Warum das mit den Daten so kompliziert ist oder Real Men Don’t Do Backups. They Just Cry.

Heute Vormittag – ich sitze gerade an der Tastatur und arbeite still und bescheiden vor mich hin – stürmt die beste aller Ehefrauen, sichtlich erbost, in mein Arbeitszimmer und hält mir anklagend ihr Mobiltelefon hin. Es sei, so schäumt sie, eine unfassbare Frechheit des Erzeugers ihres Handys, dass besagtes Gerät Telefonnummern, die sie ganz sicher richtig eingegeben habe, einfach nicht speichere. Oder nicht mehr hergebe. Jedenfalls habe sie ganz, ganz sicher Norberts Nummer eingespeichert, und nun sei sie nicht mehr da. Oder einfach weg. Und ich sei im Hause doch der Technikexperte, und ich solle jetzt etwas tun.

Wenn Sie wissen wollen, was ich denke, fragen Sie am besten meine Frau. Also nehme ich ihr Samsung und sehe pflichtgemäß nach. Man kann dort auf die SIM speichern oder ins Gerät selber. Norbert gibt es keinen, weder noch. Computer sind furchtbar logisch und ganz emotionslos, bei Frauen ist das anders. Wer weiß, wo Norbert wirklich hingeraten ist.

„Hast Du ein Backup gemacht?

„Du weißt, dass das mit diesem Handy nicht geht, ich hab‘ kein Datenkabel.“

„Du könntest ja einfach parallel noch ein Telefonbuch auf Papier führen.“

„Nein, wozu? Ich hab’ ja mein Handy.“

*seufz*

Dabei ist die beste aller Ehefrauen da in guter Gesellschaft. Die überwiegende Mehrheit der Nutzer von digitalen Geräten hat das Konzept von Daten und deren Nutzung und wieso das bei analog anders ist als bei digital, noch nicht verstanden. Und wenn es um die Sicherung dieser Daten geht, ist es endgültig aus mit dem Verständnis.

Dass dabei der Begriff „Sicherheit“ bei digitalen Daten in distinktiv unterschiedliche Bereiche zerfällt, verwirrt dann keinen Laien mehr,  so weit kommt er erst gar nicht.

Der (damalige) Vorsitzende der deutschen Piratenpartei hat in der ZEIT 44/2009 unter anderem auch zu diesem Thema ein Interview gegeben. Jens Seipenbusch sieht überhaupt nicht wie ein Nerd aus, sagt aber recht kluge Sachen. Zum Beispiel, dass dem durchschnittlichen User völlig das Verständnis dafür fehlt, wie Daten heute gehandhabt werden.

Die Piraten sind überhaupt wert, dass man sich das genauer anhört, was sie so sagen. Die fordern ja nicht nur das freie Filesharing, obwohl sich da die Medien darauf aufhängen, sondern zuerst und vor allem die Umkehrung des Prinzips „gläserner Mensch“ zum Konzept „gläserner Staat“. Will heißen, jeder von uns sollte ein reales Problembewusstsein haben dafür, was für Daten über ihn oder sie genau wo gespeichert sind, und unter welchen Umständen sie vernetzt werden können.  Und dafür sollen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Weil zum Beispiel die Schufa über Sie Daten sammeln kann, die die Einstellung Ihrer Bank zu Ihrer Kreditfähigkeit deutlich beeinflussen, aber Sie haben deshalb noch lange kein Recht, in diese Daten Einsicht zu nehmen und etwa allfällige – horribile dictu! – Fehler zu korrigieren.

Was würden Sie sagen, zum Beispiel, wenn Ihnen beim nächsten Bankbesuch Ihr Betreuer mitteilt, man habe Ihren Überzeihungsrahmen deutlich gekürzt? Ihr Betreuer wird etwas von Krise murmeln und Basel Zwei und dass Kreditrichtlinien jetzt strenger gehandhabt würden. Aber in Wirklichkeit hat eine Software einfach Daten über sie gesammelt. Zum Beispiel, dass Sie Ihre Gas- und Stromrechnung immer erst am letzten Stichtag oder ein paar Tage später einzahlen (weil da das Mahnprogramm nicht so schnell greift, machen wir doch alle). Daneben weiß die Software noch, dass Sie viel bei Hofer einkaufen und das noch eher billig, dass Ihre Leberwerte schlecht sind, dass Sie Steuerschulden haben und dass gegen Sie zwei Mahnklagen laufen. Dass die Steuerschulden ordentlich gestundet sind und dass Sie die Mahnklagen höchstwahrscheinlich gewinnen werden, weil sie völlig ungerechtfertigt sind, weiß es nicht, das Programm, so schlau hat es der Programmierer nicht machen können. Egal: Es reicht, Sie um eine Risikoklasse höher zu stufen, und schon ist der Überziehungsrahmen futsch.

