streiten ist dem Image unbekömmlich, ja? Aber so ausschauen, als würden wir dem Bettelverbot zustimmen, und sich dann der Realität verweigern, das ist OK, ja?

Pfui Deibl. Ich muss mal kurz mein Mitagessen los werden …

Ach ja, à propos Kreisky und die Broda’sche Strafrechtsreform: Mit der kam auch die so genannte Tagsatzregelung. Sprich: (Geld)Strafrahmen werden nicht in absoluten Zahlen, sondern in Tagsätzen angegeben, und für jeden Straftäter wird dann, nach seinen finanziellen Verhältnissen, die Höhe des für ihn gültigen Tagsatzes festgelegt, auf dass (Geld)strafen möglichst demokratisch allen gleich weh tun, dem Armen wie dem Reichen.

Ein geniales Konzept, dass dann bei uns in Liquid als blöd und undemokratisch hingestellt wird, zusammen mit einer Reihe von skurrilen Reformvorschlägen, die alle eher unausgereift sind, dem Rest des StGB zuwider laufen oder gleich verfassungsrechtlich daneben sind. Und wenn ich das anmerke, krieg’ ich Shitstorm im Forum. Gottseidank lese ich dort nicht.

Auch habe ich meine Probleme mit der bei manchen verbreiteten Ansicht, der Bundesvorstand bei den Piraten soll so eine Art erweiterter Grüßaugust sein und sonst nichts weiter. Weil den Rest bestimmt sowieso die Basis. Dem kann und will ich nicht beipflichten, der Bundesvorstand führt durch eigenes Beispiel, durch Vorschläge, durch Kommunikation, durch Thematisierung bestimmter Inhalte, durchaus im Rahmen von Programm und Satzung. Weil um nur monoton zu wiederholen, was die Basis beschlossen hat, richten wir einen Bot ein, der ist billiger, hat kein Gewissen bzw. eine eigene Meinung, läuft 24 Stunden durch und tritt auch nicht zurück.

Keine Angst: Ich bin schon zurückgetreten.

Der Vergleich mit Salsabor ist auch falsch: Salsa wollte Schiff wechseln, möglichst unauffällig, der glaubt nicht (mehr) ans Piratentum. Ich will weder wechseln noch abheuern, ich will für die Dinge einstehen, von denen ich überzeugt bin. Außerdem kann ich nicht einmal im Ansatz so gut tanzen wie Salsa …

Ganz abgesehen davon, dass auch eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge, sei sie auch noch so empfindlich, uns nicht einmal in die Nähe jener Beträge bringen wird, die es brauchen würde, um bei der kommenden Europawahl auch nur den Funken einer reellen Chance zu haben. Ich bin überzeugt davon, wir werden auch das ganz gezielt an die Wand fahren, und das Resultat wird noch deutlich schmerzhafter sein als das bei der NRW.

Und zu schlechter Letzt: was die Kummerln betrifft – das ist dann sowieso nur mehr die Kirsche auf dem Schlagobers. Ihr meint doch nicht ernsthaft, dass uns $irgendwer das mit dem liberal und so abnimmt, nachdem wir hier mit der Einheitsliste ins Bett gestiegen sind? Oder? Selbst wenn sie eine reformierte Linkspartei wären, was sie eindeutig nicht sind, ist es unser politischer Selbstmord. YMMV.

Offenbar hat der ganze Zinnober sowieso nix genutzt, schon heute tun alle so, als wäre eh’ alles leiwand. Ich werde dennoch nicht austreten, sondern meine Stimme delegieren und mir die Entwicklung anschauen, austreten kann ich später immer noch.

Und wenn wir uns in zehn Jahren, so wir dann noch leben, daran zurück erinnern, wann die Sache anfing, ernsthaft auseinanderzufallen, dann erinnert euch: Ihr habt es hier zum ersten Mal gelesen.

Warum ich zurücktrete. Und überlege, auszutreten.

Diese Art von Postings sind immer scheisse.

Aber dennoch: Ich bin vor wenigen Minuten von allen meinen Funktionen in der Piratenpartei (Mitglied im Vorstand, Mediensprecher) zurückgetreten und überlege ernsthaft meinen Austritt. Und das will, es hilft alles nichts, öffentlich argumentiert werden.

Eigentlich wollte ich ja bei der kommenden Bundesgeneralversammlung in Graz im Jänner einfach nicht mehr zum Bundesvorstand kandidieren, und gut wär’s gewesen. Aber so einen stillen Abgang will man mir nicht gönnen.

Bis vor wenigen Tagen war die Bilanz des abgelaufenen Jahres zwar durchwachsen, aber teilweise auch positiv. Immerhin hat der derzeitige Bundesvorstand fast komplett ein ganzes Jahr durchgehalten, hat die Partei beruhigt & geeint und hat sie zum bundesweiten Antreten bei der NRW geführt, was ja auch nicht selbstverständlich war.

Hätten wir bei der NRW mehr als ein Prozent (und damit etwas Geld) erreicht, wären meine Ziele sogar halbwegs erreicht gewesen.

Doch leider läuft jetzt ziemlich alles aus dem Ruder.

Erstens haben wir nicht einmal bundesweit ein Prozent erreicht, also gibt es null Kohle und relativ wenig Zukunftsaussichten.

Ich habe immer wieder gesagt, ganz ohne Geld werden wir es nicht schaffen, einfach weil wir uns ohne Geld nicht den Bekanntheitsgrad „kaufen“ können, ohne den es halt nicht geht. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, die Mehrheit hat keine Ahnung, dass es uns überhaupt gibt, geschweige denn wofür wir einstehen.

Und statt nach der verlorenen Wahl einzusehen, dass es ohne Geld nicht geht, nimmt die Mehrheit jetzt so eine Art Trotzhaltung ein, frei nach dem Motto „Jetzt erst recht“.

Ja, was jetzt erst recht? Wir zwingen die Realität? Wir schaffen uns unsere eigene? Wir halten uns an den Händen und singen alle „Ohm“ und dann klappt’s auch mit den Wählern?

Hmmm.

Stattdessen wird die Zahl der letzten Vernünftigen immer weniger. Wir haben keine Experten, wir haben nur lauter Möchtegerne. Egal was, BGE, Basisdemokratie, you name it: Es wird auf dem Niveau einer Sekte argumentiert. Zum Beispiel BGE: Kein Aas bei uns weiß, wie das Staatsbudget wirklich ausschaut (woher auch, das Ding hat 500 Seiten), wir argumentieren aus dem Bauch und werden überall gnadenlos aufgemacht. Dabei gäbe es kluge Leute, Wirtschaftsexperten, Uniprofessoren, die dazu was zu sagen hätten – aber die bekommen wir alle nicht, aus welchem Grund auch immer.

