Ahoi, Kameraden oder Warum ich jetzt Bezirksparteiobmann geworden bin

 

Ich bin nicht mehr der Jüngste, darüber brauchen wir erst gar nicht diskutieren.

Ich habe viel erreicht und habe oft versagt, ich habe viel gesehen und viel gelernt, und manchmal kommen so Augenblicke, da hat man das Gefühl, jetzt sei wieder einmal eine Zwischenbilanz notwendig.

In all diesen Jahren hab’ ich an vielen verschiedenen Orten auf diesem Globus gelebt, daneben aber immer wieder in einem Land, in dem es tatsächlich einen funktionierenden Gesellschaftsvertrag gab, einen halbwegs erträglichen, und das mich als Mitglied akzeptiert. Von wegen Gnade der Geburt und so, ich bin halt da geboren. Und da hat man mich zwölf Jahre in die Schule gehen und dann auch noch studieren lassen, zehn Jahre lang, und das für lau, das kann auch nicht jeder von sich sagen. Später durfte ich dann den Beruf ausüben, den ich mir ausgesucht hab, ich hab’ hier Kinder in die Welt gesetzt und sie erwachsen werden gesehen – kurzum: Meine Heimat Österreich war immer so eine Art sicherer Schutzhafen, wo man mich versichert und krankheitsmäßig immer (wieder) ordentlich zusammengeflickt hat, wo ich immer zurück kommen konnte, egal aus welchem Winkel dieser Erde, so was ist an den deprimierenderen Orten dieser Welt höchst tröstlich. Und überhaupt.

Und manchmal überkommt mich so das Gefühl, ich sollte vielleicht jetzt noch was zurück geben, dieser Gesellschaft, die ihren Teil des Vertrages bisher ganz anständig erfüllt hat. Weil sehr viel später als jetzt ist leicht möglich, dass nix mehr wird, um es auf Kärntnerisch auszudrücken. Das also erstens.

Und kärntnerisch wohl auch, weil die beste aller Ehefrauen … und jetzt lebe ich eben in Kärnten.

Ja, das ist nicht immer so einfach. Und hat eigentlich eher wenig damit zu tun, dass ich Wiener bin oder zumindest dort geboren, was man an meinem Zungenschlag, zumindest in Deutsch, bis an mein Lebensende hören wird. Na ja, egal, Karntn eben, schön guttural hinten aussprechen, aber nicht so weit hinten wie die Tiroler … egal. Wird eh’ nix.

Die Sprache ist nicht das einzige Gewöhnungsbedürftige, in Österreich südlichstem Bundesland. Obwohl sie echt interessante Aspekte hat, zum Beispiel die des Auslassens. So wie in: Weasd dånn Klågenfuad gehn? Jo, lei no kamod Mahd mochn. Für mich, des lokalen Zungenschlags nicht so mächtig, ist so was eine echte Kommunikationshürde.

Den politischen Alltag, also den in Kärnten, wollen wir – wenn wir schon von gewöhnungsbedürftig reden – erst gar nicht erwähnen, schon von wegen gar nicht so viel essen können wie kotzen wollen. Das also zweitens, die Details erspare ich dem geneigten Leser und mir hier, weil unappetitlich und überhaupt und außerdem weiß eh’ jeder.

Übrigens und außerdem wird mir dafür erst jetzt so langsam klar, dass ich meine nächste Landtagswahlstimme nicht mehr in Wien, sondern in Kärnten abgeben werde, weshalb sich mir eine ganz konkrete Frage stellt, abseits aller Schriftstellereien und fröhlichem Wortgeschmiede. Nämlich: Wen, oder von mir auch auch was, wählen?

Da werden Luft ebenso wie Schmäh sehr schnell sehr dünn.

Gehen wir es einmal ganz pragmatisch von oben herunter: Die *spuck* Blauen kann man erstmal streichen, ebenso das orangene Pendant. Die Schwarzen? Are you kidding? Die Roten? In Kärnten? Die mit dem Landeshauptmann Wagner den Grundstein gelegt haben für das ganze hier, Jahrzehnte lang? Und die heute noch mit packeln? Sorry, Genossen, no way.