Und sie können überhaupt nix tun. *BTDTBT*

Ja, solche Programme gibt es schon, und sie werden auch eingesetzt. Und das ist ja nur ein Beispiel dafür, wo alles Daten über uns liegen, und was man alles damit anstellen kann, Unerfreuliches. Bislang war so etwas nur Background für Hollywoodthriller, aber was nicht schon jetzt möglich ist, wird es spätestens in ein paar Jahren sein.

Es ist schon bezeichnend, dass die Grünen, die es immerhin geschafft haben, ökologische Fakten und daraus resultierende Notwendigkeiten ins politische Bewusstsein zu bringen, bei der Problematik der IT völlig versagen. Sie sind ja in Wirklichkeit doch nur arrivierte Apo-Opas, die genau so verspießern wie alle anderen auch. Oder kennen Sie einen bekennenden Nerd in einer europäischen grünen Partei? Na eben. Die deutschen Parteispitzen Claudia Roth und Cem Özdemir haben zwar im Bundestagswahlkampf fleissig getwittert, geblogt und sich auf Facebook ausgebreitet, aber auch nur deshalb, weil Barack Obama es auch so gemacht hat. „Wir müssen ins Internet.“ „Wieso?“ „Weiß ich nicht. Aber alle anderen machen es auch.“ Na bitte. Vor allem manche Twittermeldungen waren richtig süß peinlich.

Von Frau Glawischiwaschi wollen wir hier erst gar nicht reden.

Was mein Kollege Martin Blumenau vom Sender FM4 in seinem Blog, etwa hier oder hier, über das Bewusstsein in Österreich zum Thema Daten, Vernetzung und Schöne Neue Digitale Welt schim^W berichtet, kann nahtlos auf ganz Europa übertragen werden. Es herrscht absolut Null Bewusstsein (geschweige denn detaillierte Kenntnis) in der gesamten politischen Klasse darüber, was die Digitalisierung aller unserer Daten tatsächlich für unsere Gesellschaft in der näheren und weiteren Zukunft bringen wird und bringen könnte, und welche politischen Aktionen daraus resultieren sollten.

Dass sich die Nerds da zu einer eigenen Partei zusammenschließen, ist irgendwie verständlich, niemand weiß schließlich besser als sie, was wirklich abgeht. Dass sie kaum wer tatsächlich versteht (und sich alle daher am einzigen Programmpunkt, den sie zu verstehen glauben, nämlich dem Filesharing, aufhängen), steht auf einem anderen Blatt. Ungeschickt, wie Nerds nun einmal sind, bringen sie es auch nur sehr schwer rüber.

Dabei hat das Seipenbusch in seinem ZEIT-Interview wunderbar herausgearbeitet. Digitale Daten sind nämlich nicht nur überall und vernetzt, sondern auch flüchtig. So wie bei der besten aller Ehefrauen: Erst war Norbert noch da, schon ist er weg. Spurlos.

Ich weiss, die digitale Forensik kann viel, das kann man sogar studieren *staun*, aber wenn die Daten futsch sind, sind sie futsch. Zum Beispiel gelöscht und dann mit was anderem überschrieben. Oder einfach nur falsch abgespeichert.

Die alte, schon deutlich vergilbte Photographie meines Urgroßvaters wurde vor dem ersten Weltkrieg gemacht und ist damit rund hundert Jahre alt, aber abgesehen davon dass sie schwarzweiß ist, kann sie alles, was so ein Bild können muss. Was man zum Beispiel von den Bildern meiner Kinder auf meiner Festplatte nicht sagen kann. In so einer .jpg-Dateien lagern ja nur Formeln, nach denen dann das Bildprogramm erst das Bild errechnet. Das heisst, die Daten müssen nicht nur per se gesichert sein (Sie wissen ja: klassisches Datenbackup, mehrfach, physisch getrennte Träger, verschiedene Orte, mit system restore und inkrementeller history, blahfasel), ich muß auch noch das entsprechende Programm dazu mitsichern, denn wer weiß schon, wie lange der .jpg-Standard backward compatible bleibt, also ab wann man alte .jpg-Bilder nicht mehr so ohne Weiteres mit jedem Reader wird öffnen können. Und auch gleich noch das Betriebssystem, unter dem der Reader läuft. Und auch die Hardware, weil wer weiß wie lange klassische 16-bit-Software noch auf gängigen Umgebungen laufen wird.