Dafür kommt wenigstens zur PK, Thema BGE, „nur“ eine Praktikantin.

Hmmm.

Im Liquid werden Anträge gestellt, die jeder Logik spotten, auch von bisher „vernünftigen“ Mitgliedern, kein Aas schert sich dabei um Verfassung, herrschende Gesetze etc.pp., es wird einfach alles und sein Gegenteil gefordert, möglichst im selben Antrag, unüberlegt, nicht einmal die Rechtschreibung stimmt …

Von Geld redet immer noch niemand. Dafür verbrüdern wir uns mit den Kommunisten.

Hmmm.

Und jetzt die Sache mit Fisima und dem Bettelverbot in Graz.

Ihr könnt alle sagen und argumentieren, was und wie ihr wollt: Es ist der absolute PR-GAU. Das Desaster schlechthin. Und Fisima … ach, lassen wir das. Wenn er’s nicht einsehen will, so ist das seine Sache.

Ich jedenfalls will damit eigentlich echt nix mehr zu tun haben. Wenn die Mehrheit meiner Partei politisch Selbstmord begehen will, bitte. Aber ich bin dann mal weg.

Vielleicht rüttelt dieser mein Rücktritt ja noch jemanden auf, vielleicht kann man noch einmal … ich glaub’s ja nicht. Ich warte jetzt noch zwei Tage, ob in Graz Einsicht eintritt, und dann trete ich auch aus der Partei aus.

Schade.

Ich bin sehr, sehr traurig und sehr, sehr enttäuscht.

Ich glaube nach wie vor an die Idee des (politischen) Piratentums. Aber das, was die PPAT da derzeit bietet, hat damit aber schon absolut nix mehr zu tun …

Hätti wari, kunti tati. Oder auch: Mit Fäkalerotik geht alles besser.

Und es begab sich, dass der Bundesvorstand André Igler, also ich, ein Interview gab am Sonntag bei der Birgit Pointer in der Nachrichtenredaktion von Ö1, vormals als H1 bekannt. Und das am Mittwoch ausgestrahlt wurde, und dann gab es Aufregung.

Ö1 ist – wenn es denn überhaupt so etwas gibt – der heimische Intellektuellensender. Er hat zwar eine ganz mickrige Reichweite von drei Prozent (außer in Golfkriegen, wenn alle die Journale hören), aber unter diesen drei Prozent sind ein Haufen Leute, auf deren intellektuelles Urteil ich Wert lege.

Also hab’ ich die Wahrheit gesagt.

Es tut mir leid, ich kann nicht Pirat sein und behaupten, wir machen es anders i.e. besser i.e wir lügen nicht und sind transparent, und dann geh’ ich hin und gebe in Ö1 – als Mitglied im Bundesvorstand und inoffizeller Pressefuzzi – ein Interview, bei dem ich den selben weichgespülten Schwachfug erzähle, der derzeit bei allen anderen Politikern aus der dafür offenbar vorgesehenen Gesichtsöffnung quillt.

Also hab’ ich gesagt, dass wir überhaupt so weit gekommen sind, sei schon das erste Wunder und nur auf die Beharrlichkeit und der Opferbereitschaft einzelner Mitglieder zurückzuführen. Aber ja, wir hatten nur 15 k Eumels zur Verfügung, davon ging ein Drittel für’s Anmelden drauf, für den Rest haben wir 200.000 Flyer drucken lassen, und ein paar Pickerln und Plakate. Und fertig.

Das heißt, wir erreichen im besten Fall ein Zwanzigstel der Wähler, und das nur ein einziges Mal.

(Wie bitte? Es waren nicht so viele? Nicht einmal annähernd? Ich will’s gar nicht wissen, die Rechnung ist schon so schlimm genug.)

Fakt ist, dass die überwiegende Mehrheit der Wähler noch immer keine Ahnung davon hat, dass es uns überhaupt gibt, und wenn doch, dann sicher nicht weiß, wofür wir eigentlich stehen. Und es hätte deutlich mehr Leute bedurft als jener etwa 50 – wirklich bewundernswert motivierter – Aktivisten, die es gab.

Und dass es in diesem Medienzeitalter meiner Meinung nach eben nur mit gaaanz viel Aktivisten gegangen wäre, eventuell, wenn schon so ganz ohne Kohle die bestehenden Machtstrukturen aufzubrechen, aber so, mit absolutely no dough und mit so wenig Mannschaft, wird das offenbar doch nix.

Und das hab’ ich halt gesagt, weil ich es für wahr halte. Und Romario saß dabei. Nur so als Hinweis. Hätte, wari, weiß ich. Kunti tati. Hab’ ich halt nicht. So sue me.

OK, es war nicht so elegant, und offenbar konnte sich Birgit Pointer das rausschneiden, was sie geschnitten hat, und man hätte es besser formulieren können, aber so ist es doch: Wir werden ein respektables Ergebnis einfahren, wir werden – dringendst benötigte – Kohle bekommen, und mit einigem Glück bei der demnächst anstehenden EU-Wahl unser erstes Mandat bei einer bundesweiten Wahl machen, und dass in weniger als einem Jahr. Das ist doch eh’ super.

Sagt mal, Leute: Was habt ihr euch eigentlich vorgestellt? Wenn wir nur fest genug daran glauben, setzen wir alle mir bekannten Gesetzmäßigkeiten der modernen Massenkommunikation außer Kraft, können über Wasser gehen, Schweine werden fliegen, und wir bekommen vier komma irgendwas? Echt, jetzt? Ich dachte, wir seien keine Esoteriker?

Deshalb war mein Statement nicht Bullshit. Und verdient auch keine fünf Fragezeichen und ein in der Aufregung gestrichenes Prädikat. Es war vielleicht nicht zur richtigen Zeit, und man hätte es anders bringen … aber der Sturm im Wasserglas namens Twitter ist unnötig.

Und außerdem der falsche Platz. Wer mit mir streiten will, sollte das hier tun. Von wegen drei Tage vor der Wahl und öffentlich streiten und so …

Open for comments.

Warum uns die Linken wählen sollen …

(Diesen Text habe ich am 17. September für akin geschrieben. In der Hoffnung, damit auch ein paar meiner linken Freunde zu überzeugen, ein Stück des Weges mit uns gemeinsam zu gehen.)

Ein Text über die Piraten. In einer linken Zeitschrift. Und er soll nicht fad sein.

Puh.

