Hätti wari, kunti tati. Oder auch: Mit Fäkalerotik geht alles besser.

Und es begab sich, dass der Bundesvorstand André Igler, also ich, ein Interview gab am Sonntag bei der Birgit Pointer in der Nachrichtenredaktion von Ö1, vormals als H1 bekannt. Und das am Mittwoch ausgestrahlt wurde, und dann gab es Aufregung.

Ö1 ist – wenn es denn überhaupt so etwas gibt – der heimische Intellektuellensender. Er hat zwar eine ganz mickrige Reichweite von drei Prozent (außer in Golfkriegen, wenn alle die Journale hören), aber unter diesen drei Prozent sind ein Haufen Leute, auf deren intellektuelles Urteil ich Wert lege.

Also hab’ ich die Wahrheit gesagt.

Es tut mir leid, ich kann nicht Pirat sein und behaupten, wir machen es anders i.e. besser i.e wir lügen nicht und sind transparent, und dann geh’ ich hin und gebe in Ö1 – als Mitglied im Bundesvorstand und inoffizeller Pressefuzzi – ein Interview, bei dem ich den selben weichgespülten Schwachfug erzähle, der derzeit bei allen anderen Politikern aus der dafür offenbar vorgesehenen Gesichtsöffnung quillt.

Also hab’ ich gesagt, dass wir überhaupt so weit gekommen sind, sei schon das erste Wunder und nur auf die Beharrlichkeit und der Opferbereitschaft einzelner Mitglieder zurückzuführen. Aber ja, wir hatten nur 15 k Eumels zur Verfügung, davon ging ein Drittel für’s Anmelden drauf, für den Rest haben wir 200.000 Flyer drucken lassen, und ein paar Pickerln und Plakate. Und fertig.

Das heißt, wir erreichen im besten Fall ein Zwanzigstel der Wähler, und das nur ein einziges Mal.

(Wie bitte? Es waren nicht so viele? Nicht einmal annähernd? Ich will’s gar nicht wissen, die Rechnung ist schon so schlimm genug.)

Fakt ist, dass die überwiegende Mehrheit der Wähler noch immer keine Ahnung davon hat, dass es uns überhaupt gibt, und wenn doch, dann sicher nicht weiß, wofür wir eigentlich stehen. Und es hätte deutlich mehr Leute bedurft als jener etwa 50 – wirklich bewundernswert motivierter – Aktivisten, die es gab.

Und dass es in diesem Medienzeitalter meiner Meinung nach eben nur mit gaaanz viel Aktivisten gegangen wäre, eventuell, wenn schon so ganz ohne Kohle die bestehenden Machtstrukturen aufzubrechen, aber so, mit absolutely no dough und mit so wenig Mannschaft, wird das offenbar doch nix.

Und das hab’ ich halt gesagt, weil ich es für wahr halte. Und Romario saß dabei. Nur so als Hinweis. Hätte, wari, weiß ich. Kunti tati. Hab’ ich halt nicht. So sue me.

OK, es war nicht so elegant, und offenbar konnte sich Birgit Pointer das rausschneiden, was sie geschnitten hat, und man hätte es besser formulieren können, aber so ist es doch: Wir werden ein respektables Ergebnis einfahren, wir werden – dringendst benötigte – Kohle bekommen, und mit einigem Glück bei der demnächst anstehenden EU-Wahl unser erstes Mandat bei einer bundesweiten Wahl machen, und dass in weniger als einem Jahr. Das ist doch eh’ super.

Sagt mal, Leute: Was habt ihr euch eigentlich vorgestellt? Wenn wir nur fest genug daran glauben, setzen wir alle mir bekannten Gesetzmäßigkeiten der modernen Massenkommunikation außer Kraft, können über Wasser gehen, Schweine werden fliegen, und wir bekommen vier komma irgendwas? Echt, jetzt? Ich dachte, wir seien keine Esoteriker?

Deshalb war mein Statement nicht Bullshit. Und verdient auch keine fünf Fragezeichen und ein in der Aufregung gestrichenes Prädikat. Es war vielleicht nicht zur richtigen Zeit, und man hätte es anders bringen … aber der Sturm im Wasserglas namens Twitter ist unnötig.

