Warum uns die Linken wählen sollen …

(Diesen Text habe ich am 17. September für akin geschrieben. In der Hoffnung, damit auch ein paar meiner linken Freunde zu überzeugen, ein Stück des Weges mit uns gemeinsam zu gehen.)

Ein Text über die Piraten. In einer linken Zeitschrift. Und er soll nicht fad sein.

Puh.

Und überhaupt: Piraten. Was sind die eigentlich? Links? Rechts? Oder einfach nur opportunistische Spaßpartei?

Eine Partei, die die freie Marktwirtschaft propagiert, aber gezielte Verstaatlichungen fordert.

Eine Partei, die die Entfremdung der Arbeit bekämpfen will, aber nicht durch Vergesellschaftung, sondern durch eine neue Definition der Arbeit. Und durch ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Ein bitte was?

Und schon sind wir mittendrin. Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist die Fortführung des Gedankens „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“.

Denn das haben wir mit der Linken ganz sicher gemeinsam: Die Vision von einer besseren, gerechteren Gesellschaft. In der klassischen Tradition der europäischen Aufklärung: säkular, demokratisch, universal.

Unsere Großväter träumten von einer besseren Gesellschaft, in der es Urlaub für jeden geben würde, Kranken- und Unfallversicherung und eine Alterspension, geregelte, limitierte Wochenarbeitszeiten, einen Betriebsrat … alles, was uns heute als völlig normal erscheint, war damals Utopie. Heute träumen wir von den nächsten Schritten. So ist etwa unsere Produktivität, trotz stetiger Verminderung der Arbeitszeit, exponentiell gestiegen. Sprich: es ist genug da, um alle zu ernähren. Also träumen wir davon, dass die Gemeinschaft jedem von uns ein Grundeinkommen garantiert. Genug, um die Miete zu bezahlen und essen zu können. Bedingungslos, ohne irgendwelche Konditionen. Eben ein BGE.

Befreit von den Zwängen des täglichen Überlebenskampfes, könnten sich die Menschen dann den Dingen widmen, die sie wirklich arbeiten wollen: Die Kinder erziehen. Ein Buch schreiben. Eine Ausbildung machen. Oder sich einen Beruf, einen Job, ein Geschäft erarbeiten, in dem man verdienen kann und dennoch die Arbeit gerne macht.

Zur Vision einer besseren Welt gehört auch die Gerechtigkeit, möglichst für alle. Wir wissen schon, dass sie nicht absolut erreichbar ist, aber es könnte schon deutlich gerechter zugehen in dieser unserer Welt. Deshalb meinen wir, dass absolute Transparenz jedes gesellschaftlichen Handelns einen großen Schritt in die richtige Richtung bedeuten würde. Sprich: Wenn jede Entscheidung, sei es in der eigenen Gemeinde, im Land, im Bund, selbst in Brüssel, tatsächlich transparent wäre, also für jeden jederzeit zur Gänze nachvollziehbar, dann wäre diese Welt sicher einen Schritt gerechter.

Dazu gehört auch die Basisdemokratie. Und weil wir so technikaffin sind, handeln wir basisdemokratisch „per Computer“. Das System nennen wir „liquid democracy“, so haben wir in einem Jahr rund 120 Seiten Grundsatzprogramm erarbeitet.

Aktuell haben wir allerdings ein viel wichtigeres Problem, nämlich dass die fortschreitende Digitalisierung unserer Welt unsere bürgerlichen Grundrechte untergräbt. Alles, was unsere Demokratie heute ausmacht, von Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit über die Unschuldsvermutung bis hin zum Recht auf Privatsphäre, wird im digitalen Raum ständig unterlaufen: So wurde etwa die Vorratsdatenspeicherung im Internet in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen gekippt (leider nicht bei uns). Ein Staat, der seine Bürger ohne Verdacht bespitzelt und überwacht, weil er ihnen nicht traut, ist kein demokratischer Staat, kann es nicht sein.

Deshalb sind wir gegen Acta und Prism, gegen Vorratsdatenspeicherung und verdachtsunabhängige Überwachungsmechanismen – und weil die Bedrohung so immanent ist, so unmittelbar vor der Türe steht, ist dies unser derzeit wichtigstes Anliegen.

Denn wenn dieser unser Staat morgen zu einem totalitären Überwachungsstaat mutiert, können wir alle unsere Visionen von einer besseren und gerechteren Welt begraben.

Deshalb fordern wir, dass die Menschenrechte auf den digitalen Raum ausgeweitet werden, dass es ein Recht auf Datenschutz geben muss ebenso wie ein Grundrecht auf Zugang zum Internet und damit zur Teilnahme an der digitalisierten Gesellschaft. Und, ja, eben weil wir die Nerds sind, die Computerkinder, weil wir wissen, wie die Überwachungsprogramme geschrieben werden und wie sie funktionieren, genau deshalb wissen wir genau, wie groß die Bedrohung durch die Digitalisierung ist, und auch was sie für Chancen mit sich bringt, unsere Gesellschaft zum Besseren zu verändern.

Ach ja, was uns von der Linken unterscheidet: Wir glauben an die bürgerlich-demokratische Gesellschaft und nicht an das Primat irgendeiner Partei, sei sie auch noch so wohlmeinend und schlau. Wir glauben nicht an eine revolutionäre Elite, und schon gar nicht an die Diktatur des Proletariats.

Wir halten generell nichts von Regel und Vorschriften und möchten so wenige davon wie möglich in unserem Alltag haben. Deshalb halten wir auch die freie Marktwirtschaft für die beste aller möglichen Wirtschaftsformen, denn nur in einer freien Wirtschaft kann jeder genau das machen, was er machen möchte. Denn wir wollen auf keinen Fall den Menschen vorschreiben, was sie tun sollen und dürfen und was nicht.

In logischer Konsequenz halten wir auch Privateigentum für ein Grundprinzip einer freien und gerechten Gesellschaft, und der Schutz desselben ist für uns ein ganz wichtiges Grundprinzip. Was nicht heißt, dass wir es gerecht finden, dass ein Prozent der Menschheit über mehr als die Hälfte allen Besitzes weltweit verfügt, aber wir würden es ihnen niemals mit Gewalt wegnehmen wollen.

Natürlich muss man Marktwirtschaft reglementieren und Auswüchse verhindern, deshalb halten wir auch eine soziale Marktwirtschaft für die gerechtere Wirtschaftsform. Wir fordern auch, dass der Staat an der Infrastruktur, die für die Funktion der freien Marktwirtschaft notwendig ist, kontrollierende Anteile halten oder sie zur Gänze besitzen muss, um einer Monopolisierung vorzubeugen, denn die Nutzung dieser Infrastruktur muss allen zu gleichen Bedingungen offen stehen. Oder auch: Netzfreiheit und Netzneutralität sind Voraussetzungen für die infosoziale Marktwirtschaft. Und im Zweifelsfall befürworten wir in diesem Kontext auch Verstaatlichung.

Und, ja, wir glauben an ein vereintes, starkes Europa, in dem unsere Werte der bürgerlichen Freiheiten hoch gehalten werden. Eine erfolgreiche Verteidigung dieser Werte gegen Begehrlichkeiten „von außen“ werden wir nur mit vereinten Kräften schaffen. Allerdings fordern wir gerade deshalb auch bei europäischen Strukturen deutlich mehr Demokratie und wesentlich mehr Transparenz.

Wir werden viel geschmäht und noch mehr missverstanden, man hat uns als Grüne mit Computer beschimpft, als FDP ohne Porsche, als bürgerliche Träumer, intellektuelle Phantasten, was auch immer.

Wir sind der Meinung, dass wir die Ersten sind, die erkannt haben, dass die digitale Revolution einen ebenso grundsätzlichen Paradigmenwandel unserer Gesellschaft bewirken wird wie seinerzeit die industrielle Revolution, mit ähnlich weit reichenden Folgen. Wir sind überzeugt, dass wir das wichtigste und interessanteste politische Projekt seit den Grünen sind.

Und schon wegen der aktuellen Bedrohung unserer bürgerlichen Grundrechte durch Überwachungsstaat und digitale Spitzelagenturen hoffen wir, dass alle demokratisch eingestellten Bürgerinnen und Bürger zumindest ein Stück des Weges mit uns gemeinsam gehen werden, um diese Bedrohung von unserer Gesellschaft abzuwenden. Und um gemeinsam eine bessere Welt aufzubauen.

Und natürlich werden wir gewinnen. Wir sind die Zukunft. Wir sind die Mehrheit. Auf Dauer sind wir nicht aufzuhalten. Venceremos.