Und überhaupt: Piraten. Was sind die eigentlich? Links? Rechts? Oder einfach nur opportunistische Spaßpartei?

Eine Partei, die die freie Marktwirtschaft propagiert, aber gezielte Verstaatlichungen fordert.

Eine Partei, die die Entfremdung der Arbeit bekämpfen will, aber nicht durch Vergesellschaftung, sondern durch eine neue Definition der Arbeit. Und durch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Ein bitte was?

Und schon sind wir mittendrin. Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist die Fortführung des Gedankens „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“.

Denn das haben wir mit der Linken ganz sicher gemeinsam: Die Vision von einer besseren, gerechteren Gesellschaft. In der klassischen Tradition der europäischen Aufklärung: säkular, demokratisch, universal.

Unsere Großväter träumten von einer besseren Gesellschaft, in der es Urlaub für jeden geben würde, Kranken- und Unfallversicherung und eine Alterspension, geregelte, limitierte Wochenarbeitszeiten, einen Betriebsrat … alles, was uns heute als völlig normal erscheint, war damals Utopie. Heute träumen wir von den nächsten Schritten. So ist etwa unsere Produktivität, trotz stetiger Verminderung der Arbeitszeit, exponentiell gestiegen. Sprich: es ist genug da, um alle zu ernähren. Also träumen wir davon, dass die Gemeinschaft jedem von uns ein Grundeinkommen garantiert. Genug, um die Miete zu bezahlen und essen zu können. Bedingungslos, ohne irgendwelche Konditionen. Eben ein BGE.

Befreit von den Zwängen des täglichen Überlebenskampfes, könnten sich die Menschen dann den Dingen widmen, die sie wirklich arbeiten wollen: Die Kinder erziehen. Ein Buch schreiben. Eine Ausbildung machen. Oder sich einen Beruf, einen Job, ein Geschäft erarbeiten, in dem man verdienen kann und dennoch die Arbeit gerne macht.

Zur Vision einer besseren Welt gehört auch die Gerechtigkeit, möglichst für alle. Wir wissen schon, dass sie nicht absolut erreichbar ist, aber es könnte schon deutlich gerechter zugehen in dieser unserer Welt. Deshalb meinen wir, dass absolute Transparenz jedes gesellschaftlichen Handelns einen großen Schritt in die richtige Richtung bedeuten würde. Sprich: Wenn jede Entscheidung, sei es in der eigenen Gemeinde, im Land, im Bund, selbst in Brüssel, tatsächlich transparent wäre, also für jeden jederzeit zur Gänze nachvollziehbar, dann wäre diese Welt sicher einen Schritt gerechter.

Dazu gehört auch die Basisdemokratie. Und weil wir so technikaffin sind, handeln wir basisdemokratisch „per Computer“. Das System nennen wir „liquid democracy“, so haben wir in einem Jahr rund 120 Seiten Grundsatzprogramm erarbeitet.

Aktuell haben wir allerdings ein viel wichtigeres Problem, nämlich dass die fortschreitende Digitalisierung unserer Welt unsere bürgerlichen Grundrechte untergräbt. Alles, was unsere Demokratie heute ausmacht, von Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit über die Unschuldsvermutung bis hin zum Recht auf Privatsphäre, wird im digitalen Raum ständig unterlaufen: So wurde etwa die Vorratsdatenspeicherung im Internet in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen gekippt (leider nicht bei uns). Ein Staat, der seine Bürger ohne Verdacht bespitzelt und überwacht, weil er ihnen nicht traut, ist kein demokratischer Staat, kann es nicht sein.

Deshalb sind wir gegen Acta und Prism, gegen Vorratsdatenspeicherung und verdachtsunabhängige Überwachungsmechanismen – und weil die Bedrohung so immanent ist, so unmittelbar vor der Türe steht, ist dies unser derzeit wichtigstes Anliegen.

Denn wenn dieser unser Staat morgen zu einem totalitären Überwachungsstaat mutiert, können wir alle unsere Visionen von einer besseren und gerechteren Welt begraben.

Deshalb fordern wir, dass die Menschenrechte auf den digitalen Raum ausgeweitet werden, dass es ein Recht auf Datenschutz geben muss ebenso wie ein Grundrecht auf Zugang zum Internet und damit zur Teilnahme an der digitalisierten Gesellschaft. Und, ja, eben weil wir die Nerds sind, die Computerkinder, weil wir wissen, wie die Überwachungsprogramme geschrieben werden und wie sie funktionieren, genau deshalb wissen wir genau, wie groß die Bedrohung durch die Digitalisierung ist, und auch was sie für Chancen mit sich bringt, unsere Gesellschaft zum Besseren zu verändern.

Ach ja, was uns von der Linken unterscheidet: Wir glauben an die bürgerlich-demokratische Gesellschaft und nicht an das Primat irgendeiner Partei, sei sie auch noch so wohlmeinend und schlau. Wir glauben nicht an eine revolutionäre Elite, und schon gar nicht an die Diktatur des Proletariats.

Wir halten generell nichts von Regel und Vorschriften und möchten so wenige davon wie möglich in unserem Alltag haben. Deshalb halten wir auch die freie Marktwirtschaft für die beste aller möglichen Wirtschaftsformen, denn nur in einer freien Wirtschaft kann jeder genau das machen, was er machen möchte. Denn wir wollen auf keinen Fall den Menschen vorschreiben, was sie tun sollen und dürfen und was nicht.

In logischer Konsequenz halten wir auch Privateigentum für ein Grundprinzip einer freien und gerechten Gesellschaft, und der Schutz desselben ist für uns ein ganz wichtiges Grundprinzip. Was nicht heißt, dass wir es gerecht finden, dass ein Prozent der Menschheit über mehr als die Hälfte allen Besitzes weltweit verfügt, aber wir würden es ihnen niemals mit Gewalt wegnehmen wollen.

Natürlich muss man Marktwirtschaft reglementieren und Auswüchse verhindern, deshalb halten wir auch eine soziale Marktwirtschaft für die gerechtere Wirtschaftsform. Wir fordern auch, dass der Staat an der Infrastruktur, die für die Funktion der freien Marktwirtschaft notwendig ist, kontrollierende Anteile halten oder sie zur Gänze besitzen muss, um einer Monopolisierung vorzubeugen, denn die Nutzung dieser Infrastruktur muss allen zu gleichen Bedingungen offen stehen. Oder auch: Netzfreiheit und Netzneutralität sind Voraussetzungen für die infosoziale Marktwirtschaft. Und im Zweifelsfall befürworten wir in diesem Kontext auch Verstaatlichung.