Und außerdem der falsche Platz. Wer mit mir streiten will, sollte das hier tun. Von wegen drei Tage vor der Wahl und öffentlich streiten und so …

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Warum uns die Linken wählen sollen …

(Diesen Text habe ich am 17. September für akin geschrieben. In der Hoffnung, damit auch ein paar meiner linken Freunde zu überzeugen, ein Stück des Weges mit uns gemeinsam zu gehen.)

Ein Text über die Piraten. In einer linken Zeitschrift. Und er soll nicht fad sein.

Puh.

Und überhaupt: Piraten. Was sind die eigentlich? Links? Rechts? Oder einfach nur opportunistische Spaßpartei?

Eine Partei, die die freie Marktwirtschaft propagiert, aber gezielte Verstaatlichungen fordert.

Eine Partei, die die Entfremdung der Arbeit bekämpfen will, aber nicht durch Vergesellschaftung, sondern durch eine neue Definition der Arbeit. Und durch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Ein bitte was?

Und schon sind wir mittendrin. Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist die Fortführung des Gedankens „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“.

Denn das haben wir mit der Linken ganz sicher gemeinsam: Die Vision von einer besseren, gerechteren Gesellschaft. In der klassischen Tradition der europäischen Aufklärung: säkular, demokratisch, universal.

Unsere Großväter träumten von einer besseren Gesellschaft, in der es Urlaub für jeden geben würde, Kranken- und Unfallversicherung und eine Alterspension, geregelte, limitierte Wochenarbeitszeiten, einen Betriebsrat … alles, was uns heute als völlig normal erscheint, war damals Utopie. Heute träumen wir von den nächsten Schritten. So ist etwa unsere Produktivität, trotz stetiger Verminderung der Arbeitszeit, exponentiell gestiegen. Sprich: es ist genug da, um alle zu ernähren. Also träumen wir davon, dass die Gemeinschaft jedem von uns ein Grundeinkommen garantiert. Genug, um die Miete zu bezahlen und essen zu können. Bedingungslos, ohne irgendwelche Konditionen. Eben ein BGE.

Befreit von den Zwängen des täglichen Überlebenskampfes, könnten sich die Menschen dann den Dingen widmen, die sie wirklich arbeiten wollen: Die Kinder erziehen. Ein Buch schreiben. Eine Ausbildung machen. Oder sich einen Beruf, einen Job, ein Geschäft erarbeiten, in dem man verdienen kann und dennoch die Arbeit gerne macht.

Zur Vision einer besseren Welt gehört auch die Gerechtigkeit, möglichst für alle. Wir wissen schon, dass sie nicht absolut erreichbar ist, aber es könnte schon deutlich gerechter zugehen in dieser unserer Welt. Deshalb meinen wir, dass absolute Transparenz jedes gesellschaftlichen Handelns einen großen Schritt in die richtige Richtung bedeuten würde. Sprich: Wenn jede Entscheidung, sei es in der eigenen Gemeinde, im Land, im Bund, selbst in Brüssel, tatsächlich transparent wäre, also für jeden jederzeit zur Gänze nachvollziehbar, dann wäre diese Welt sicher einen Schritt gerechter.

Dazu gehört auch die Basisdemokratie. Und weil wir so technikaffin sind, handeln wir basisdemokratisch „per Computer“. Das System nennen wir „liquid democracy“, so haben wir in einem Jahr rund 120 Seiten Grundsatzprogramm erarbeitet.

Aktuell haben wir allerdings ein viel wichtigeres Problem, nämlich dass die fortschreitende Digitalisierung unserer Welt unsere bürgerlichen Grundrechte untergräbt. Alles, was unsere Demokratie heute ausmacht, von Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit über die Unschuldsvermutung bis hin zum Recht auf Privatsphäre, wird im digitalen Raum ständig unterlaufen: So wurde etwa die Vorratsdatenspeicherung im Internet in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen gekippt (leider nicht bei uns). Ein Staat, der seine Bürger ohne Verdacht bespitzelt und überwacht, weil er ihnen nicht traut, ist kein demokratischer Staat, kann es nicht sein.

Deshalb sind wir gegen Acta und Prism, gegen Vorratsdatenspeicherung und verdachtsunabhängige Überwachungsmechanismen – und weil die Bedrohung so immanent ist, so unmittelbar vor der Türe steht, ist dies unser derzeit wichtigstes Anliegen.

Denn wenn dieser unser Staat morgen zu einem totalitären Überwachungsstaat mutiert, können wir alle unsere Visionen von einer besseren und gerechteren Welt begraben.