 

Und bitte wie soll es jetzt weiter gehen?

Im vorherigen Blogeintrag habe ich die Forderung aufgestellt, dass die Piraten bei der kommenden Nationalratswahl dem Wähler/der Wählerin einen guten Grund bieten müssen, uns und ausgerechnet uns zu wählen. Schließlich sind wir ein doppeltes Risiko: Erstens besteht die reëlle Möglichkeit, dass wir’s nicht schaffen, sohin die Stimme „vergeudet“ ist, und selbst wenn, ist noch lange nicht klar, was wir denn tatsächlich im NR zusammenbringen, wenn wir hineinkommen, und noch viel weniger, ob das dann auch dem jeweiligen Wähler gefällt oder nicht.

Für mich ergibt sich daraus (und das hätte ich gerne als nächstes zur Diskussion gestellt): Einerseits müssen wir ein Thema haben, sozusagen als Speerspitze, mit dem wir, ganz plakativ, die Mehrheit überzeugen können, gerade uns zu wählen. Weil – und auch das stand schon im letzten Blog – eben nur die Piraten dieses Thema haben, es offenbar dann doch wichtig klingt, und die Lösung, die die anbieten, klingt auch nicht so blöd, kann man versuchen.

Das gefällt nicht? Nein, und mir gefällt es auch nicht. Ich bin ein Intellektueller, ich will gewählt werden, weil ich richtig und umfassend argumentiert habe, nicht weil ich halbwegs einleuchtend klinge. Aber so sind die Wähler, wir werden sie nicht ändern.

Gottseidank gibt es auch eine Minderheit unter unseren Wählern, denen reicht das dann doch nicht, die wollen ein Programm. Und das können wir eben auch bieten: BGE, fahrscheinlose Öffis, Demokratiereform, Liquid Democracy … fällt was auf? Richtig, sind auch alles Themen, die die anderen nicht haben. Und die uns auszeichnen.

In Summe ergibt das einen hübschen Katalog, den man dann allen anbieten kann. Und der mit piratigen Themen besetzt ist. Wir erinnern uns: Die anderen haben sie nicht, aber irgendwie klingen sie überzeugend wichtig. Mit der Überschrift: Wenn Du das willst, musst Du PIRAT wählen.

Dann klappt’s auch mit den Wählern.

Daraus folgt aber auch – zumindest für mich, und hier werden wieder alle über mich herfallen – dass wir Dinge wie Korruption und allgemeine Misswirtschaft nicht als „Speerspitzenthema“ nehmen können. Es klingt zwar sehr verlockend, aber es bietet uns absolute keine Alleinstellung. Ebenso gut könnten wir ein Volksbegehren gegen den langen Winter starten, oder dagegen, dass die Schnitzel beim Figlmüller immer kleiner werden.

Ganz abgesehen davon, dass die Grünen da schon längst drauf sitzen. Dementsprechend haben sie ja auch ein Volksbegehren gegen Korruption gestartet. (Nein, nicht dass ich glaube, dass Korruption unvermeidbar sei, so wie schlechtes Wetter. Aber ein Volksbegehren halte ich für die falsche Vorgangsweise gegen Korruption. Egal, gehört hier nicht her.)

Zeit ist da auch noch ein Faktor, respektive das Fehlen derselben, also sollten wir uns auf etwas konzentrieren, was wir schon halbwegs können, und das ist, IMHO, das Internet. Unsere Netzkompetenz. Wir kommen aus dem Netz. Wir sind die, die es programmieren (und vielleicht auch hie & da hacken), wir sind ein bisserl anarchisch und sehr viel peer-to-peer, wie das Netz eben auch, denn da sind wir zu Hause. Und das nimmt man uns auch ab.

Thema ist da reichlich da, Tenor: Wenn wir uns jetzt nicht wehren, ist es morgen zu spät.

Erinnert euch, die Grünen haben genau so angefangen: Wenn wir uns nicht jetzt um die Umwelt kümmern, ist es morgen zu spät.

So simpel war die Message, und so simpel kann (und muss) auch unsere sein.

Natürlich „reicht“ Netzkompetenz alleine nicht. Natürlich brauchen wir eine kompetente Meinung zu anderen Themen, zum Beispiel „Migrantenbeirat“ (brauchen wir, unterstützen wir, wir haben einen Piraten, der sich da bestens auskennt), zur Situation der Freiberufler (Themensprecher, anyone?), zur Drogenpolitik, (jessas, was für ein Gedränge), whatever. Wir haben sechzig Seiten Programm, da steht viel Vernünftiges drin. Und manchmal auch eher Schwachsinn, aber das macht nichts, sondern den Charme der Piraten aus. (Und selbstverständlich sind wir für eine Kolonialisierung des Mars ausschließlich mit friedlichen Mitteln, wer will uns da widersprechen?)

Na also.

Das alles stelle ich hiermit erneut zur Diskussion und freue mich schon auf dieselbige.

Endabrechnung

Zeit, das Geschehene aufzuarbeiten.

Erstens: Warum haben wir in Kärnten verloren?

Im Grund genommen weil wir auf die Frage des Wählers „Warum soll ich ausgerechnet die Piraten wählen?“ keine ausreichende bzw. überzeugende Antwort gegeben haben.

Der Wähler geht mit seiner Stimme erstaunlich sorgsam um. Selbst der Protestwähler wählt nicht einfach $irgendetwas, sondern das, was das derzeitige System am besten „aufmischt“. Um ihn zu überzeugen, gerade die Piraten zu wählen, wo doch genau dort die Chance, dass seine Stimme verloren geht, besonders hoch ist, muss es einen verdammt guten Grund geben dafür, dass er’s dann doch riskiert.

Das mit den Protestwählern wäre hübsch gewesen, für die hätte es nicht einmal ein Programm gebraucht, leider hat da Zwerg Bumsti eindeutig mehr Geld. Gut, dann also mit Inhalten.

Die, die wir öffentlich angeboten haben, waren es nicht. Schön, Transparenz ist sehr piratig. Aber das Thema hatten fast alle, die Grünen wie die SP, selbst die Schwarzen. Was konnten wir da bieten, was die anderen nicht geboten haben, außer einem treuherzigeren Augenaufschlag mit dem Charme der reinen Amateure? Nicht wirklich viel. Schön, man attestiert uns sicher Sauberkeit, aber so die Überkompetenz in Sachen Durchblick wird uns nicht zugeordnet. Warum auch? Nur, weil wir das gerne hätten? Außerdem führt die schwarzrotgrüne Koalition in Kärnten gerade vor, wie das alles ohne Piraten auch geht, und das – bislang – recht beeindruckend.

Thema Wohnen – haben inzwischen auch schon alle. Und auch hier: Was sollen gerade wir da besser, anders, überzeugender können? Selbst wenn wir es tatsächlich könnten …

Fahrscheinlose Öffis hatten die anderen nicht, war aber offenbar in Kärnten auch nicht so der große Aufreger. Eher ein urbanes Thema, für Wien vielleicht … für Graz war’s eines. Aber Graz ist nicht Kärnten. Andrerseits zeigt es, dass wir mit eher „ausgefallenen“ Ideen eher Chancen haben. Ausgefallen in dem Sinn, dass sie die anderen nicht haben. Entweder, weil es keinen interessiert, oder weil keiner davon was versteht.

Sicher, wir haben auch in der Exekution schwere Fehler gemacht, die Plakataktion etwa ging voll daneben, weil wir offenbar einen – äh – nicht verlässlichen Geschäftspartner hatten, sprich: Er hat uns Stellen verkauft, die es nicht gab. Auch sonst waren wir zuwenig Leute, waren einfach nicht präsent, die Mehrheit der Wähler ist uns zum ersten Mal auf dem Wahlzettel begegnet, das war zu spät. Aber selbst wenn wir sonst alles richtig gemacht hätten und halb Kärnten von uns gesprochen hätte – fünf Prozent wären es auch nicht geworden. Nicht mit diesen Themen.

Fazit: Falscher Ansatz, schlecht exekutiert. Dafür sind ein Prozent ganz beachtlich. Offenbar unsere Hardcore-Basis – da sollten wir anknüpfen.

Zweitens: Was bedeutet das für die Nationalratswahl?

So wie ich das einschätze, müssen wir uns schleunigst auf eine eindeutige Themenführerschaft einigen und die dann in der Öffentlichkeit erarbeiten, komplett samt Kompetenz und pipapo. Wenn wir im Herbst den p.t. Wählern keinen echten Grund geben, uns zu wählen, wird das nix.