Dabei, nur so als extempore: Ich bin ja mit dem Seppi Cap in die Volksschule gegangen, gemeinsam ministriert hamma auch, beim Studieren haben wir uns wieder getroffen, er beim – damals noch wilden – VSSTÖ, und ich gebe zu, ich habe ihn damals auch gewählt. Und wenn ich mir anschau‘, heute … es ist echt ein Jammer. Soviel zu den Sozis.

Den Stronach? Really? Are you serious? Ah ja, eh‘ nicht.

Und dann?

Dann bleiben noch die Grünen.

Lange Pause.

Jetzt schaun s’ ned so betreten, ich mag die eh’ auch nicht. Aus verschiedenen Gründen, wahrscheinlich andere als die Ihren, aber Gedanken sind bekanntlich frei.

Hauptsächlich kann ich mit den Grünen deshalb so schwer, weil mich ihre grundsätzliche Technophobie stört. Ich bin ein alter Hippie, für uns war Technologie immer ein Teil der Lösung, nicht ein Teil des Problems. Das Problem lag immer in der Anwendung. Doch dann kam Three Mile Island, und dann kam Tschernobyl, und seither ist Technik eher etwas Unanständiges geworden.

Oder, wie ein Kollege jüngst gepostet hat: „Früher standen die Grünen für Doors hören und dogmatisch sein. Heute haben sie das mit den Doors halt aufgegeben.”

Das hat sicher auch etwas mit diesem neuen Biedermeier zu tun, dieser Landleben-Euphorie, der ich, obwohl ich jetzt bei den Bauern im Kärnter Unterland lebe, nicht sehr viel abgewinnen kann. Eigentlich gar nichts, denn es ist so fake, dass es schmerzt. Aber den Leuten gefällt’s. Egal: Ich glaube nicht daran. Die Hälfte der Menschheit lebt schon heute in Städten, das ist ein langfristiger Trend, wo der aufhören wird, weiß man nicht so recht, aber ohne High-tech wird das nicht abgehen, so weit ist das heute schon klar.

Und wir werden daher die Probleme dieser Zukunft nicht mit silofreien Milka-Kühen auf glücklichen Bio-Wiesen lösen (Nur mit Kuhscheiße gedüngt? Ja natürlich!), auch nicht gentechnikfrei, was immer das genau bedeuten mag. Egal, darüber ließe sich noch diskutieren, aber über diese kategorische Ablehnungshaltung eben leider nicht. Oder, um es kurz zu fassen: Mit der Müslifaschisten-Fraktion bei den Grünen kann ich echt nicht. Sorry, Freunde, ich respektiere eure Meinung respektive Haltung, aber mitmachen? Nein, danke.

Dann könnte man noch argumentieren, so einer wie Du sollte die Realo-Fraktion unterstützen, genau solche wie Dich brauchen wir.

Also gut, schauen wir uns die Kärntner Grünen an.

Die sitzen schon seit zwei Legislaturperioden im Landtag. Und nu, Oskar? Viel bewegt haben die dort nicht. Mir ist jedenfalls keiner aufgefallen.

Dafür haben sie jetzt den Herrn Holub recycled, der tritt jetzt als der nächste große Aufdecker auf, sozusagen als Peter Pilz von Kärnten, als Johanna von Orléans für Arme (aka die Steuerzahler), oder lieber als die Heilige Johanna der Schlachthöfe? (Oder doch Johanna die Wahnsinnige?) Jedenfalls will er „jedes Dokument, dass die Brüder Scheuch nicht geschreddert haben, nachprüfen.“ Wenn ich mir so die Arbeit der Korruptionsstaatsanwalt anschau’, wird der Herr Holub dafür mehr als eine Legislaturperiode brauchen, um zum regieren wird er auch nicht viel kommen, obwohl er in die Landesregierung will. Und dort wäre einiges zu machen, die Schulden des Landes Kärnten etwa, die in den letzten fünf Jahren um 100 Prozent gestiegen sind – man liest richtig, sie haben sich verdoppelt. Aber Wirtschaftskompetenz ist traditionell bei den Grünen nicht wirklich zu verorten, würde mein alter Professor sagen, aka davon haben sie nicht so viel Ahnung. Oder es ist ihnen wurscht. Und außerdem: Kapitalismuskritik ist viel lustiger, und schick isses auch noch, also was jetzt?

Mmh.