Und, ja, wir glauben an ein vereintes, starkes Europa, in dem unsere Werte der bürgerlichen Freiheiten hoch gehalten werden. Eine erfolgreiche Verteidigung dieser Werte gegen Begehrlichkeiten „von außen“ werden wir nur mit vereinten Kräften schaffen. Allerdings fordern wir gerade deshalb auch bei europäischen Strukturen deutlich mehr Demokratie und wesentlich mehr Transparenz.

Wir werden viel geschmäht und noch mehr missverstanden, man hat uns als Grüne mit Computer beschimpft, als FDP ohne Porsche, als bürgerliche Träumer, intellektuelle Phantasten, was auch immer.

Wir sind der Meinung, dass wir die Ersten sind, die erkannt haben, dass die digitale Revolution einen ebenso grundsätzlichen Paradigmenwandel unserer Gesellschaft bewirken wird wie seinerzeit die industrielle Revolution, mit ähnlich weit reichenden Folgen. Wir sind überzeugt, dass wir das wichtigste und interessanteste politische Projekt seit den Grünen sind.

Und schon wegen der aktuellen Bedrohung unserer bürgerlichen Grundrechte durch Überwachungsstaat und digitale Spitzelagenturen hoffen wir, dass alle demokratisch eingestellten Bürgerinnen und Bürger zumindest ein Stück des Weges mit uns gemeinsam gehen werden, um diese Bedrohung von unserer Gesellschaft abzuwenden. Und um gemeinsam eine bessere Welt aufzubauen.

Und natürlich werden wir gewinnen. Wir sind die Zukunft. Wir sind die Mehrheit. Auf Dauer sind wir nicht aufzuhalten. Venceremos.

 

Und bitte wie soll es jetzt weiter gehen?

Im vorherigen Blogeintrag habe ich die Forderung aufgestellt, dass die Piraten bei der kommenden Nationalratswahl dem Wähler/der Wählerin einen guten Grund bieten müssen, uns und ausgerechnet uns zu wählen. Schließlich sind wir ein doppeltes Risiko: Erstens besteht die reëlle Möglichkeit, dass wir’s nicht schaffen, sohin die Stimme „vergeudet“ ist, und selbst wenn, ist noch lange nicht klar, was wir denn tatsächlich im NR zusammenbringen, wenn wir hineinkommen, und noch viel weniger, ob das dann auch dem jeweiligen Wähler gefällt oder nicht.

Für mich ergibt sich daraus (und das hätte ich gerne als nächstes zur Diskussion gestellt): Einerseits müssen wir ein Thema haben, sozusagen als Speerspitze, mit dem wir, ganz plakativ, die Mehrheit überzeugen können, gerade uns zu wählen. Weil – und auch das stand schon im letzten Blog – eben nur die Piraten dieses Thema haben, es offenbar dann doch wichtig klingt, und die Lösung, die die anbieten, klingt auch nicht so blöd, kann man versuchen.

Das gefällt nicht? Nein, und mir gefällt es auch nicht. Ich bin ein Intellektueller, ich will gewählt werden, weil ich richtig und umfassend argumentiert habe, nicht weil ich halbwegs einleuchtend klinge. Aber so sind die Wähler, wir werden sie nicht ändern.

Gottseidank gibt es auch eine Minderheit unter unseren Wählern, denen reicht das dann doch nicht, die wollen ein Programm. Und das können wir eben auch bieten: BGE, fahrscheinlose Öffis, Demokratiereform, Liquid Democracy … fällt was auf? Richtig, sind auch alles Themen, die die anderen nicht haben. Und die uns auszeichnen.

In Summe ergibt das einen hübschen Katalog, den man dann allen anbieten kann. Und der mit piratigen Themen besetzt ist. Wir erinnern uns: Die anderen haben sie nicht, aber irgendwie klingen sie überzeugend wichtig. Mit der Überschrift: Wenn Du das willst, musst Du PIRAT wählen.

Dann klappt’s auch mit den Wählern.

Daraus folgt aber auch – zumindest für mich, und hier werden wieder alle über mich herfallen – dass wir Dinge wie Korruption und allgemeine Misswirtschaft nicht als „Speerspitzenthema“ nehmen können. Es klingt zwar sehr verlockend, aber es bietet uns absolute keine Alleinstellung. Ebenso gut könnten wir ein Volksbegehren gegen den langen Winter starten, oder dagegen, dass die Schnitzel beim Figlmüller immer kleiner werden.

Ganz abgesehen davon, dass die Grünen da schon längst drauf sitzen. Dementsprechend haben sie ja auch ein Volksbegehren gegen Korruption gestartet. (Nein, nicht dass ich glaube, dass Korruption unvermeidbar sei, so wie schlechtes Wetter. Aber ein Volksbegehren halte ich für die falsche Vorgangsweise gegen Korruption. Egal, gehört hier nicht her.)

Zeit ist da auch noch ein Faktor, respektive das Fehlen derselben, also sollten wir uns auf etwas konzentrieren, was wir schon halbwegs können, und das ist, IMHO, das Internet. Unsere Netzkompetenz. Wir kommen aus dem Netz. Wir sind die, die es programmieren (und vielleicht auch hie & da hacken), wir sind ein bisserl anarchisch und sehr viel peer-to-peer, wie das Netz eben auch, denn da sind wir zu Hause. Und das nimmt man uns auch ab.

Thema ist da reichlich da, Tenor: Wenn wir uns jetzt nicht wehren, ist es morgen zu spät.

Erinnert euch, die Grünen haben genau so angefangen: Wenn wir uns nicht jetzt um die Umwelt kümmern, ist es morgen zu spät.

So simpel war die Message, und so simpel kann (und muss) auch unsere sein.

Natürlich „reicht“ Netzkompetenz alleine nicht. Natürlich brauchen wir eine kompetente Meinung zu anderen Themen, zum Beispiel „Migrantenbeirat“ (brauchen wir, unterstützen wir, wir haben einen Piraten, der sich da bestens auskennt), zur Situation der Freiberufler (Themensprecher, anyone?), zur Drogenpolitik, (jessas, was für ein Gedränge), whatever. Wir haben sechzig Seiten Programm, da steht viel Vernünftiges drin. Und manchmal auch eher Schwachsinn, aber das macht nichts, sondern den Charme der Piraten aus. (Und selbstverständlich sind wir für eine Kolonialisierung des Mars ausschließlich mit friedlichen Mitteln, wer will uns da widersprechen?)

Na also.

Das alles stelle ich hiermit erneut zur Diskussion und freue mich schon auf dieselbige.

Endabrechnung

Zeit, das Geschehene aufzuarbeiten.