In der kurzen Zeit wird es uns allerdings nicht gelingen, nur mit Kompetenz und klugen Bemerkungen bundesweit überhaupt bekannt zu werden, geschweige denn zur echt wählbaren Alternative, da wird man ein wenig nachhelfen müssen. Wie man das macht, mit oder ohne Geld, Öffentlichkeit kaufen oder irgendwie sonst organisieren, diese Diskussion steht aus. Aber nur weil wir das jetzt wirklich wollen, wird es nicht gelingen, da muss schon etwas echtes Können plus ein wenig Professionalität dazu kommen. Der Charme des Amateurs ist bei den Piraten schnell abgelaufen, wir müssen jetzt leider auch Handfestes bieten.

Vielleicht könnten wir uns ja darauf einigen, dass wir nur dort etwas sagen, wovon wir wirklich etwas verstehen. Und das wird dort, wo wir glauben, etwas sagen zu müssen, zuerst vorher unsere Hausaufgaben machen. Beim Urheberrecht, zum Beispiel. *duck*

Ich weiß, der Shitstorm ist vorprogrammiert. Egal, es ist meine Meinung. Und damit kommen wir zu

Drittens: Was bedeutet das für mich persönlich?

Die Debatte um die Rückerstattung von Spesen für gewählte Organe der Partei hat mich dann doch schwer verstört. Auch wenn die Abstimmung am Ende anders ausging, alleine die Tatsache, dass die Forderung „Soll sich jeder selber zahlen“ nicht nur erhoben, sondern auch unterstützt wurde, fand ich zutiefst undemokratisch, weil dann können es sich nur noch die Zwerg Bumstis dieser Welt leisten, in die Politik zu gehen und dort eine eigene Meinung zu haben. Dafür bin ich leider nicht zu haben. Und da ich bislang mindestens drei Flocken (hab’s bislang noch nicht so genau nachgerechnet, weil dann würde ich mich ärgern) meines Privatgeldes in die Parteiarbeit gesteckt habe und die offenbar niemals wiedersehen werde, muss ich hier & jetzt erklären: Das kann ich mir nicht (mehr) leisten. Und will es auch nicht mehr.

Ich löse diese Diskussion bewusst aus, jetzt & hier, und stelle folgende Hypothesen in den Raum:

Primo: Wir können weder als Linkspartei 2.0 noch als we2-Partei noch als „noch-so-eine-Partei“ erfolgreich sein, egal wie honorig unsere Ansätze. Wir müssen einen (oder mehrere) „unique voting point(s)“ bieten.

Secundo: Wir müssen deutlich (!) professioneller werden. Alle. Von unserer Parteiarbeit über unsere Außenkommunikation zu unseren Stellungnahmen und Presseaussendungen bis hin zu den verwackelten Handvideos vom Frosti. Wobei: Hätten alle Frosti’s Engagement, hätten wir ein Problem weniger …

Tertio: Zeit ist für jeden von uns kostbar & jeder hat gleich viel: sein Leben. Zeit können wir, zumindest derzeit, von jedem gratis fordern, so viel eben jeder hat. Aber der Aufwand, die Spesen, das Reisen, die Bahntickets, die zugigen Gasthauszimmer mit den klammen Betten und das hastig hinuntergewürgte Gulasch im Bahnhofbüffet – das muss ersetzt werden. Wenn einer sagt: „Danke, ich hab’ genug, ich lad’ euch drauf ein“ umso besser. Aber wenn demokratische Gleichheit für alle herrschen soll, dann muss es denen, die sich das nicht leisten können, ersetzt werden. Das Geld dafür ist aufzutreiben, „wir haben keins“ wird nicht anerkannt. Wer kein Geld hat, soll nicht in den Prater gehen.1)

Quarto: Der basisdemokratische Ansatz führt (nicht nur bei uns) dazu, dass sich alle für alles zuständig fühlen. Das ist Teil des Charmes der Amateure, aber organisatorisch ist es einfach Scheiße, und funktionieren tut es auch nicht. Entweder wir vertrauen einander, und der eine macht dies und der andere das, und wir stellen nicht ununterbrochen alles in Frage, nur weil wir es können, oder wir lassen es gleich bleiben. Das Ziel heißt Einzug in den Nationalrat, nicht öffentliches Haltungsturnen mit Extrapunkten für den schönsten Sterbenden Schwan mit der reinsten Haltung.

Quinto: Zu guter Letzt muss auch noch diese absurde Diskussion um online versus offline aufhören. Wir sind eine Partei, die im und aus dem Internet geboren wurde, das Internet ist unsere – derzeit einzige – Kompetenz, und natürlich sind Piraten online. Punkt. Und wer nicht online ist, aus welchem Grund auch immer, ist schnellstens dorthin zu bringen. Und wer partout nicht will – auch gut. Aber der ist als Pirat eher ein Misfit. In etwa so, als wolle man der Wasserballmannschaft beitreten und hat eine Allergie auf Wasser, oder ist wasserscheu. Das kann einfach nicht funktionieren.

Alle diese fünf Punkte laufen für mich unter „conditio sine qua non“, will heißen, wenn sie nicht erfüllt werden, dann sehe ich für die Nationalratswahl von vornherein schwarz. Ich meine, jeder wie er kann, möchte und glaubt zu müssen. Aber ich bin es leid, politische Partei zu spielen. Ich wäre gerne in der Realität angekommen.

Wie gesagt: YMMV, dies ist mein Blog & meine Meinung.

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1) Wir haben uns entschlossen, innerhalb des parlamentarischen Systems zu bleiben, dort eine Partei zu gründen und mit dieser, nach geltenden parlamentarischen Spielregeln, die Welt zu verändern. Man kann alle Regeln natürlich auch in Frage stellen, aber irgendwann stellt sich die Frage, was man denn überhaupt noch im System verloren hat. Am Beispiel der 5-Sterne-Bewegung der Grillisten in Italien kann man das sehr hübsch beobachten. Und ähnlich sehe ich das auch mit dem Ansatz „wir machen das alles ganz anders und ersetzen Geld grundsätzlich mit Gutem Willen und ordentlich Cornflakes jeden Morgen“. Wer eine Partei haben will, der muss auch eine betreiben. Und was passiert, wenn alles nur auf Goodwill beruht, kann man immer wieder bei den Piraten beobachten: Es geht schief. Wo der Punkt genau liegt, an dem auch wir uns den grundlegenden Spielregeln unterwerfen müssen, und wie viele Regeln wir brechen können, ohne dass es schief geht, ist eine getrennte Diskussion. Aber die „grundsätzlich überhaupt nie“-Verweigerungshaltung wird nicht funktionieren.

Die Grundsatzrede

Am 2. Feber 2013 haben Christopher Clay (c3o) & ich, anlässlich der Eröffnung der Bundesgeneralversammlung der Piraten in Klagenfurt, gemeinsam eine Grundsatzrede gehalten zum Thema „Wer sind wir & wer wollen wir sein“.

Hiermit der Wortlaut des Manusriptes. Geschrieben haben die Rede Werner Reiter (verquer) & ich, Christopher hat dann seinen Teil so umformuliert, dass es „zu seinem wurde“.

Es gilt selbstverständlich das gesprochene Wort, das hier war & ist nur das Manus.

Wer lieber die Rede hören will, so wie sie gehalten wurde, klickt hier (youtube).

Rede zur Eröffnung der Bundesgeneralversammlung Klagenfurt 2.–3. Februar 2013

(Christopher Clay):

Jede und jeder von uns mag im Detail unterschiedliche Gründe haben, heute hier zu sein. Aber ich bin mir sicher, dass uns so manches eint. Die gemeinsamen Grundwerte, etwa, die wir letztes Mal in Graz beschlossen haben. Und dann das, was sich in unserem Slogan „Klarmachen zum Ändern“ ausdrückt. Wir sind hier, weil wir in diesem Land und in dieser Gesellschaft etwas zum Positiven verändern wollen.

Dafür haben wir heuer ein paar große Chancen.

Aber eines muss uns dabei bewusst sein: „Klarmachen zum Ändern“ enthält auch: Wir müssen uns klarmachen für diese Aufgabe. In der Seemannssprache bedeutet klarmachen, dass alles am Schiff für die große Reise bereit gestellt ist, dass jedem Mitglied der Besatzung bewusst ist, was man beiträgt und beitragen kann, und dass wir uns zumindest mal so grob einig sind wohin die Reise denn geht.

Im herkömmlichen Sinne heißt klarmachen „deutlich machen, vor Augen führen“.

