Offener Brief an den Bundesvorstand der Piratenpartei Österreichs, insbesondere an c3o

 

Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

(Ich weiß, dass es Dir nix ausmacht, also verwende ich Deinen Klarnamen.)

Du weisst, dass ich von Anfang an gegen die Allianz mit der KP war. Du weisst auch, dass ich mich loyal der Partei gegenüber verhalten habe, dass ich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln versucht habe, einer möglichen Spaltung entgegenzuwirken (ob’s was genutzt hat, weiß ich nicht, die Spaltung blieb jedenfalls aus).

Aber jetzt ist die Kanne voll.

Flasche leer, habe fertig.

Kannst Du Dich an unser Gespräch beim Chaos Communication Congress in Hamburg im vergangenen Dezember erinnern, hinter dem Bällebad, im „Entspannungszimmer“? Du meintest damals ganz siegessicher, es wäre doch gelacht, wenn wir es nicht „gemeinsam“ schaffen würden. Gemeinsam mit der KP.

Jetzt ist Montagabend, nach der Wahl, es wurde kurz gelacht, das war’s dann, Danke, setzen, Nicht Genügend.

Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

Ich habe Dich damals in Hamburg eindringlich gewarnt. Ich hab’ auch die drei Prozent vorhergesagt, wahrscheinlich eher zufällig. Egal. Ich habe Dich gewarnt, dass in so einer Konstellation die Mehrheit unserer piratischen Positionen verloren ginge. Du hast es beiseite gewischt. Demokratiefinanzierung? Demokratisierung Europas? Netzneutralität? Fahrscheinlose Öffis? Bedingungsloses Grundeinkommen? Pustekuchen.

Dabei ist das nicht einmal die Hälfte unserer Positionen vom Nationalratswahl-Flyer. Religion privatsieren? I wo, viel zu kontroversiell. Patentmissbrauch verhindern? Wie bitte soll man das denn transportieren …

Vernunftbasierte Drogenpolitik? Pfui, damit könnte man ja anecken. Das sollen die Spinner von der Hanfpartei machen. Was, steht im Parteiprogramm? Noch immer? Des ignorier’ ma, machen die Grünen schließlich auch so. Erfolgreich. Ja, die Grünen …

Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

Dafür gab’s einen hoch populistischen Wahlkampf, so mit Haftungsboykott und dergleichen. Auf der Basis: Wir zahlen nix, aber das macht nix. Von einem, den die Mehrheit unserer Stammklientel als politischen Wendehals sieht. Macht nix, Hauptsache wir bekommen mehr Stimmen.

Christopher, darf ich mir Dein neues MacBook Air ausborgen? Ich mach’ dann anschließend einen Haftungsboykott und schenk’ es weiter.

Nach meiner Überzeugung ist die Piratenpartei kein Startup, bei dem man die Marketingstrategie einfach ändert, wenn es nicht gleich funktioniert. Und das war’s doch, warum Du die Allianz angestrebt hast.

<Loriot> Ach? </Loriot>

Weil Dir bei der Piratenpartei der soziale Aspekt fehlt, wie Du in facebook gepostet hast? Bull Shit, man. In Hamburg hast Du mir etwas Anderes erzählt.

Also, lieber Bundesvorstand, lieber c3o und Co, ich fordere die Einberufung einer Bundesgeneralversammlung, so schnell wie möglich, mit Neuwahl der Funktionen und davor eine Grundsatzdiskussion, wie wir in die Landtagswahl 2015 in Wien gehen wollen.

Meine Vorstellungen dazu kann ich gleich präzisieren: Ich will all’ die Positionen, die auf dem NR-Flyer hinten drauf sind, in eine zentrale Message vereinen (doch doch, das geht)1). Ich will, dass wir uns auf unsere Wurzeln als urbane Netzpartei der Nerds zurück besinnen. (Siehe auch den Blog von Anatol Stefanowitsch. Dem ist nichts hinzuzufügen.)

Ich will, dass wir uns auf Aussagen konzentrieren, zu denen wir stehen (und die wir auch inhaltlich darstellen) können. Ich will, dass unsere Kandidaten, wer immer das sein wird, Piraten sind, die sich nicht für $irgendwelche wahltaktischen Positionsgewinne öffentlich zum Brot machen und bei der Mehrheit unserer Sympathisanten nur mehr Kopfschütteln auslösen. (Scheisse, ist das kompliziert …)

Ich will eine (öffentliche) Diskussion über eine Neue Arbeitswelt und was wir in Zukunft als Arbeit definieren wollen/sollen, über Chancen und Risken der Digitalen Revolution, und vor allem darüber, wie wir unsere Vorstellungen in konkrete Forderungen für den Wahlkampf verpacken können. (Als BGE, zum Beispiel. 😛 )

Und ich will GANZ SICHER keine Fortsetzung der Allianz in $irgendeiner Form.

Ich mach’ Dir, Christopher, und dem Rest des BV, einen Vorschlag: Diesen Sonntag ist die LGV der Wiener Piraten, dort wird das sicher alles Thema sein. Wollen wir uns dort treffen und darüber einen Diskurs führen, einen gesitteten? Ja?

Ich bin überzeugt, faithless ist ganz wild auf diese Diskussion.

Faithless, wir kommen.

PS: Lieber Christopher, kannst Du mir bitte meine politische Heimat, die Piratenpartei Österreichs, zurückgeben?

andre

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1) Man muss nur unser Programm lesen. Lesen bildet, ungemein. Wir sind (noch immer) eine liberale Bürgerpartei mit basisdemokratischen Strukturen. Wir wissen, dass die Digitale Revolution die Welt bis zur Unkenntlichkeit verändern wird, und wir wollen sie darauf zumindest ein wenig vorbereiten. Auch wenn uns die Mehrheit nicht zuhört, können wir dennoch das Salz in der Suppe von morgen sein. Und mehr will ich eh’ nicht …