Erstens: Warum haben wir in Kärnten verloren?

Im Grund genommen weil wir auf die Frage des Wählers „Warum soll ich ausgerechnet die Piraten wählen?“ keine ausreichende bzw. überzeugende Antwort gegeben haben.

Der Wähler geht mit seiner Stimme erstaunlich sorgsam um. Selbst der Protestwähler wählt nicht einfach $irgendetwas, sondern das, was das derzeitige System am besten „aufmischt“. Um ihn zu überzeugen, gerade die Piraten zu wählen, wo doch genau dort die Chance, dass seine Stimme verloren geht, besonders hoch ist, muss es einen verdammt guten Grund geben dafür, dass er’s dann doch riskiert.

Das mit den Protestwählern wäre hübsch gewesen, für die hätte es nicht einmal ein Programm gebraucht, leider hat da Zwerg Bumsti eindeutig mehr Geld. Gut, dann also mit Inhalten.

Die, die wir öffentlich angeboten haben, waren es nicht. Schön, Transparenz ist sehr piratig. Aber das Thema hatten fast alle, die Grünen wie die SP, selbst die Schwarzen. Was konnten wir da bieten, was die anderen nicht geboten haben, außer einem treuherzigeren Augenaufschlag mit dem Charme der reinen Amateure? Nicht wirklich viel. Schön, man attestiert uns sicher Sauberkeit, aber so die Überkompetenz in Sachen Durchblick wird uns nicht zugeordnet. Warum auch? Nur, weil wir das gerne hätten? Außerdem führt die schwarzrotgrüne Koalition in Kärnten gerade vor, wie das alles ohne Piraten auch geht, und das – bislang – recht beeindruckend.

Thema Wohnen – haben inzwischen auch schon alle. Und auch hier: Was sollen gerade wir da besser, anders, überzeugender können? Selbst wenn wir es tatsächlich könnten …

Fahrscheinlose Öffis hatten die anderen nicht, war aber offenbar in Kärnten auch nicht so der große Aufreger. Eher ein urbanes Thema, für Wien vielleicht … für Graz war’s eines. Aber Graz ist nicht Kärnten. Andrerseits zeigt es, dass wir mit eher „ausgefallenen“ Ideen eher Chancen haben. Ausgefallen in dem Sinn, dass sie die anderen nicht haben. Entweder, weil es keinen interessiert, oder weil keiner davon was versteht.

Sicher, wir haben auch in der Exekution schwere Fehler gemacht, die Plakataktion etwa ging voll daneben, weil wir offenbar einen – äh – nicht verlässlichen Geschäftspartner hatten, sprich: Er hat uns Stellen verkauft, die es nicht gab. Auch sonst waren wir zuwenig Leute, waren einfach nicht präsent, die Mehrheit der Wähler ist uns zum ersten Mal auf dem Wahlzettel begegnet, das war zu spät. Aber selbst wenn wir sonst alles richtig gemacht hätten und halb Kärnten von uns gesprochen hätte – fünf Prozent wären es auch nicht geworden. Nicht mit diesen Themen.

Fazit: Falscher Ansatz, schlecht exekutiert. Dafür sind ein Prozent ganz beachtlich. Offenbar unsere Hardcore-Basis – da sollten wir anknüpfen.

Zweitens: Was bedeutet das für die Nationalratswahl?

So wie ich das einschätze, müssen wir uns schleunigst auf eine eindeutige Themenführerschaft einigen und die dann in der Öffentlichkeit erarbeiten, komplett samt Kompetenz und pipapo. Wenn wir im Herbst den p.t. Wählern keinen echten Grund geben, uns zu wählen, wird das nix.

In der kurzen Zeit wird es uns allerdings nicht gelingen, nur mit Kompetenz und klugen Bemerkungen bundesweit überhaupt bekannt zu werden, geschweige denn zur echt wählbaren Alternative, da wird man ein wenig nachhelfen müssen. Wie man das macht, mit oder ohne Geld, Öffentlichkeit kaufen oder irgendwie sonst organisieren, diese Diskussion steht aus. Aber nur weil wir das jetzt wirklich wollen, wird es nicht gelingen, da muss schon etwas echtes Können plus ein wenig Professionalität dazu kommen. Der Charme des Amateurs ist bei den Piraten schnell abgelaufen, wir müssen jetzt leider auch Handfestes bieten.

Vielleicht könnten wir uns ja darauf einigen, dass wir nur dort etwas sagen, wovon wir wirklich etwas verstehen. Und das wird dort, wo wir glauben, etwas sagen zu müssen, zuerst vorher unsere Hausaufgaben machen. Beim Urheberrecht, zum Beispiel. *duck*

Ich weiß, der Shitstorm ist vorprogrammiert. Egal, es ist meine Meinung. Und damit kommen wir zu

Drittens: Was bedeutet das für mich persönlich?

Die Debatte um die Rückerstattung von Spesen für gewählte Organe der Partei hat mich dann doch schwer verstört. Auch wenn die Abstimmung am Ende anders ausging, alleine die Tatsache, dass die Forderung „Soll sich jeder selber zahlen“ nicht nur erhoben, sondern auch unterstützt wurde, fand ich zutiefst undemokratisch, weil dann können es sich nur noch die Zwerg Bumstis dieser Welt leisten, in die Politik zu gehen und dort eine eigene Meinung zu haben. Dafür bin ich leider nicht zu haben. Und da ich bislang mindestens drei Flocken (hab’s bislang noch nicht so genau nachgerechnet, weil dann würde ich mich ärgern) meines Privatgeldes in die Parteiarbeit gesteckt habe und die offenbar niemals wiedersehen werde, muss ich hier & jetzt erklären: Das kann ich mir nicht (mehr) leisten. Und will es auch nicht mehr.

Ich löse diese Diskussion bewusst aus, jetzt & hier, und stelle folgende Hypothesen in den Raum:

Primo: Wir können weder als Linkspartei 2.0 noch als we2-Partei noch als „noch-so-eine-Partei“ erfolgreich sein, egal wie honorig unsere Ansätze. Wir müssen einen (oder mehrere) „unique voting point(s)“ bieten.