Ich glaube, wir sollten die Gelegenheit an diesem Wochenende nützen, uns selbst und allen, die uns zum ersten Mal zuhören, vor Augen zu führen, was uns als Piraten einzigartig macht, was wir erreichen können und wollen, und vor allem warum es dazu gerade uns braucht.

Wir werden oft eine Netzpartei genannt, und dabei schwingt manchmal etwas abschätziges mit – in der ZIB wurde mir gesagt: “Sie haben doch ihr ganzes Leben vor dem Bildschirm verbracht, was wissen denn sie schon?”. Aber ich plädiere dafür, diesen Begriff der Netzpartei uns ganz selbstbewusst zuzuschreiben. Ohne Netz könnten wir nicht so funktionieren, wie wir es tun, ohne Netz hätten wir nicht die gesellschaftlichen Ziele und Visionen entwickelt, die wir haben – ohne Netz gäb’s uns nicht.

Selbstverständlich sind wir auch auf der Straße präsent und nicht nur hinterm Bildschirm, und natürlich wollen wir uns jenen, die bislang keinen so starken Zugang haben – entweder überhaupt zum Netz oder zu unseren Methoden – nicht verschließen und  müssen ihnen helfen, möglichst schnell und möglichst barrierefrei online zu gehen und mitmachen zu können.

Aber wir sind eine Netzpartei, so sehr, dass wir sogar unsere Strukturen aus dem Internet mit übernommen haben. Das Fehlen einer zentralen Stelle, die peer-to-peer-Struktur – also dass alle mit allen verbunden sind –, dieses flache, hierarchiearme, emanzipierende Grundkonzept, das die Struktur des Internets ausmacht – vieles von dem ist auch unsere eigene Kernstruktur. Und wir berufen uns darauf, dass wir so im Netz agieren und so auch in der Realität leben und uns organisieren wollen.

Das Internet prägt aber nicht nur unsere Organisationsstrukturen, sondern beeinflusst auch stark unsere Inhalte. Und das auf zwei – ganz wesentliche – Weisen.

Erstens sind wir die, die auf die ganz konkreten Bedrohungen unserer demokratischen Grundordnung und unserer Bürgerrechte im Informationszeitalter hinweisen, die aufstehen und sagten “Halt, da verlieren wir gerade im digitalen Raum Rechte, an denen sich offline niemand trauen würde, zu rütteln”, und zweitens bedingen auch unsere Lösungsansätze dieselbe Technologie – nur eben in der Hand der Menschen, der Bürger, als Ansatz zur Lösung von gesellschaftlichen Herausforderungen.

Dieselbe Technologie also, die unsere Rechte bedroht, ist auch der Schlüssel zur Lösung, wenn wir sie uns selber bemächtigen, wenn wir sicherstellen, dass die Verfügungsgewalt darüber in unser aller Händen liegt. Das unterscheidet uns auch ganz klar von den Grünen, mit denen wir ja sonst durchaus so manche inhaltliche Überschneidung haben.

Wir sind die, die genau verstehen, wie sehr das Internet und die Digitale Revolution – bzw. unserer Ansicht nach: deren Missbrauch durch Mächtige – von ACTA und Vorratsdatenspeicherung bis hin zu Datenverknüpfung, Rasterfahndung, Gesichtserkennung usw., unsere Menschenrechte in Gefahr bringen können. Und wir haben das Wissen und die Kompetenz, Lösungen vorzuschlagen, die genau das verhindern können und werden.

Und das ist nicht irgendwie abgehobenes, theoretisches Geschwafel – das betrifft tatsächlich heutzutage alle Menschen ganz konkret, auch wenn es vielleicht noch nicht alle mitbekommen haben.

Wir fordern, als einzige, bislang, dass die unverletzbare Integrität der Person, wie sie in den Menschenrechten definiert wird (ihr wisst schon: Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit, und so weiter…), auch die digitale Sphäre umfassen muss. Wir sind die Netzpartei, die erkannt hat, dass Deine Daten Teil Deiner Person sind und daher auch so angesehen werden müssen – als untrennbarer Bestandteil Deiner Rechte, so wie diese Rechte vor zweihundert Jahren als Teil der bürgerlichen Revolution definiert wurden.

Und dann begreifen wir auch ganz intuitiv die Möglichkeiten, die die Vernetzung für Menschen bietet, diese einmalige Chance für ein empowerment aller Einzelnen in einem bisher ungeahnten Ausmaß.

Dass Information, Wissen, Kunst – unser gesamter Kulturschatz – allen zugänglich gemacht werden kann, ohne dass dadurch nennenswerte Kosten entstehen

Dass wir uns im Netz ohne Zugangsbeschränkungen bilden können.

Dass wir uns in Sekundenschnelle quer über den Globus austauschen können.

Dass wir unsere Meinung publizieren können, egal ob das jemandem passt oder nicht – und dabei zumindest theoretisch eine gleich laute Stimme haben können wie jemand mit mehr Macht oder Geld und Privilegien.

Dass Tausende Menschen online zusammenarbeiten, um etwas zu schaffen, das uns allen zugute kommt und dafür kein Geld verlangen – Wikipedia, open source software, usw.

Dass wir zuvor schlicht unmögliche Methoden der Mitbestimmung und Transparenz umsetzen können – (siehe Liquid Democracy, undenkbar auf dem Papier!).

All das, die Chancen wie auch die Gefahren – das sind Neuerungen, die die existierenden Parteien noch nicht in ihr Weltbild integriert haben. Da sind sie wie der sprichwörtliche Frosch im Kochtopf, der nicht bemerkt dass um ihn herum das Wasser immer heißer wird bis es zu spät ist.

Und deshalb braucht Kärnten – braucht Österreich – braucht die Welt uns, die Piraten.

(Pause) (ab hier hab‘ ich die Rede weitergeführt)

Und weil wir eine Internetpartei sind, sind wir auch eine liberale Partei, denn das Internet ist ein Ort, an dem es so wenig Regeln wir nur möglich gibt, und zwar als Grundprinzip. Das ist eine zutiefst liberale Haltung, und auch das haben wir aus dem Internet mitgebracht: Wir sind in allem und jedem eine liberale Partei. Mit allem, was das impliziert. Denn selbst wenn wir das bestehende Parteienspektrum von links bis rechts als überholt ansehen, so müssen wir es uns dennoch gefallen lassen, in der Öffentlichkeit im Rahmen dieses Spektrums klassifiziert zu werden, und da müssen wir dort sein, wo der Bürger ist: In der Mitte, die Hände in alle Richtungen?? offen ausgestreckt.

Weil’s g’rad so schön aktuell ist: Was wir nicht sind, ist eine Linkspartei 2.0. Deshalb haben wir ja auch in Niedersachsen in Deutschland gerade verloren.

Was übrigens in Niedersachsen auch noch schön heraus kam, und hier auch nicht unerwähnt bleiben soll: Wir sind eine kleine Truppe, von der in der breiten Öffentlichkeit zwei Dinge bekannt sind: Erstens, dass wir für ein freies Netz stehen. Das ist uns sozusagen in die DNA eingeschrieben. Das ist gut. Damit können wir arbeiten. Andere Parteien geben viel Geld dafür aus, sich so einen „Markenkern“ von teuren Agenturen entwickeln zu lassen.

Und zweitens sind wir bekannt als zerstrittener Haufen. Das müssen wir ändern. Vielleicht nicht ganz, aber zumindest in das Bild eines streitenden Haufens. Die internen Diskussionen, das Ringen um Strukturen, Positionen und Kompromisse sind das Abbild dessen, wie wir mal Politik im Großen machen werden. Politik wird immer ein Streiten sein. Das muss so sein. Wir müssen uns aber immer wieder vor Augen führen, dass mit Zerstritten-Sein gar keine Politik gemacht werden kann. Da werden wir keinen Wahlkampf hinbekommen, dafür werden wir nicht gewählt und damit können wir nichts ändern.

Eigentlich steht das eh’ schon alles im Codex und im Programm und auf dem website, aber es hilft, sich die Details von Zeit zu Zeit ins Bewusstsein zu rufen: Wir sind eine basisdemokratische, liberale Bürgerpartei.

Hier fehlen dann noch der freie Zugang zu Bildung, etwa, oder gleich freier Zugang zu Information, möglichst aller vorhandenen, die Forderung nach einem Zugang zum Internet als Menschenrecht, die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen und – selbstverständlich – die absolute Transparenz in allem und überall – aber ich denke mir, so im Groben haben wir das Bild des Piraten schon entworfen.