Und das ganze auch noch hundert Jahre lang, ohne weitere Investitionen, bitte, einfach in den Kasten legen und fertig. Na, ich bin ja neugierig, was meine Erben in hundert Jahren mit meinem Stick und den darauf gespeicherten Bildern von (dann) Opa und Oma in der Kindheit anfangen werden, aber so einfach wie beim Bild von meinem Uropa selig wird’s nicht werden, das trau’ ich mich jetzt einmal zu behaupten.

Das Bewusstsein, wie flüchtig elektronische Daten sind, ist (wenn überhaupt möglich) noch geringer als jenes darüber, was mit Daten alles für Schweinereien getrieben werden können. Deshalb fordert Piratenvorsitzender Leng auch deutlich ein (ich zitier’ jetzt noch einmal aus dem Gedächtnis) „völlig neues Bewusstsein“ bei „der grossen Mehrheit der Bevölkerung“ über die tatsächliche Bedeutung von Vernetzung und damit ubiquitärem Zugriff sowie der tatsächlichen Volatilität digitaler Daten, sowohl was Missbrauch als auch Flüchtigkeit oder einfach nur menschliche Schlamperei betrifft, und was das für den demokratischen Staat im 21. Jahrhundert bedeutet.

Mmh. Sehr schön. Beeindruckt richtig ich war. Wie das zustande kommen soll, wollte oder konnte allerdings auch Herr Leng nicht sagen, vielleicht hat das auch der ZEIT-Redakteur zu fragen vergessen. Ist ja egal, so wie’s aussieht werden wir noch öfters die Gelegenheit haben, über dieses Thema nachzudenken. Und das mit dem Bewusstsein wird halt noch ein bisserl dauern.

Zum Beispiel darüber, dass es nicht ausreicht, alle Telefonnummern in seinem Mobiltelefon gespeichert zu haben, selbst wenn sie dann auch tatsächlich drin sind, weil das blöde Ding ja nicht nur verloren gehen oder geklaut werden kann, sondern auch einfach eines Tages seinen Geist aufgeben wird. (Ja, ich weiß, die Dinger leben meist viel länger als ihr marketingtechnischer Produktzyklus. Aber tragfähige Backupstrategie ist das trotzdem keine.)

Derzeit ist eher die Gegenbewegung im Gang, denn die DAU dieser Welt gehen mit ihren Daten um, als gäbe es kein Morgen. Man speichert seine Daten zur Gänze *schüttel* in irgendeiner digitalen Wolke, sprich $irgendwo auf $irgendeinem Server. Und wer da noch Zugriff drauf hat oder haben könnte, schert sowieso keinen.

Zum Beispiel die US-Regierung, wenn der Server in den USA steht, was bei iDisk & Co eher die Regel als die Ausnahme sein dürfte. Also wundern Sie sich bitte nicht, wenn bei Ihrem nächsten USA-Besuch der Beamte der Einwanderungsbehörde Sie besonders kritisch mustert, weil Sie Emails aus arabischen Ländern bekommen, zum Beispiel.

Nicht lachen: Meine Schwester ist in Ägypten verheiratet. Ihr Sohn aus erster Ehe mit einem Franzosen ist Assistent für digitale Kryptographie an der NYU und lehrt derzeit in Tokio. Fragen Sie mal den, was ihm die US-Einwanderungsbehörde, trotz EU-Pass‘, jedes Mal für Schwierigkeiten macht, und warum. (OK, der Junge ist nicht nur ein Nerd, er sieht auch noch so aus und benimmt sich auch so, aber er trägt nicht einmal einen Bart. Ägypten reicht schon. Und seine Mutter hat ihm von dort auch noch regelmäßig Geld geschickt, für’s Studium. Höchst verdächtig.)