Secundo: Wir müssen deutlich (!) professioneller werden. Alle. Von unserer Parteiarbeit über unsere Außenkommunikation zu unseren Stellungnahmen und Presseaussendungen bis hin zu den verwackelten Handvideos vom Frosti. Wobei: Hätten alle Frosti’s Engagement, hätten wir ein Problem weniger …

Tertio: Zeit ist für jeden von uns kostbar & jeder hat gleich viel: sein Leben. Zeit können wir, zumindest derzeit, von jedem gratis fordern, so viel eben jeder hat. Aber der Aufwand, die Spesen, das Reisen, die Bahntickets, die zugigen Gasthauszimmer mit den klammen Betten und das hastig hinuntergewürgte Gulasch im Bahnhofbüffet – das muss ersetzt werden. Wenn einer sagt: „Danke, ich hab’ genug, ich lad’ euch drauf ein“ umso besser. Aber wenn demokratische Gleichheit für alle herrschen soll, dann muss es denen, die sich das nicht leisten können, ersetzt werden. Das Geld dafür ist aufzutreiben, „wir haben keins“ wird nicht anerkannt. Wer kein Geld hat, soll nicht in den Prater gehen.1)

Quarto: Der basisdemokratische Ansatz führt (nicht nur bei uns) dazu, dass sich alle für alles zuständig fühlen. Das ist Teil des Charmes der Amateure, aber organisatorisch ist es einfach Scheiße, und funktionieren tut es auch nicht. Entweder wir vertrauen einander, und der eine macht dies und der andere das, und wir stellen nicht ununterbrochen alles in Frage, nur weil wir es können, oder wir lassen es gleich bleiben. Das Ziel heißt Einzug in den Nationalrat, nicht öffentliches Haltungsturnen mit Extrapunkten für den schönsten Sterbenden Schwan mit der reinsten Haltung.

Quinto: Zu guter Letzt muss auch noch diese absurde Diskussion um online versus offline aufhören. Wir sind eine Partei, die im und aus dem Internet geboren wurde, das Internet ist unsere – derzeit einzige – Kompetenz, und natürlich sind Piraten online. Punkt. Und wer nicht online ist, aus welchem Grund auch immer, ist schnellstens dorthin zu bringen. Und wer partout nicht will – auch gut. Aber der ist als Pirat eher ein Misfit. In etwa so, als wolle man der Wasserballmannschaft beitreten und hat eine Allergie auf Wasser, oder ist wasserscheu. Das kann einfach nicht funktionieren.

Alle diese fünf Punkte laufen für mich unter „conditio sine qua non“, will heißen, wenn sie nicht erfüllt werden, dann sehe ich für die Nationalratswahl von vornherein schwarz. Ich meine, jeder wie er kann, möchte und glaubt zu müssen. Aber ich bin es leid, politische Partei zu spielen. Ich wäre gerne in der Realität angekommen.

Wie gesagt: YMMV, dies ist mein Blog & meine Meinung.

_____________________________

1) Wir haben uns entschlossen, innerhalb des parlamentarischen Systems zu bleiben, dort eine Partei zu gründen und mit dieser, nach geltenden parlamentarischen Spielregeln, die Welt zu verändern. Man kann alle Regeln natürlich auch in Frage stellen, aber irgendwann stellt sich die Frage, was man denn überhaupt noch im System verloren hat. Am Beispiel der 5-Sterne-Bewegung der Grillisten in Italien kann man das sehr hübsch beobachten. Und ähnlich sehe ich das auch mit dem Ansatz „wir machen das alles ganz anders und ersetzen Geld grundsätzlich mit Gutem Willen und ordentlich Cornflakes jeden Morgen“. Wer eine Partei haben will, der muss auch eine betreiben. Und was passiert, wenn alles nur auf Goodwill beruht, kann man immer wieder bei den Piraten beobachten: Es geht schief. Wo der Punkt genau liegt, an dem auch wir uns den grundlegenden Spielregeln unterwerfen müssen, und wie viele Regeln wir brechen können, ohne dass es schief geht, ist eine getrennte Diskussion. Aber die „grundsätzlich überhaupt nie“-Verweigerungshaltung wird nicht funktionieren.

Die Grundsatzrede

Am 2. Feber 2013 haben Christopher Clay (c3o) & ich, anlässlich der Eröffnung der Bundesgeneralversammlung der Piraten in Klagenfurt, gemeinsam eine Grundsatzrede gehalten zum Thema „Wer sind wir & wer wollen wir sein“.

Hiermit der Wortlaut des Manusriptes. Geschrieben haben die Rede Werner Reiter (verquer) & ich, Christopher hat dann seinen Teil so umformuliert, dass es „zu seinem wurde“.

Es gilt selbstverständlich das gesprochene Wort, das hier war & ist nur das Manus.

Wer lieber die Rede hören will, so wie sie gehalten wurde, klickt hier (youtube).

Rede zur Eröffnung der Bundesgeneralversammlung Klagenfurt 2.–3. Februar 2013

(Christopher Clay):

Jede und jeder von uns mag im Detail unterschiedliche Gründe haben, heute hier zu sein. Aber ich bin mir sicher, dass uns so manches eint. Die gemeinsamen Grundwerte, etwa, die wir letztes Mal in Graz beschlossen haben. Und dann das, was sich in unserem Slogan „Klarmachen zum Ändern“ ausdrückt. Wir sind hier, weil wir in diesem Land und in dieser Gesellschaft etwas zum Positiven verändern wollen.

Dafür haben wir heuer ein paar große Chancen.

Aber eines muss uns dabei bewusst sein: „Klarmachen zum Ändern“ enthält auch: Wir müssen uns klarmachen für diese Aufgabe. In der Seemannssprache bedeutet klarmachen, dass alles am Schiff für die große Reise bereit gestellt ist, dass jedem Mitglied der Besatzung bewusst ist, was man beiträgt und beitragen kann, und dass wir uns zumindest mal so grob einig sind wohin die Reise denn geht.

Im herkömmlichen Sinne heißt klarmachen „deutlich machen, vor Augen führen“.

Ich glaube, wir sollten die Gelegenheit an diesem Wochenende nützen, uns selbst und allen, die uns zum ersten Mal zuhören, vor Augen zu führen, was uns als Piraten einzigartig macht, was wir erreichen können und wollen, und vor allem warum es dazu gerade uns braucht.

Wir werden oft eine Netzpartei genannt, und dabei schwingt manchmal etwas abschätziges mit – in der ZIB wurde mir gesagt: “Sie haben doch ihr ganzes Leben vor dem Bildschirm verbracht, was wissen denn sie schon?”. Aber ich plädiere dafür, diesen Begriff der Netzpartei uns ganz selbstbewusst zuzuschreiben. Ohne Netz könnten wir nicht so funktionieren, wie wir es tun, ohne Netz hätten wir nicht die gesellschaftlichen Ziele und Visionen entwickelt, die wir haben – ohne Netz gäb’s uns nicht.