Ich bin dann doch Wirtschaftsjournalist, wenngleich ein eher linker. Also diese seltene, weil gern unterdrückte Spezies von einem Sozi, der auch was von Wirtschaft …

Hab’ ich schon gesagt, dass ich die Grünen dann doch auch nicht … ?

Und nu?

Hier wird’s eng.

Die meisten der Freunde, die mir bis hier gefolgt sind, gingen anschließend in die innere Emigration. Das wollte ich nicht.

Bleibt nur: Selber was machen. Oder hat wer einen anderen Vorschlag?

Und dann gibt es eben die Piraten. (Jetzt isses raus. Egal, dass ich die mag, hab’ ich hier schon geblogged, also darf das nicht so überraschen.)

Also gut, schauen wir uns die Piraten an.

Wie gesagt, ich schrub das hier schon: Hoffentlich gelingt den Piraten mit der digitalen Revolution, was den Grünen mit der Ökologie geschafft haben, nämlich im politischen Mainstream anzukommen. Weil das eine ebenso wichtig ist wie das andere. Und dabei /müssen/ die so sein, wie sie sind, weil sonst kann das nicht funktionieren.

Daneben fordern sie noch ein paar Dinge, mit denen ich gut kann. Die Entkriminalisierung von Drogen etwa, das fordert auch der britische Economist, weil nur das der weltweiten (und immer bedrohlicher werdenden) Drogenkriminalität die Existenzgrundlage entzieht, im Grunde eine alte Forderung, muss man immer wieder stellen. Nur wer Süchtige als Kranke sieht, hat eine Chance, der Situation Herr zu werden.

Und dieses bedingungslose Grundeinkommen, häh? Das ist doch pure Sozialromantik, ist das. *börp*

Nein, ist es nicht. In Wirklichkeit gibt es so etwas Ähnliches schon, es heißt Grundsicherung. Aber es ist kein Recht, sondern eine Gnade. Eine soziale Gnade Deiner Heimatgemeinde.

Würde man alle diese Gelder, die man da heute ausgibt, zusammenfassen, wäre das durchaus finanzierbar. Und als Denkansatz ist es politisch interessant: Sozial Handeln als Rechtsprinzip, nicht als Gnadenprinzip, das gefiele mir.

Kurzum: Ich kann mich mit dem Piratenkodex durchaus identifizieren.

Und dann gibt es noch ein paar Aspkte, zum Beispiel die Arbeitsgruppe KMU, oder der Einsatz für freie Mitarbeiter, vor allem in den Medien, und noch ein paar so Sachen.

(Kommen Sie doch öfter hier vorbei, dann können Sie noch viel mehr darüber erfahren. </Werbung>)

Und deshalb bin ich den Piraten beigetreten.

Eigentlich war das schon im Oktober 2010, und damit bin ich wahrscheinlich der dienstälteste Pirat in Kärnten, aber irgendwie war das mit den Piraten in Österreich nicht so, wie es sein sollte, und deshalb war da eine Zeitlang nix.

Doch jetzt gab es den konstituierenden Landesparteitag, und seither bin ich aktiv. Und zum Bezirksobmann Kärnten Unterland gewählt worden. Und mache erstmal die Pressearbeit. Und, wenn wir schon dabei sind: Das heisst jetzt Landesgeneralversammlung. Damit es sich von den anderen Parteien abhebt.

Irgendwie würde mir ja gefallen, wenn bei der nächsten Landtagswahl /sowohl/ die Piraten als auch die Grünen in den Landtag kämen. Obwohl, sicher ist das beileibe nicht. Aber möglich wäre es. Vielleicht könnte man dann tatsächlich etwas bewegen *träum*

Ich sagte ja schon, ich bin ein alter Hippie.

Habe ich schon erwähnt, dass die Grünen bei der exorbitanten Erhöhung der Parteienförderung in Kärnten  im Landtag mitgestimmt haben? Dafür, nämlich. Die Unschuld haben sie damit jedenfalls verloren, meine grünen Freunde. Mal schauen, ob sie bei der (dann doch) geplanten Rücknahme auch mit Ja stimmen werden.

Ach ja, Rolf Holub, Spitzenkandidat der Grünen, verweigert im Moment den Piraten den Dialog. Sprich: Früher hat man gerne und viel miteinander geredet, und mehr. Aber jetzt laufen die Piraten auf seiner Sekretärin (sic!) auf. Ein Schelm, wer Schlechtes davon denkt.