Ich spüre schon den Unmut unter euch, wenn der eine oder andere jetzt sagt, alles schön und gut, aber wir haben nun einmal regen Zulauf von vielen Leuten, die mitmachen wollen und die bei weitem nicht dem hier entworfenen Idealbild entsprechen.

Die Piraten sind eine ganz breite Bewegung, und wir freuen uns über jeden, der ein Stück des Weges mit uns mitgeht und unsere Überzeugungen und Werte mit trägt, zumindest eben ein Stück des Weges. Denn die Auswirkungen unseres Weltbildes – Transparenz und Mitbestimmung und freie Entfaltung für alle – dass ist schließlich ein leicht verständliches Ziel, das viele, viele Menschen teilen.

Und, ja natürlich, eine Bewegung wie die unsere zieht ein breites Protestpotential an, und wir wären töricht und arrogant, würden wir dieses Potential nicht so breit ausschöpfen, wie es nur irgendwie geht.  Und selbstverständlich werden wir uns bei jedem einzelnen bemühen, ihn für unsere Werte und Überzeugungen zu gewinnen, ihn mit unseren Werkzeugen und Umgangsformen für eine digitale Demokratie vertraut zu machen. Das müssen wir tun, das sind wir jedem, der zu uns kommt und mitmachen will, einfach schuldig.

Aber am Ende des Tages werden wir immer wieder Entscheidungen treffen müssen, mit wem wir das nächste Stück Weg noch gemeinsam gehen, und mit wem nicht, und die Entscheidung wird immer schwer sein, und wir werden es dabei niemals – niemals! – allen Recht machen können.

So weit der vorprogrammierte Shitstorm, der systemimmanente.

Und so weit meine Definition, was ein Pirat sein soll, ich denke mir, wir haben jetzt zwei Tage Zeit, darüber zu diskutieren. Aber weil wir gerade im Wahlkampf sind, und neben der Theorie eben auch die Praxis steht, lasst mich euch bitte noch eines in die nächsten zwei Tage und in dieses Jahr der Wahlkämpfe mitgeben.

Seit 2007 kann in Österreich ab dem vollendeten 16. Lebensjahr gewählt werden, also seit sechs Jahren. Geändert hat sich dadurch nicht viel: Mehr als zwei Drittel der 16 bis 22 jährigen gehen noch immer nicht wählen und interessieren sich offensichtlich Nüsse für die Politik.

Und ich sage euch: Das stimmt nicht. Es stimmt deshalb nicht, weil es bisher keine Partei gab, die diese Wähler dort abgeholt hat, wo sie heute sind. Diese Kids wachsen heute auf in einer vernetzten, digitalen Welt, die ihre Eltern schon von der Technologie her nicht mehr verstehen, in einer Welt, in der sie sich ihre eigenen Kulturtechniken gestalten müssen, denn in der Schule werden sie nicht gelehrt. In einer Welt, in der es zwar eine Ausbildung gibt, aber keine Jobs, wo man zwar ausziehen könnte von zu Hause, es sich aber nicht mehr leisten kann, und in der Zwischenzeit zerfrisst die Korruption diesen Staat und zerstört damit jegliche Glaubwürdigkeit in alle Institutionen, so dass es sich nicht mehr lohnt, öffentlich für irgend etwas einzutreten außer die eigenen Interessen. Es droht ein neues Biedermeier, und mit ihm ein neuer Vormärz, der noch viel repressiver sein wird als alles, was wir bislang kennen und uns vorstellen können.

Das ist der Punkt, an dem wir ansetzen: Wir sind die Partei der Jugend, wir haben als einzige vernünftige Lösungsansätze, die die Jugend verstehen und mittragen kann. Denn natürlich interessieren sie sich für die Dinge, die um sie herum geschehen, und natürlich besteht auch ein Gestaltungswille an ihrer Umwelt und ihrer Zukunft. Aber nicht mit dem System, das ihnen bisher angeboten wird.

Dabei sind – natürlich – die Kids nicht unsere einzige Kernzielgruppe. Wir wenden uns in weiterer Folge auch an die, die schon im Leben stehen und bereit sind, Veränderungen mit uns mitzutragen : An die Ein-Personen-Unternehmen, die Ich-AG’s, die Generation Trainee, die in der derzeitigen Gesellschaft keinen oder nur einen schlechten Platz finden; aber auch an die, die schon Bereitschaft gezeigt haben, diese Gesellschaft in ihrem Sinn verändern zu wollen, an Jungunternehmer, an Künstler und an Kreative.

Und wir wenden uns auch an die zahlreichen zivilgesellschaftlichen Initiativen in den Bereichen Netzpolitik und Transparenz, wo Piraten als Partner, Teilnehmer, Multiplikatoren und Moderatoren mit wirken und unsere Ideen in die Gesellschaft hineintragen sollen.

Ich weiß schon, das klingt jetzt ein bisserl seltsam, wenn ich alter Sack hier stehe und was von Jugend fasel. Aber als Post-68er sage ich euch: So wie wir damals die Zukunft waren und die Welt verändert haben, wenigstens ein Stück, so seid Ihr heute die Zukunft, und es ist eure Zukunft. Ihr müsst sie selbst in die Hand nehmen. Wir alle gemeinsam haben die Kompetenz, das Wissen und schlussendlich auch die Macht, unsere Zukunft zu gestalten. Wir müssen uns nur das Recht dazu nehmen – bevor es uns genommen wird.

Und zum Abschluss noch der Satz, den ich mir ganz groß auf’s Auto hab’ picken lassen:

Wenn alle mitmachen, ist es keine Utopie!

(Pause)

Ja. Wir können!

(Pause)

Ich danke Euch für Eure Geduld und Aufmerksamkeit.

 

 

Analyse einer Erregung oder Wir basteln uns einen Shitstorm II ff

Versuch der argumentativen Analyse bzw. Entgegnung(en) auf jüngste Ereignisse rund um das Thema „Zauberwald“.

Anmerkung: Dieser blog ist öffentlich, ebenso wie die Foren der Piratenpartei. Quotes von dort werden daher hier zitiert, persönliche mails, wie weit auch immer mit cc: und bcc: vertagged, werden aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zitiert, ebenso Namen der Betroffenen, sofern sie kein oder zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes nicht mehr Mitglied der Piratenpartei Österreich sind.

Die Diskussion im Forum.

Es ist immer wieder schön zu sehen, wie man für verschiedene Themen innerhalb unserer Partei die verschiedensten Verbündeten findet. Ich halte das für einen sehr hübschen Beweis unserer liberalen Grundhaltung und freu’ mich aufrichtig darüber.

Am 05.01.2013, 11:43 Uhr, schrieb andre <andre@forum.piratenpartei.at>:
>> 6581 schrieb: 

>> Also von außen betrachtet hätte eine offizielle Abstimmung (entweder
>> per Liquid Feedback oder am Landesparteitag) so einen Disput vermieden

> Wozu der Konjunktiv? Die Meinungsbilder gibt es.
https://lqfb.piratenpartei.at/initiative/show/1712.html
> Dieses Meinungsbild ist abgeschlossen und mit über 80 Prozent dann doch
> recht eindeutig.

Ja stimmt. Ich habe gemeint wenn man natürlich ganz im Vorhinein so eine Abstimmung macht. Aber genau dadurch entstehen ja die Fehler. Es wird keine Abstimmung gemacht, sondern es werden irgendwie ein paar Leute gefragt und nachher ist der Schaden da. Ist jetzt aber natürlich nicht Deine Schuld.

Nachdem sich Deine Reaktion also auf diese Umfrage stützt nehme ich meine vorige Meinung dazu zurück. Im Gegensatz zur ursprünglichen Aktion hat sich diese Reaktion immerhin auf etwas gestützt. Parteischädigend fand ich sie sowieso nie (da der Vorwurf ja offenbar Dir gegolten hat).

> Auch ohne die Hintergründe zu kennen ist Deine Analyse relativ auf den Punkt.

Danke. Nun, ich habe Dir gegenüber ja kurz in Graz die Problematik angesprochen, die ich mit diesen Orts und Landesgruppen sehe: Bevor die Leute in einen Arbeits- oder Diskussionsprozess eingebunden werden, wird ihnen nahegelegt eine Ortsgruppe zu gründen. Die haben dann eigentlich noch nicht mal ein klares Bild wofür die Piraten eigentlich stehen. Wenn dann noch die Diskussions- und Kritikfähigkeit fehlt (die ja nicht erprobt wurde und gerade bei einem LV ja vorhanden sein sollte) dann geht der Spaß (unqualifizierte Beschimpfungen, diffuse Anschuldigungen, kampf gegen „den Bund“ etc., ohne Bemühungen die Lage zu verstehen) bei der ersten gröberen Meinungsverschiedenheit los.