Selbstverständlich sind wir auch auf der Straße präsent und nicht nur hinterm Bildschirm, und natürlich wollen wir uns jenen, die bislang keinen so starken Zugang haben – entweder überhaupt zum Netz oder zu unseren Methoden – nicht verschließen und  müssen ihnen helfen, möglichst schnell und möglichst barrierefrei online zu gehen und mitmachen zu können.

Aber wir sind eine Netzpartei, so sehr, dass wir sogar unsere Strukturen aus dem Internet mit übernommen haben. Das Fehlen einer zentralen Stelle, die peer-to-peer-Struktur – also dass alle mit allen verbunden sind –, dieses flache, hierarchiearme, emanzipierende Grundkonzept, das die Struktur des Internets ausmacht – vieles von dem ist auch unsere eigene Kernstruktur. Und wir berufen uns darauf, dass wir so im Netz agieren und so auch in der Realität leben und uns organisieren wollen.

Das Internet prägt aber nicht nur unsere Organisationsstrukturen, sondern beeinflusst auch stark unsere Inhalte. Und das auf zwei – ganz wesentliche – Weisen.

Erstens sind wir die, die auf die ganz konkreten Bedrohungen unserer demokratischen Grundordnung und unserer Bürgerrechte im Informationszeitalter hinweisen, die aufstehen und sagten “Halt, da verlieren wir gerade im digitalen Raum Rechte, an denen sich offline niemand trauen würde, zu rütteln”, und zweitens bedingen auch unsere Lösungsansätze dieselbe Technologie – nur eben in der Hand der Menschen, der Bürger, als Ansatz zur Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen.

Dieselbe Technologie also, die unsere Rechte bedroht, ist auch der Schlüssel zur Lösung, wenn wir sie uns selber bemächtigen, wenn wir sicherstellen, dass die Verfügungsgewalt darüber in unser aller Händen liegt. Das unterscheidet uns auch ganz klar von den Grünen, mit denen wir ja sonst durchaus so manche inhaltliche Überschneidung haben.

Wir sind die, die genau verstehen, wie sehr das Internet und die Digitale Revolution – bzw. unserer Ansicht nach: deren Missbrauch durch Mächtige – von ACTA und Vorratsdatenspeicherung bis hin zu Datenverknüpfung, Rasterfahndung, Gesichtserkennung usw., unsere Menschenrechte in Gefahr bringen können. Und wir haben das Wissen und die Kompetenz, Lösungen vorzuschlagen, die genau das verhindern können und werden.

Und das ist nicht irgendwie abgehobenes, theoretisches Geschwafel – das betrifft tatsächlich heutzutage alle Menschen ganz konkret, auch wenn es vielleicht noch nicht alle mitbekommen haben.

Wir fordern, als einzige, bislang, dass die unverletzbare Integrität der Person, wie sie in den Menschenrechten definiert wird (ihr wisst schon: Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit, und so weiter…), auch die digitale Sphäre umfassen muss. Wir sind die Netzpartei, die erkannt hat, dass Deine Daten Teil Deiner Person sind und daher auch so angesehen werden müssen – als untrennbarer Bestandteil Deiner Rechte, so wie diese Rechte vor zweihundert Jahren als Teil der bürgerlichen Revolution definiert wurden.

Und dann begreifen wir auch ganz intuitiv die Möglichkeiten, die die Vernetzung für Menschen bietet, diese einmalige Chance für ein empowerment aller Einzelnen in einem bisher ungeahnten Ausmaß.

Dass Information, Wissen, Kunst – unser gesamter Kulturschatz – allen zugänglich gemacht werden kann, ohne dass dadurch nennenswerte Kosten entstehen

Dass wir uns im Netz ohne Zugangsbeschränkungen bilden können.

Dass wir uns in Sekundenschnelle quer über den Globus austauschen können.

Dass wir unsere Meinung publizieren können, egal ob das jemandem passt oder nicht – und dabei zumindest theoretisch eine gleich laute Stimme haben können wie jemand mit mehr Macht oder Geld und Privilegien.

Dass Tausende Menschen online zusammenarbeiten, um etwas zu schaffen, das uns allen zugute kommt und dafür kein Geld verlangen – Wikipedia, open source software, usw.

Dass wir zuvor schlicht unmögliche Methoden der Mitbestimmung und Transparenz umsetzen können – (siehe Liquid Democracy, undenkbar auf dem Papier!).

All das, die Chancen wie auch die Gefahren – das sind Neuerungen, die die existierenden Parteien noch nicht in ihr Weltbild integriert haben. Da sind sie wie der sprichwörtliche Frosch im Kochtopf, der nicht bemerkt dass um ihn herum das Wasser immer heißer wird bis es zu spät ist.

Und deshalb braucht Kärnten – braucht Österreich – braucht die Welt uns, die Piraten.

(Pause) (ab hier hab‘ ich die Rede weitergeführt)

Und weil wir eine Internetpartei sind, sind wir auch eine liberale Partei, denn das Internet ist ein Ort, an dem es so wenig Regeln wir nur möglich gibt, und zwar als Grundprinzip. Das ist eine zutiefst liberale Haltung, und auch das haben wir aus dem Internet mitgebracht: Wir sind in allem und jedem eine liberale Partei. Mit allem, was das impliziert. Denn selbst wenn wir das bestehende Parteienspektrum von links bis rechts als überholt ansehen, so müssen wir es uns dennoch gefallen lassen, in der Öffentlichkeit im Rahmen dieses Spektrums klassifiziert zu werden, und da müssen wir dort sein, wo der Bürger ist: In der Mitte, die Hände in alle Richtungen?? offen ausgestreckt.

Weil’s g’rad so schön aktuell ist: Was wir nicht sind, ist eine Linkspartei 2.0. Deshalb haben wir ja auch in Niedersachsen in Deutschland gerade verloren.

Was übrigens in Niedersachsen auch noch schön heraus kam, und hier auch nicht unerwähnt bleiben soll: Wir sind eine kleine Truppe, von der in der breiten Öffentlichkeit zwei Dinge bekannt sind: Erstens, dass wir für ein freies Netz stehen. Das ist uns sozusagen in die DNA eingeschrieben. Das ist gut. Damit können wir arbeiten. Andere Parteien geben viel Geld dafür aus, sich so einen „Markenkern“ von teuren Agenturen entwickeln zu lassen.