Na ja, hoffen wir, dass das noch was wird.

Ich werde berichten.

Die Regierenden sind zu alt oder Warum es nicht reichen wird, nur dagegen zu sein

Können Sie sich noch erinnern, als die Grünen zum ersten Mal in ein Landesparlament einzogen? Es war 1979, vor genau 32 Jahren, da schaffte sie es in Bremen erstmals in eine Legislative.

Die müssen sich damals ähnlich gefühlt haben wie die Jungs von der Piratenpartei, die unlängst in Berlin staunend und mit großen, aufgeregten Kinderaugen durch das Rote Rathaus gingen, in dem sie jetzt Sitz und Stimme haben.

Mittlerweile hat es der einst Bullen verprügelnde Joschka Fischer ja zum Elder Statesman gebracht, und die Grünen zum langweiligen Politalltag einer etablierten Partei. Die Rolle der Spaßpartei hat jetzt wer anderer. Und der ist gerade in den Berliner Senat gewählt worden. Paradigmenwechsel erkennt man meist nicht, wenn sie geschehen, sondern später, wenn es nicht mehr zu übersehen ist. Doch der aufmerksame Gartenzwerg kann schon jetzt das Knistern im Gebälk hören.

Mit dem Tod von Steve Jobs (btw: RIP) ist erst einmal die Generation Garage endgültig von Bord gegangen. Sie erinnern sich: Die kalifornischen Stanford-Absolventen Bill Hewlett und David Packard bastelten 1939 einen Tonfrequenzgenerator für Disney in einer Garage in Palo Alto, damit war Silicon Valley geboren, die Garage steht heute noch und ist das Allerheiligste der Nerds dieser Welt: Dort hat es angefangen, der wilde Ritt durch die Technologie, bei der es jedes halbe Jahr einen neuen Durchbruch gab.  PC, Handies, Notebooks, Tablets – denken Sie einmal 32 Jahre zurück, dann verstehen Sie sicher, was ich meine. Und diese wilde Entwicklung ist heute erst einmal abgeschlossen.

Die nächste Revolution wird nicht mehr bei der Hardware, sondern softwareseitig passieren, und bei sich dadurch ergebenden neuen Kulturtechniken, von denen wir heute noch gar nicht wissen, wie sie aussehen und funktionieren werden.

Zwar kursieren Gerüchte, Steve Jobs habe vor seinem Abgang noch das „nächste große Projekt“ vorbereitet, einen Fernseher, der unsere Art, Video zu konsumieren, so verändern soll wie iPod und iTunes es bei Musik geschafft haben, aber ein iTV wird nur mehr die konsequente Weiterführung des Konzepts sein, digitaler zu konsumieren, so wie sich Apple das vorstellt, an den Grundvoraussetzungen wird das nichts mehr ändern.

Dafür wird selbst Microsoft in seiner nächsten Inkarnation als Windows 8 nicht mehr tastatur- bzw. mausgesteuert sein, sondern per Touchscreen, und auf allen möglichen und unmöglichen Devices laufen, überall dieselbe Oberfläche, stationär oder mobil, wir werden demnächst tatsächlich immer online sein können, in realtime, auf Geräten, die wir uns heute nur so ungefähr vorstellen können.

Ob uns das gefallen wird, ist eine andere Diskussion, die wir jetzt nicht führen, mir gefällt das ja auch nicht, aber hier geht’s um Grundsätzlicheres.

Wo lässt der Deutsche Intellektuelle denken? Richtig, bei Tante Zeit. Dort stand, dementsprechend, schon vor zwei Jahren ein kluges Interview <http://www.zeit.de/2009/44/Interview-Piratenpartei> mit dem damaligen Chef der deutschen Piratenpartei, Jens Seipenbusch, das ich hier schon einmal kommentiert habe (Siehe: Warum das mit den Daten so kompliziert ist).

Da ging es um die Umkehrung des Prinzips „Gläserner Staatsbürger“ zum Prinzip „Gläserner Staat“, was soviel heißt wie jeder Staatsbürger sollte ein Problembewusstsein haben darüber, was für Daten über ihn gespeichert sind, und wo, und unter welchen Umständen sie vernetzt werden können. Und wozu das alles führen kann und es schon tut.