Aber das ist den Leuten offenbar alles völlig wurscht. Dabei sind diese Cloud Computing Arrangements ja nicht einmal per se „sicher“, sprich: Die Daten können auch so einfach hops gehen. Schönes Detail am Rande: Das Unternehmen, an das Mickeysoft das Cloud Computing Service „Sidekick“ für US-Kunden des Timob ausgelagert hat, heisst Danger. Das sind die Jungs, von denen es eine Zeit lang hieß, sie hätten alle Daten ihrer Kunden einfach versenkt.  Inzwischen ist angeblich davon wieder was aufgetaucht (sprich: Der admin hat ein tape gefunden) aber ein recover bleibt weiterhin höchst fraglich (sprich: Das tape lässt sich bislang nicht initialisieren.)

Und bevor die Apple Fanboys pöppelwitzig werden: In Cupertino kann man das auch. Und zwar gleich per Betriebssystem. Wer’s nicht glaubt, kann es ja hier nachlesen.

Man könnte sich noch weiter alterieren. Zum Beispiel darüber, wie man der supranationalen Vernetzung mit supranationalen politischen Initiativen gerecht werden könnte. Oder wie man sowas in nationales Recht umsetzen könnte, und ob das überhaupt geht. Und wie weit eine Familienministerin davon überhaupt etwas verstehen muss, bevor sie bescheuerte Gesetzesanträge vorlegen darf. Zum Beispiel. Aber Onkel Schwesterwelle wird das ja jetzt alles richten, zumindest steht das so in seinem Parteiprogramm. Ach so, er kann nicht Englisch. Wurscht, muss man ja heutzutage nicht.

Ich schweife ab, ich bitte um Verzeihung, aber manchmal geht es mit mir durch.

Man könnte auch einfach darüber nachdenken, wie lange persönliche Daten im Netz gespeichert werden, zum Beispiel, und was das für Folgen haben könnte. Wer weiß schon, wie peinlich es unseren Kindern einmal sein wird, wenn sie dreißig Jahre später immer noch nachlesen können, auf wen sie mit fünfzehn soooo gestanden sind, und was da alles an scheinbaren Intimas hervorquoll. Vielleicht wird es ihnen auch nicht peinlich sein. Vielleicht wird die Gesellschaft gelernt haben, mit der digitalen Revolution ebenso umzugehen wie mit der weltweiten Veröffentlichung privater Tagebücher, wird sich neue politische, juristische und gesellschaftliche Regeln erstellt haben, um mit dem Paradigmenwechsel demokratisch umgehen zu können. Vielleicht färbt ja die digitale Basisdemokratie der Nerds tatsächlich ab. *aufwach*

In der Zwischenzeit werde ich, glaube ich, der besten aller Ehefrauen einen Eierfön kaufen. Und selber für das entsprechende rsync sorgen.

Warum der Opel-Deal von Magna völlig irreal ist.

Wenn ich das alles richtig verstanden habe, was sich in letzter Zeit um Opel abgespielt hat, läuft es so: General Motors macht Pleite, wegen grundsätzlich verfehlten Geschäftsmodells, und aus der Konkursmasse löst der deutsche Staat um 4,5 Milliarden Euro Steuergeld den Opel-Konzern heraus und verschenkt ihn an einen Lieferanten, im Konsortium mit einer russischen Bank, unter der ausdrücklichen Bedingung, genau *dieses* schief gegangene Geschäftsmodell unter keinen Umständen auch nur um ein Jota zu ändern.

Oder hab’ ich irgendein grundsätzliches Detail übersehen?

Ich schreibe jetzt seit einem Vierteljahrhundert über Autos, und seit meinen ersten Gehversuchen als Motorjournalist erzählt man mir von Überkapazitäten in der Industrie.

Will heißen, es könnten mehr Autos auf vorhandenen Fertigungsanlagen erzeugt als tatsächlich verkauft werden. Und weil die installierte, aber nie ausgenützte Kapazität Kapital bindet, sprich Kosten erzeugt, könnte man Autos deutlich billiger bauen, wenn man diese Überkapazitäten reduziert.

Industrieschnitt ist rund 20 Prozent, bei Opel dürfte die Überkapazität bei rund 50 Prozent liegen. Außerdem liegen die Opelwerke in Ländern wie Deutschland und Belgien und Spanien, lauter bekannten Billiglohnländern, während die Automärkte der Zukunft in Asien sind, wo man ja bekanntlich viel teurer Autos baut als in Bochum.