Und damit meine ich jetzt u.a. ganz konkret solche indiskutablen Posts:
https://forum.piratenpartei.at/showthread.php?tid=1926&pid=11848#pid11848
https://forum.piratenpartei.at/showthread.php?tid=1926&pid=11307#pid11307

end quote

Ausgangslage: Man wirft mir parteischädigendes Verhalten vor, denn ich hätte unter anderem eine Spitzenkandidatin und zwei Landesvorstände „vergrault“, i.e. seien sie „wegen meiner“ zurückgetreten, wie alle drei in ihren Rücktrittsmails formuliert haben.

Dem gegenüber ist erstens grundsätzlich festzuhalten, dass ein frisch gewählter Landesvorstand, der beim ersten Konflikt das Handtuch wirft, kein guter Landesvorstand ist (respektive war). Konflikte sind in dieser Position unvermeidbar, so was muss man aushalten können.

Zweitens habe ich niemals, zu keinem Zeitpunkt, irgendjemand zu einem Rücktritt aufgefordert, im Gegenteil, sofern ich es noch konnte, habe ich immer laut und deutlich von einem Rücktritt abgeraten, aus eingangs erwähnten Gründen.

Bleibt noch die Analyse meines Handelns.

Vorausschicken darf ich, wie ganz oben schon einmal angeführt, Kenntnis vom Meinungsbild

https://lqfb.piratenpartei.at/initiative/show/1712.html

Darin sprechen sich, bei deutlicher Überschreitung des Quorums, 87 Prozent der Mitglieder für folgende Aussage aus:

Die Piratenpartei distanziert sich deutlich von esoterischen und pseudowissenschaftlichen Praktiken. Wir wollen Kontakt zu derartigen Gruppen und Organisationen meiden.

Begründung

Esoterische und pseudowissenschaftliche Praktiken bzw. Gruppen und Organisationen, die auf derartige Praktiken zurückgreifen, diskreditieren uns.

Ich halte das für eine klare Aussage dazu, dass die Piratenpartei sich als laizistisch versteht und das auch bleiben will.

Jetzt zu den Ereignissen:

Grundsätzlich habe ich unserem Landesvorstand (sowohl dem vorigen, der seit der Gründung bestand, als auch den jetzt zurück getretenen LV) vorgeworfen, sich nicht an die Grundregeln unserer Partei zu halten. Seit Gründung im vergangenen Herbst hat eine einzige (!) LV-Sitzung korrekt stattgefunden, will heißen angekündigt, im Mumble gestreamed und anschließend protokolliert. Neben dem offenen GO-Verstoß ergibt/ergab das völlig intransparente ad-hoc-Entscheidungen, wenn überhaupt. De facto gibt es seit der Gründung der LO Kärnten im vergangenen Herbst keine einzige korrekte, protokollierte, nachvollziehbare Entscheidung.

In diesem Konflikt hat die Basis am 16. Dezember des Vorjahres entschieden, indem sie exakt diese Vorstände erneut gewählt hat.

Darauf hin habe ich jede weitere Handlung diesbezüglich eingestellt und alles „passieren“ lassen, ohne Zu- und Widerspruch. Unter anderem auch die Wahl von Monika Welik als neuer Vorstand. In ihrer ersten Wortmeldung vor der GV betonte sie eindeutig „ich habe eine energetische Ausbildung“ und bot jedem von uns an, ihm „zu helfen“. Vielleicht hätte ich da schon etwas sagen sollen, diesen Vorwurf muss ich mir gefallen lassen.

Auch das vorgestellte Projekt „Zauberwald“ ist eindeutig ein rein esoterisches Projekt. Aufforstung per se ist in Österreich kein ökologisches Ziel, da der österreichische Waldbestand seit Jahren beständig wächst. Auch die in der Projektvorstellung behauptete drohende Bepflanzung als Fichten-Monokultur (Brotbäume) ist nicht real, da selbst die stursten Holzbauern Kärntens inzwischen, dank heftigstem Käferbefall, begriffen haben, dass Monokultur bäh ist; die Landwirtschaftskammer propagiert schon seit längerem den klassischen Mischwald. (Alle meine Nachbarn sind Holzbauern, außer einem, der ist Tischler. Erzählt mir was über Holz.) Jedenfalls ist auf der ganzen Seite „Zauberwald“ keine einzige andere Organisation verlinkt (außer PayPal), keine ökologische Zertifizierung, nichts davon. Fragt wahllos $irgendeinen Ökomenschen aus Österreich, er wird euch antworten, dass „Aufforsten“ jetzt nicht so das dringende Ökoproblem Österreichs ist. Möglicherweise ist deshalb auch keiner verlinkt.

Ganz abgesehen vom Umfeld der Seite – das wurde ja schon von anderen thematisiert.

Dass Monika basisdemokratisch einen (den?) Vorstand befragt hätte, ist ebenso nicht wahr, denn erstens sind zwei BV keine qualifizierte Mehrheit und zweitens ist ein Beschluss eine definierte Sache, wöchentlich, in der BV-Sitzung, nachher protokolliert, vorher eingebracht. Zwei BV „im Vorübergehen“ fragen ist von basisdemokratisch ganz weit entfernt.

Daneben gab es sofort die nächste Initiative im lqfb

https://lqfb.piratenpartei.at/issue/show/799.html

extra zu diesem Anlass eingebracht. Das Meinungsbild ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes noch nicht abgeschlossen, aber dennoch ähnlich eindeutig wie das bereits oben erwähnte, ältere & abgeschlossene: Nein, die Partei will das nicht.

Ich habe die Entwicklung dieses Meinungsbildes eine Woche lang verfolgt und dann meine Entscheidung als BV getroffen, den Verantwortlichen für diese Website erst einmal um die Entfernung des Logos zu bitten, um anschließend auf der anstehenden LGV (Samstag, 12. Jänner 2013) eine entsprechende Diskussion zu initiieren. Schließlich können wir uns in der LO Kärnten ja nicht einfach so offen gegen die Bundespartei stellen, das ist satzungs- und statutenwidrig. Oder wir müssen zumindest darüber öffentlich diskutieren, möglichst vor der gesamten Basis. Also LGV.

Mehr habe ich nicht gemacht, alle übrigen Ereignisse sind der Eigendynamik zuzuschreiben, die derartige Auseinandersetzungen bekommen. Die Analyse von 6581 ist da voll auf den Punkt: Es werden lokale Strukturen gefördert und, da wir so knapp an Personal sind, unbeschaut in die Realität entlassen, ohne Kenntnis was ein Pirat genau ist resp. sein soll/möchte, um welche Werte es da geht und was wir explizit nicht wollen.

Zum Beispiel uns in irgendeinen religiösen Bezug einzumischen. Sonst bringe ich morgen den Programmantrag ein, im Namen der Piratenpartei in Jad Vashem Bäume in Erinnerung an die Ermordung Kärntner Juden zu pflanzen. Oder, noch besser: Einen vom Imam gesegneten Erinnerungshain an die ermordeten Muslime von Srebrenica.

Alles sehr ehrenvoll, alles nicht wirklich laizistisch, alles nicht als Programmpunkt für die Piratenpartei geeignet.

„Zauberwald“ war aber als Programmpunkt für die kommende Landtagswahl angesetzt. Und bevor es zu einer Abstimmung auf der LGV kommt, wollte ich den „fait accomplit“ (dass das Sponsorlogo dort stand ohne einen entsprechenden Beschluss) korrigieren.

Das ist auch erfolgt, dass darauf hin alle Beteiligten den demokratischen Diskurs verweigern und beleidigt zurück- bzw. teilweise gleich austreten, ist in der Partei leider traurige Tradition, aber dennoch so. Alles, was ich wollte und will ist eine basisdemokratische, GO- und statutenkonforme, inhaltliche Diskussion über das, was wir Piraten den Kärntner Wählern am 3. März (Das ist in sechs Wochen!) anbieten.

Das als parteischädigend zu bezeichnen finde ich frivol bzw. beschämend, je nachdem wie lustig wir dabei sein wollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jo derfen’s denn des?