Deshalb fordern wir, dass die Menschenrechte auf den digitalen Raum ausgeweitet werden, dass es ein Recht auf Datenschutz geben muss ebenso wie ein Grundrecht auf Zugang zum Internet und damit zur Teilnahme an der digitalisierten Gesellschaft. Und, ja, eben weil wir die Nerds sind, die Computerkinder, weil wir wissen, wie die Überwachungsprogramme geschrieben werden und wie sie funktionieren, genau deshalb wissen wir genau, wie groß die Bedrohung durch die Digitalisierung ist, und auch was sie für Chancen mit sich bringt, unsere Gesellschaft zum Besseren zu verändern.

Ach ja, was uns von der Linken unterscheidet: Wir glauben an die bürgerlich-demokratische Gesellschaft und nicht an das Primat irgendeiner Partei, sei sie auch noch so wohlmeinend und schlau. Wir glauben nicht an eine revolutionäre Elite, und schon gar nicht an die Diktatur des Proletariats.

Wir halten generell nichts von Regel und Vorschriften und möchten so wenige davon wie möglich in unserem Alltag haben. Deshalb halten wir auch die freie Marktwirtschaft für die beste aller möglichen Wirtschaftsformen, denn nur in einer freien Wirtschaft kann jeder genau das machen, was er machen möchte. Denn wir wollen auf keinen Fall den Menschen vorschreiben, was sie tun sollen und dürfen und was nicht.

In logischer Konsequenz halten wir auch Privateigentum für ein Grundprinzip einer freien und gerechten Gesellschaft, und der Schutz desselben ist für uns ein ganz wichtiges Grundprinzip. Was nicht heißt, dass wir es gerecht finden, dass ein Prozent der Menschheit über mehr als die Hälfte allen Besitzes weltweit verfügt, aber wir würden es ihnen niemals mit Gewalt wegnehmen wollen.

Natürlich muss man Marktwirtschaft reglementieren und Auswüchse verhindern, deshalb halten wir auch eine soziale Marktwirtschaft für die gerechtere Wirtschaftsform. Wir fordern auch, dass der Staat an der Infrastruktur, die für die Funktion der freien Marktwirtschaft notwendig ist, kontrollierende Anteile halten oder sie zur Gänze besitzen muss, um einer Monopolisierung vorzubeugen, denn die Nutzung dieser Infrastruktur muss allen zu gleichen Bedingungen offen stehen. Oder auch: Netzfreiheit und Netzneutralität sind Voraussetzungen für die infosoziale Marktwirtschaft. Und im Zweifelsfall befürworten wir in diesem Kontext auch Verstaatlichung.

Und, ja, wir glauben an ein vereintes, starkes Europa, in dem unsere Werte der bürgerlichen Freiheiten hoch gehalten werden. Eine erfolgreiche Verteidigung dieser Werte gegen Begehrlichkeiten „von außen“ werden wir nur mit vereinten Kräften schaffen. Allerdings fordern wir gerade deshalb auch bei europäischen Strukturen deutlich mehr Demokratie und wesentlich mehr Transparenz.

Wir werden viel geschmäht und noch mehr missverstanden, man hat uns als Grüne mit Computer beschimpft, als FDP ohne Porsche, als bürgerliche Träumer, intellektuelle Phantasten, was auch immer.

Wir sind der Meinung, dass wir die Ersten sind, die erkannt haben, dass die digitale Revolution einen ebenso grundsätzlichen Paradigmenwandel unserer Gesellschaft bewirken wird wie seinerzeit die industrielle Revolution, mit ähnlich weit reichenden Folgen. Wir sind überzeugt, dass wir das wichtigste und interessanteste politische Projekt seit den Grünen sind.

Und schon wegen der aktuellen Bedrohung unserer bürgerlichen Grundrechte durch Überwachungsstaat und digitale Spitzelagenturen hoffen wir, dass alle demokratisch eingestellten Bürgerinnen und Bürger zumindest ein Stück des Weges mit uns gemeinsam gehen werden, um diese Bedrohung von unserer Gesellschaft abzuwenden. Und um gemeinsam eine bessere Welt aufzubauen.

Und natürlich werden wir gewinnen. Wir sind die Zukunft. Wir sind die Mehrheit. Auf Dauer sind wir nicht aufzuhalten. Venceremos.