Ich mein’, sooo schiach sind Opelmodelle dann tatsächlich nicht, obwohl sie nie das Image des schnarcharschigen Spießers losgeworden sind („Opelfahrer mit Hut“, beliebig erweiterbar mit Klopapierrolle/Wackeldackel/Kommgutheimpolster). Egal, irgendwie hat es am Ende nicht gereicht, und jetzt ist man in der Konkursmasse. Und wütende Opelarbeiter hätten im deutschen Wahlkampf ein schlechtes Bild gemacht, also musste etwas unternommen werden.

Ach ja, neben Belgiern und Spaniern waren auch Reste der einst stolzen britischen Automobilindustrie in Form von Vauxhall beteiligt. Aber alles in allem war der Deal dann doch eine rein deutsche Sache, das schien von Anfang an klar. Jedenfalls haben jetzt auch wir Österreicher wieder was zum Sagen in Sachen Autos, was heimische Medien mit unverständlicher Euphorie füllte, und Tante Angela hat ein Sternderl mehr im Mitteilungsheft. So viele hat sie dort eh’ nicht.

Jetzt allerdings, wo Tante Angela anderweitig Sorgen hat mit dem neuen Onkel Guido, der nicht Englisch reden mag, kann man sich die Sache ja in Ruhe etwas näher anschauen. Und das kann richtig gruselig werden. Da fällt einem dann z.B. auf, dass in Wirklichkeit Tante Angela die einzige ist, die den Deal für formidabel hält, und das auch nur aus rein politischen Gründen. Alle – wirklich alle – anderen Beteiligten hielten und halten den Deal für schlecht. Und das will heissen, die Chancen stehen gut, dass Tante Angela gerade 4,5 Milliarden Steuergeld in den Sand gesetzt hat.

Ich meine: Selbst die beiden Vertreter der deutschen Bundesregierung im Aufsichtsrat der Opel-Übergangsverwaltung haben gegen den Deal gestimmt, einer von ihnen, Manfred Wennemer, begründete das lapidar: „Ich frage mich, wie Opel überleben will.“ Deutlicher kann man das nicht sagen, ohne unhöflich zu werden.

Kern des Deals ist: die deutsche Regierung gibt 4,5 Milliarden Euro Steuergeld, und Magna verpflichtet sich dafür, nicht einen Arbeitsplatz in Deutschland zu streichen. Die beiden anderen Bieter hatten das glattweg abgelehnt. Sergio Marchionne von Fiat sprach ganz im Gegenteil aus, was sich die ganze Branche denkt: Rund die Hälfte aller Arbeitnehmer bei Opel müssen gehen, sonst geht sich das nicht aus. Das hat dann schon gereicht, um ihn bei Tante Angela unten durch fallen zu lassen. Und der Finanzkonzern RHJ war ja nur ein Versuch, die Opelanteile irgendwo zu parken, bis ein wieder erstarkter GM-Konzern sie zurückkaufen kann. Auch dieser Plan wurde von Tante Angela rüde zurückgewiesen, die versprochenen 4,5 Milliarden gäbe es nur, ließ sie ausrichten, gegen die Arbeitsplatzgarantie. Und keinesfalls für GM selber, egal unter welchen Bedingungen, hieß es hinter den Kulissen.

Nun ist er durch, der Deal, und es werden immer absurdere Details bekannt. So haben sich die Vertreter der deutschen Regierung bei Kollegen in Belgien und Spanien erkundigt, ob man dort interessiert sei daran, für zukünftige Opel-Magna-Arbeitsplätze ein bisserl zu den 4,5 Milliarden Subvention beizutragen. Die Kollegen antworteten postwendend, gegen ähnliche Arbeitsplatzgarantien sei man dem gegenüber nicht abgeneigt. Am liebsten wäre allen, es würde einfach so weitergehen wie früher, und keiner müsste gekündigt werden. Nur: Wenn das vorher schon nicht ging, warum soll das nach der Pleite plötzlich gehen? Weil das die Deutschen so wollen? Das wird nicht reichen.

Insider sprechen davon, dass es seit je her zu Frank Stronnachs stillen Träumen gehöre, auch einmal eine echte Automarke zu besitzen. Ob das ausreicht, darf ebenfalls bezweifelt werden. Opel hat in den letzten Jahren selbst in seinen Kernmärkten Mitteleuropa an Marktanteil verloren, an Volkswagen in Deutschland, an Ford in Großbritannien, es ist nicht einmal sicher, ob es Opel überhaupt noch einmal schaffen kann, selbst wenn man dort die halbe Belegschaft kündigt. Aber so … schon haben zwei Magna-Hauptkunden, BMW und Volkswagen, laut darüber nachgedacht, nicht mehr beim nunmehrigen Konkurrenten arbeiten zu lassen. Und GM, in den USA blitzartig durch ein Insolvenzverfahren gezerrt und nunmehr, schuldenbefreit und neu gegründet, back in business, überlegen öffentlich, wie man den drohenden Know-how-Abfluss via Sberbank an deren Partner, den russischen Automobilkonzern GAZ, verhindern könne.