Beim nächsten Bankbesuch, zum Beispiel, teilt Ihnen Ihr Betreuer mit, man habe Ihren Überziehungsrahmen deutlich gekürzt. Er wird etwas von Krise murmeln und Basel Zwei und dass Kreditrichtlinien jetzt strenger gehandhabt würden. Aber in Wirklichkeit hat eine Software einfach Daten über Sie gesammelt. Etwa dass Sie Ihre Stromrechnung immer erst am Stichtag oder ein paar Tage später einzahlen (weil da das Mahnprogramm nicht so schnell greift, machen wir doch alle). Daneben weiß die Software noch, dass Sie bei Hofer einkaufen, dass Ihre Leberwerte schlecht sind, dass Sie Steuerschulden haben und dass gegen Sie zwei Mahnklagen laufen. Dass die Steuerschulden ordentlich gestundet sind und dass Sie die Mahnklagen gewinnen werden, weil sie völlig ungerechtfertigt sind, weiß es nicht, das Programm, so schlau hat es der Programmierer nicht gemacht. Egal: Es reicht, Sie um eine Risikoklasse höher zu stufen, und schon schrumpft der Rahmen.

Solche Programme werden schon eingesetzt. Und auch noch andere, die noch ganz andere Sachen können. Und wenn wir nicht schleunigst die Medienkompetenz erwerben, um uns wehren zu können, sowie die rechtlichen Voraussetzungen, es auch zu dürfen, dann schaut es eher schlecht aus um den bürgerlichen Staat so wie wir ihn kennen.

Auch das habe ich hier schon vor zwei Jahren geschrieben: Es ist schon bezeichnend, dass die Grünen, die es immerhin geschafft haben, die Ökologie ins politische Bewusstsein zu bringen, bei IT völlig versagen. Sie sind ja in Wirklichkeit nur arrivierte Apo-Opas, die genau so verspießern wie alle anderen auch. Oder kennen Sie einen bekennenden Nerd in einer europäischen grünen Partei? Na eben.

Dass sich die Nerds da zu einer eigenen Partei zusammenschließen, ist irgendwie verständlich, schließlich weiß niemand besser als sie, was wirklich abgeht. Dass sie kaum wer tatsächlich versteht (und sich alle daher am einzigen Programmpunkt, den sie zu verstehen glauben, nämlich dem freien Internet, aka Filesharing, aufhängen), steht auf einem anderen Blatt. Ungeschickt, wie Nerds nun einmal sind, bringen sie es auch nur sehr schwer rüber.

In Wirklichkeit könnte das jetzt auch der nächste Entwicklungsschritt werden. Dereinst wurde der demokratische Diskurs auf der Agora geführt, dann ermöglichte der Buchdruck ihn über geographische Grenzen hinweg, wenngleich nur für eine Elite und Anfangs noch sehr langsam. Dennoch: ohne Buchdruck weder Aufklärung noch bürgerlicher Staat.

Heute wird der Diskurs nicht nur ubiquitär, sondern auch in realtime und barrierefrei geführt. Ubiquitär, weil jederzeit, überall und weltweit. Und barrierefrei, weil die Technologie billig und weltweit verfügbar ist, wie etwa Mobiltelefone.

Was das bedeuten könnte, haben der arabische Frühling ebenso vorgeführt wie die soziale Entwicklungen in Schwarzafrika oder die Grüne Revolution im Iran. Und schon ist die Gegenbewegung ebenso da, steigen Zensur und Regulation im Internet, nicht nur in totalitären Staaten, sondern auch bei uns, es fällt Ihnen nur nicht auf, weil Sie halt kein Nerd sind.

So gesehen sind die Piraten wichtig, völlig egal, wie das in Berlin jetzt weitergeht, wie sehr sie unter sich streiten, wie sehr sie erst einmal politisch unbeholfen agieren und alles, was dazu gehört. Und selbstverständlich haben weder Medien noch Politiker wirklich eine Ahnung, wie sie mit den Neuen umgehen sollen, weil ihnen, wie wir schon festgestellt haben, einfach das Problembewusstsein dafür generell fehlt.

Oder, wie es Jens Seipenbusch schon vor zwei Jahren elegant formulierte: „Da muss man einfach realistisch bleiben: Politiker, die jetzt 50, 60, 70 Jahre alt sind, sind weit davon entfernt, diese Problematik überhaupt zu durchdenken. Die Regierenden sind zu alt.“