Und zweitens sind wir bekannt als zerstrittener Haufen. Das müssen wir ändern. Vielleicht nicht ganz, aber zumindest in das Bild eines streitenden Haufens. Die internen Diskussionen, das Ringen um Strukturen, Positionen und Kompromisse sind das Abbild dessen, wie wir mal Politik im Großen machen werden. Politik wird immer ein Streiten sein. Das muss so sein. Wir müssen uns aber immer wieder vor Augen führen, dass mit Zerstritten-Sein gar keine Politik gemacht werden kann. Da werden wir keinen Wahlkampf hinbekommen, dafür werden wir nicht gewählt und damit können wir nichts ändern.

Eigentlich steht das eh’ schon alles im Codex und im Programm und auf dem website, aber es hilft, sich die Details von Zeit zu Zeit ins Bewusstsein zu rufen: Wir sind eine basisdemokratische, liberale Bürgerpartei.

Hier fehlen dann noch der freie Zugang zu Bildung, etwa, oder gleich freier Zugang zu Information, möglichst aller vorhandenen, die Forderung nach einem Zugang zum Internet als Menschenrecht, die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen und – selbstverständlich – die absolute Transparenz in allem und überall – aber ich denke mir, so im Groben haben wir das Bild des Piraten schon entworfen.

Ich spüre schon den Unmut unter euch, wenn der eine oder andere jetzt sagt, alles schön und gut, aber wir haben nun einmal regen Zulauf von vielen Leuten, die mitmachen wollen und die bei weitem nicht dem hier entworfenen Idealbild entsprechen.

Die Piraten sind eine ganz breite Bewegung, und wir freuen uns über jeden, der ein Stück des Weges mit uns mitgeht und unsere Überzeugungen und Werte mit trägt, zumindest eben ein Stück des Weges. Denn die Auswirkungen unseres Weltbildes – Transparenz und Mitbestimmung und freie Entfaltung für alle – dass ist schließlich ein leicht verständliches Ziel, das viele, viele Menschen teilen.

Und, ja natürlich, eine Bewegung wie die unsere zieht ein breites Protestpotential an, und wir wären töricht und arrogant, würden wir dieses Potential nicht so breit ausschöpfen, wie es nur irgendwie geht.  Und selbstverständlich werden wir uns bei jedem einzelnen bemühen, ihn für unsere Werte und Überzeugungen zu gewinnen, ihn mit unseren Werkzeugen und Umgangsformen für eine digitale Demokratie vertraut zu machen. Das müssen wir tun, das sind wir jedem, der zu uns kommt und mitmachen will, einfach schuldig.

Aber am Ende des Tages werden wir immer wieder Entscheidungen treffen müssen, mit wem wir das nächste Stück Weg noch gemeinsam gehen, und mit wem nicht, und die Entscheidung wird immer schwer sein, und wir werden es dabei niemals – niemals! – allen Recht machen können.

So weit der vorprogrammierte Shitstorm, der systemimmanente.

Und so weit meine Definition, was ein Pirat sein soll, ich denke mir, wir haben jetzt zwei Tage Zeit, darüber zu diskutieren. Aber weil wir gerade im Wahlkampf sind, und neben der Theorie eben auch die Praxis steht, lasst mich euch bitte noch eines in die nächsten zwei Tage und in dieses Jahr der Wahlkämpfe mitgeben.

Seit 2007 kann in Österreich ab dem vollendeten 16. Lebensjahr gewählt werden, also seit sechs Jahren. Geändert hat sich dadurch nicht viel: Mehr als zwei Drittel der 16 bis 22 jährigen gehen noch immer nicht wählen und interessieren sich offensichtlich Nüsse für die Politik.

Und ich sage euch: Das stimmt nicht. Es stimmt deshalb nicht, weil es bisher keine Partei gab, die diese Wähler dort abgeholt hat, wo sie heute sind. Diese Kids wachsen heute auf in einer vernetzten, digitalen Welt, die ihre Eltern schon von der Technologie her nicht mehr verstehen, in einer Welt, in der sie sich ihre eigenen Kulturtechniken gestalten müssen, denn in der Schule werden sie nicht gelehrt. In einer Welt, in der es zwar eine Ausbildung gibt, aber keine Jobs, wo man zwar ausziehen könnte von zu Hause, es sich aber nicht mehr leisten kann, und in der Zwischenzeit zerfrisst die Korruption diesen Staat und zerstört damit jegliche Glaubwürdigkeit in alle Institutionen, so dass es sich nicht mehr lohnt, öffentlich für irgend etwas einzutreten außer die eigenen Interessen. Es droht ein neues Biedermeier, und mit ihm ein neuer Vormärz, der noch viel repressiver sein wird als alles, was wir bislang kennen und uns vorstellen können.

Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen: Wir sind die Partei der Jugend, wir haben als einzige vernünftige Lösungsansätze, die die Jugend verstehen und mittragen kann. Denn natürlich interessieren sie sich für die Dinge, die um sie herum geschehen, und natürlich besteht auch ein Gestaltungswille an ihrer Umwelt und ihrer Zukunft. Aber nicht mit dem System, das ihnen bisher angeboten wird.

Dabei sind – natürlich – die Kids nicht unsere einzige Kernzielgruppe. Wir wenden uns in weiterer Folge auch an die, die schon im Leben stehen und bereit sind, Veränderungen mit uns mitzutragen : An die Ein-Personen-Unternehmen, die Ich-AG’s, die Generation Trainee, die in der derzeitigen Gesellschaft keinen oder nur einen schlechten Platz finden; aber auch an die, die schon Bereitschaft gezeigt haben, diese Gesellschaft in ihrem Sinn verändern zu wollen, an Jungunternehmer, an Künstler und an Kreative.

Und wir wenden uns auch an die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen in den Bereichen Netzpolitik und Transparenz, wo Piraten als Partner, Teilnehmer, Multiplikatoren und Moderatoren mit wirken und unsere Ideen in die Gesellschaft hineintragen sollen.

Ich weiß schon, das klingt jetzt ein bisserl seltsam, wenn ich alter Sack hier stehe und was von Jugend fasel. Aber als Post-68er sage ich euch: So wie wir damals die Zukunft waren und die Welt verändert haben, wenigstens ein Stück, so seid Ihr heute die Zukunft, und es ist eure Zukunft. Ihr müsst sie selbst in die Hand nehmen. Wir alle gemeinsam haben die Kompetenz, das Wissen und schlussendlich auch die Macht, unsere Zukunft zu gestalten. Wir müssen uns nur das Recht dazu nehmen – bevor es uns genommen wird.

Und zum Abschluss noch der Satz, den ich mir ganz groß auf’s Auto hab’ picken lassen:

Wenn alle mitmachen, ist es keine Utopie!

(Pause)

Ja. Wir können!

(Pause)

Ich danke Euch für Eure Geduld und Aufmerksamkeit.