Seit Einführung des Euro ist das im Umlauf befindliche Bargeld um das vierfache im Wert gestiegen. Wo genau all diese Euro sind, weiß eigentlich niemand. Die EZB in Frankfurt vermutet, dass ein Teil davon außerhalb der Eurozone kursiert. Zum Beispiel im Kosovo und in Montenegro, wo der Euro ganz offiziell als Landeswährung verwendet wird, ohne dass es eine offizielle Erlaubnis dafür gäbe.

(Dieser Text erschien vor einem Jahr in CASH•FLOW. Mittlerweile ist Milo Đukanović wieder Ministerpräsident von Montenegro und soll sein Land in die EU führen. Der Artikel hat nichts an Aktualität verloren … )

Der jährliche Bericht der Europäischen Zentralbank (EZB) ist  zugegebenermaßen nicht jedermanns Vorstellung einer vergnüglichen Sonntagsnachmittagslektüre. Wer sich jedoch die Mühe macht, das Monster-pdf vom Presse-Download-Server in Frankfurt am Main durchzuforsten, kann ein paar interessante Details ausgraben.

Zum Beispiel die Sache mit den im Umlauf befindlichen Banknoten. Die werden nämlich immer mehr.

Eigentlich sollten sie ja immer weniger werden, schließlich tragen wir, dank stetig steigender Volumina der Kreditkarten-Transaktionen, sich rasant vermehrender Bankomatkassen und des ebenfalls per definitionem bargeldlosen Einkaufens im Internet, das ja angeblich auch stetig wächst, immer weniger Banknoten im Börserl herum. Möchte man annehmen.

Doch dem ist, wie schon erwähnt, offensichtlich nicht so,  denn sowohl die Anzahl als auch der Wert aller im Umlauf befindlichen Banknoten ist stetig steigend. 2002, als die ersten Eurobanknoten ausgegeben wurden, druckten die jeweiligen nationalen Notenbanken insgesamt rund acht Milliarden Stück Banknoten mit einer Gesamtnominale von knapp über 200 Mrd. Euro. Acht Jahre später, Ende 2010, waren vierzehn Milliarden Banknoten im Umlauf, mit einer Gesamtnominale von 840 Mrd. Euro. Das ist, bevor Sie nachrechnen, in etwa eine Verdoppelung der Stückzahl, bei einer Vervierfachung der Nominale. Womit sich die Frage stellt: Wo ist all dieses Bargeld?

Na ja, werden Sie jetzt einwenden, schließlich sind seit 2002 eine Reihe von Länder der Eurozone beigetreten, das hat sicher einiges verändert. Mag sein, erwidert der Statistiker der EZB, aber aus der Wachstumskurve ist das nicht ersichtlich, und eine Vervierfachung erklären die paar Beitritte auch nicht wirklich. Der einzige echte Blip in der sonst linearen Kurve ergab sich im Oktober 2008,  als anlässlich der Lehmann-Pleite der Wert der Noten im Umlauf innerhalb eines Monats um rund 40 Mrd. Euro anstieg: Offenbar hat die Krise einige dazu verleitet, wieder auf Bargeld unter der Matratze umzusteigen.

Und obwohl die Zahlen der EZB auch die Sichteinlagen bei den Banken beinhalten, dürfte das Gros dieses Blips tatsächlich unter diversen Matratzen und in verschiedensten Gurkengläsern zwischen Rovaniemi und  Palermo verschwunden sein, umso mehr, als die EZB in ihrem jüngsten Bericht anmerkt, dass die Mehrheit der damals ausgegebenen Scheine bis heute nicht zurückgekehrt sei, während die „Lebenszeit“ eines normal im Umlauf befindlichen Scheines, vor allem bei niedrigeren Nominalen, bei durchschnittlich achtzehn Monaten liegt.

Doch das erklärt nur einen, noch dazu relativ geringen, Teil des vervierfachten Wertvolumens, wie auch die EZB zugibt. Linear aufgeteilt auf alle Bürger der Eurostaaten ergäbe das einen Barbetrag von 2.300 € pro Bürger, von der Oma bis zum Kleinkind.  Und selbst wenn man die Bargeldbestände der einzelnen Zentralbanken berücksichtigt, schwappt da ziemlich viel Cash durch die Gegend.

Wo genau all dieses Bargeld herumgeistert, weiß im Grunde niemand. Die EZB vermutet, dass rund ein Viertel des Gesamtvolumens außerhalb der Eurozone in Umlauf ist. (Anderen Quellen zufolge ist das noch konservativ geschätzt.) Als Grund nennen die Eurobanker auf ihrer Website „steigenden Bedarf aus osteuropäischen Nicht-EU-Staaten“, deren Währung in der Finanzkrise „gegenüber dem Euro stark abgewertet“ hätten. Wobei unter „osteuropäischen“ Staaten hauptsächlich der Balkan gemeint sein dürfte, wo der Euro nahtlos das Erbe der Deutschen Mark angetreten hat.

Dabei verschweigt das eigene Kapitel „Der Euro außerhalb der Eurozone“ auf dem EZB-Server dezent, dass in zwei Ländern auf dem Balkan – Kosovo und Montenegro, beides Nachfolgestaaten des alten Jugoslawien – der Euro ganz offiziell nationales Zahlungsmittel ist, und es keine eigene nationale Währung gibt. Und zwar ohne dass die EZB oder sonst wie irgend jemand um Erlaubnis gefragt wurde.

Schon im alten Jugoslawien hielt man von der deutschen Währung mehr als vom eigenen Dinar, gespiegelt in dem klassischen Witz: „Frane hat von seinem Onkel in Amerika 50.000 Dollar geerbt.“ „Wie viel ist das in unserer Währung?“ „Na, in etwa hunderttausend D-Mark.“

Die Tradition hat sich bis heute erhalten, schließlich hat Slowenien der Euro schon eingeführt, während EU-Beitrittskandidat Kroatien seinen Bürgern ganz offiziell Bankkonten und Sparbücher in Euro anbietet, die diese auch fleißig nutzen. Größere Summen, etwa für einen Pkw oder eine Immobilie, werden selbst in offiziellen Ankündigungen in Euro angegeben.

In der kroatischen Zentralbank in Agram erklärt man dazu, das sei eine bewusste Maßnahme, um vor allem die Schattenwirtschaft, die sich vor und während des Bürgerkrieges ziemlich breit gemacht hatte, auszutrocknen, schließlich sei es zwar legal, Euro zu besitzen, aber illegal, sie selber in Kune zu tauschen, außerdem entziehe man so dem Schwarzmarkt größere Summen Bargeld, ohne die dieser nur schlecht funktionieren kann.

Genau das, vermuten Insider, habe die Regierungen in Podgorica und Priština bewogen, es anders zu machen. Sprich: Sich statt einer eigenen Währung gleich mit „The Real Thing“ – äh, Währung – zu begnügen.

Beim Kosovo ist das eher verständlich, ist doch die ehemals serbische Provinz heute eine Art Kolonie der Europäischen Union, komplett mit einem EU-Statthalter, der Hoher Kommissar genannt wird. In ihrer ersten Kolonie, Bosnien und Herzegowina, hatte die EU noch eine eigene Währung aufgelegt, die so genannte „Konvertible Mark“, im Kosovo hat man von Anfang an darauf verzichtet. Außerdem kommt die Mehrheit des Staatshaushalts sowieso direkt aus Brüssel, da spart man sich dann auch gleich das Umrechnen.

Im unabhängigen Staat Montenegro, der sich im übrigen friedlich von Serbien gelöst hat und auch mit seiner Anerkennung weltweit keinerlei Probleme hat, ist die Sachlage anders. Um das zu erklären, muss man ein wenig ausholen.

Montenegro ist nicht Italienisch für Schwarze Berge (sonst hieße es Monteneri), sondern Venezianisch, und nur eine Übersetzung des slawischen Crna Gora, das sowohl mit schwarze Berge als auch schwarzer Wald oder schwarz bewaldeter Berg übersetzt werden kann. Ungefähr so stellt sich das Land auch dar: Über der lieblichen Bucht von Kotor erhebt sich ein dunkles, steil aufragendes Bergmassiv, das ziemlich unfreundlich und ziemlich uneinnehmbar aussieht, die Venezianer jedenfalls haben es in sieben Jahrhunderten nicht probiert. Hier ist mit der Tara-Schlucht der tiefste Canyon Europas, während die Täler nur über schmale Bergpässe erreichbar sind. Die Gegend ist im europäischen Vergleich recht dünn besiedelt, Strassen gibt es kaum, und selbst die Einfahrt zur Bucht von Kotor muss man von der See aus in der tief zerklüfteten Küstenlandschaft der südöstlichen Adria erst einmal finden.