Aber es bleiben alle Arbeitsplätze erhalten.

Der britische Economist spricht von schweren Verstössen gegen europäisches Recht, erwähnt, dass Brüssel dem Deal noch lange nicht zugestimmt habe, und meint im Leitartikel dazu: Unter dem „allmächtigen Einfluss des Opel-Zentralbetriebsrat Klaus Franz“ habe die deutsche Regierung wohl „den Blick auf die industrielle Realität“ verloren. Das ist aber hübsch formuliert.

Nun könnte man das Ganze ja auch für eine der üblichen Steuergeld-Vernichtungsaktionen ansehen, mit denen sich Politiker allerorts ihr Überleben erkaufen, weil die Rechnung immer die nächste oder – mit Glück und wenn man noch eine Wiederwahl gewinnen will – die übernächste Regierung zahlt.

Schon möglich. Ich habe da meine eigene Theorie dazu.

Unter den gegebenen Umständen wäre es wirtschaftlich am klügsten gewesen, Opel einfach pleite gehen zu lassen, wie Mutter GM. Dann wäre man all die lästigen Arbeitsverträge elegant los geworden, und Opel, in Verbund mit einer neuen GM oder einfach an einen Dritten mit Pütt und Pann verkauft, hätte reelle Überlebenschancen.

Das war politisch nicht drin. Also macht man was (politisch) Kluges: Man schenkt den Arbeitgebern – statt ihrer finanziellen Ansprüche – einfach einen Anteil an der Firma, und wenn die dann den Bach runtergeht, dann sind die Arbeiter selber dran schuld, weil ja als Eigentümer mit verantwortlich.

In den USA gehören die neuen GM jetzt ja auch mehrheitlich den Fonds jener Arbeiter, deren Krankenkassen- und Pensionsforderungen die alte GM in die Knie gezwungen hatten. Also hält jetzt die neue, quasi mehrheitlich arbeitereigene GM 25 Prozent an „Opel Neu“, 20 Prozent bekommen die Opel-Arbeiter, die restlichen 55 Prozent gehen an das Magna-Sberbank-Konsortium, die dürfen das jetzt endgültig in den Boden fahren.

Selbst die Sberbank bekommt schon erste kalte Füße und überlegt öffentlich, ihren Anteil am Deal möglichst schnell wieder los zu werden.

Aber Tante Angela hat die Wahl gewonnen.

Abschließend lässt man noch schnell ein Gutachten erstellen, das dem Konzept der Austro-Kanadier „erhebliche Risiken” bescheinigt und den Sanierungsplan als „nicht besonders robust“ bezeichnet, dann ist man auch aus dem Schneider, wenn es denn schief geht. Oder so ähnlich.

Wenn die Russen so zu neuester deutscher Automobiltechnologie kommen, hätte ja selbst das schon Tradition: Nach dem Krieg erzeugte GAZ den Moskwitsch viele Jahre lang nach den Plänen von Opel, die die Rote Armee 1945 in damaligen Nazideutschland beschlagnahmt hatte.

Die Dummen dabei sind, in Reihenfolge, der deutsche Steuerzahler, den der Spaß 4,5 Milliarden plus Zinsen (mindestens) kosten wird; die Arbeiter in den Opelwerken von Spanien, Belgien, England und Deutschland, die ihre Jobs so sicher zur Gänze verlieren werden; und wir Österreicher, weil sich wieder einmal einer von uns weltweit blamieren wird. Schließlich hat Frank Stronnach bei den Verhandlungen, vor allem gegenüber den Deutschen, immer wieder seine österreichische Abstammung herausgehängt. Na ja. There’s a sucker born every minute. Die Börse jedenfalls honorierte den Deal mit deutlichen Kursverlusten.

Wer weiß: Vielleicht ist das ganze ja nur eine weltweite Verschwörung, uns Ösis wieder einmal als die Superdoofen darzustellen. Zuzutrauen wäre es ihnen ja … *duckundweg*