Ach ja, und wild romantisch und pittoresk ist es natürlich auch, die Bucht von Kotor gilt unbestritten als einer der hübschesten Orte im ganzen Mittelmeer.

Politisch ist es weniger romantisch, die Macht liegt in Wahrheit bei einer Reihe von Klan-Führern aus den jeweiligen Tälern und Poljes, und die Strukturen sind eher feudal. Dafür hat Montenegro als einziger Nachfolgestaat des alten Jugoslawien eine lange Tradition der Eigenstaatlichkeit und wird seit dem elften Jahrhundert abwechselnd von Königen, orthodoxen Fürstmetropoliten und türkischen Sandschaks regiert und wurde erst 1919 Teil des Königreichs Jugoslawien.

In den Wirren des zerfallenden Jugoslawiens, also in den 90ern des letzten Jahrhunderts, hat sich hier das Zentrum des internationalen Zigarettenschmuggels etabliert. Auch das steht in einer langen Tradition, von der schon Karl May in „Durch die Schluchten des Balkan“ schreibt. Schmuggeln gehört hier zum Alltag.

Es folgt der Auftritt des jugendlichen Herrn Milo Đukanović, 1962 in Nikšić geboren, der wurde 1991 mit nur 29 Jahren Premierminister und 1998 Staatspräsident der Teilrepublik Montenegro. Und 1999 wurde die D-Mark zur offiziellen Staatswährung des – damaligen – Teilstaates der Rest-Bundesstaates Jugoslawien erklärt. Gleichzeitig begann Đukanović, für die Eigenstaatlichkeit Montenegros zu werben.

Böse Zungen haben dafür folgende Erklärung: Đukanović, gegen den in Deutschland und Italien Untersuchungen wegen Zigarettenschmuggels laufen, habe in der Unabhängigkeit einen eleganten Ausweg gesehen: Als Staatsoberhaupt eines souveränen Staates wäre er ziemlich immun. Wegen dem bisserl Zigarettenschmuggel. Und das mit der D-Mark wäre auch einfach zu erklären, denn die emsigen Montenegriner zeigten wenig Lust, den ziemlich elenden Wirtschaftskurs des Slobodan Milošević und den damit verbundenen Fall des Dinar mit zu finanzieren, ausserdem kann man sich mit Dinar auf dem internationalen Schmugglerparkett allenfalls lächerlich machen, aber die D-Mark ist doch was Solides, und praktisch war es auch noch, weil ab da brauchte man nicht dauernd umrechnen.

Irgendwie nahm die Bundesrepublik Deutschland das damals wohlwollend zur Kenntnis, oder es ist einfach nicht weiter aufgefallen, jedenfalls ging es auch international klaglos über die Bühne.

Wie man aus der Geschichte weiß, wurde Montenegro am 3. Juni 2006 ein unabhängiger Staat, während Đukanović, der im Februar 2008 erneut Premierminister geworden war, diesmal eines unabhängigen Montenegro, sich im März 2008 einer Untersuchungskommission in Bari in Italien stellte, die zu einem Ergebnis kam, das nie veröffentlicht wurde.

Nach wie vor gibt es unappetitliche Gerüchte über den Schmuggel von Menschen, Waffen und Narkotika sowie ein paar Auftragsmorde, unter anderem an Duško Jovanović, Herausgeber der regierungskritischen Zeitung Dan. Egal. Seit 2010 jedenfalls ist Igor Lukšić Premierminister, und das ehemalige ZK-Mitglied der jugoslawischen Kommunisten, Milo Đukanović, ist in die politische Pension verschwunden, mit knapp fünfzig Jahren ruht er sich auf dem Lorbeer aus, Montenegro in die Unabhängigkeit geführt zu haben.

Ach ja, ich vergass es zu erwähnen: Als die D-Mark in den Euro aufging, nahm Montenegro selbstverständlich auch den Euro an. Und das ging ebenfalls ohne gröberen außenpolitischen Schluckauf über die Bühne.

Das würde, wenn man es konsequent durchdenkt, natürlich einen Großteil des physischen Verbleibs eines Viertels des Bargeldumlaufs der Eurozone erklären, und auch sein stetiges Wachsen: Offenbar gehen die Geschäfte gut. Inwieweit die kalabrische N’Drangheta, schließlich keine zweihundert Kilometer entfernt am anderen Ufer der Adria, mit von der Partie ist, will niemand sagen, außerdem gilt selbstverständlich für alle Beteiligten das Unwort dieses Jahrzehnts, nämlich die Unschuldsvermutung.

Mittlerweile verdient Montenegro sein BNP offiziell hauptsächlich aus dem Tourismus, schließlich ist es in Kotor ja wirklich hübsch. Die Mehrheit der Touristen besteht aus Russen, die die cyrillischen Aufschriften ebenso schätzen wie das orthodoxe Weltbild, alles wie zu Hause, nur das Wetter ist deutlich besser, und man zahlt alles in Euro, auch die eigenen Bankeinlagen. Die Mehrheit der besten Grundstücke entlang der pittoresken Küste ist längst fest in russischer Hand, heuer im Sommer ankerten vor Kotor schon die dicken Yachten, die so groß sind, dass sie nicht in der Marina anlegen können, sondern nur am Kai der Fähre. Und wo dann für die Dauer von zwei Stunden zehn finster blickende Matrosen Wacht halten, bis die 70-Meter-Yacht wieder auf Reede geht. Adriatischer Alltag 2011.

Selbstverständlich ist Montenegro längst offizieller Kandidat zur Aufnahme in die EU, auch um die entsprechende NATO-Mitgliedschaft ist man bemüht, sieht alles ganz rosig aus.

Und an der Grenze herrscht, vor allem für Touristen, ein strenges Regime: Alle Barmittel über 3.000 Euro müssen bei der Einreise angemeldet werden, ebenso alle Kredit- und Bankkarten, die zur Bargeldabhebung an den lokalen Bankomaten – in Euro, selbstverständlich, in was denn sonst – berechtigen. Weil sonst darf man weder Karten noch Bargeld wieder ausführen. Wäre ja noch schöner, hier.

Die Rückkehr der Pechtra Baba oder Die Kunst des Weglassens als Ausdruck des Kärntner Seins

 

Gestern Abend bin ich wieder einmal im Lehnsessel eingeschlafen und nicht, wie sich das für einen anständigen Bürger gehört, im Bett, möglichst ausgezogenerweise. Also mit einem züchtigen Schlafanzug, natürlich, weil das nackert schlafen gehört sich ja auch nicht. Das macht die Bettwäsche so schmutzig, hat schon meine Mami gesagt. Und außerdem: Es gehört sich einfach nicht.

Egal. Eingeschlafen bin ich, weil ich so angestrengt nachgedacht hatte, über das Wesen des Kärntner Seins. Oder, wie das bei Thomas von Aquin schon heißt, das Seiende an sich. (Oder war das bei Heidegger?) Egal, jedenfalls denke ich schon seit Langem darüber nach, was denn das ausmacht. Das Sein nämlich, das Kärntnerische. Oder, um es einfacher zu sagen: Was macht Kärnten eigentlich aus?

Ein Punkt ist ganz sicher das Weglassen.

Am Schönsten demonstriert sich die Kärntner Kunst des Weglassens in der Sprache. (Ich weiß, ich hab’ das schon mal geschrieben. Aber es stimmt noch immer.) Also Sprache. Zum Beispiel in: Muass Klognfuat foahn. (Man verzeihe mir, dass ich Fremdländer kein fließendes Kärntnerisch zusammenbringe.) Das hochdeutsche „Ich muss nach Klagenfurt fahren“ braucht fast doppelt so viele Worte.

Oder auch, in der besonderen Kombination von „ane“ als Bezeichnung für mehrere: Brauchts ane Untatatzalan oda tans Schalalan aa?

Irgendwie erinnert mich das immer an die berühmten Kinderfragen: Papa, deaf i Kaugummi? Ja, was jetzt? Haben? Werfen? Auf den Bauch picken?

Unlängst wieder im Supermarkt: „Mama, deaf i Kaassemmale?“

Dieses subtile Weglassen nicht wirklich benötigter Dinge, weil in Wirklichkeit ja eh’ jeder weiß, was gemeint ist, schließlich will das Kind die Kaassemmale erstens bekommen und zweitens essen, und zwar jetzt, was haben Sie sich denn sonst gedacht? Also diese feinfühligen Einsparungen von Dingen, die sowieso jeder weiß, hat die Kärntner Politik auch übernommen.

Zum Beispiel bei der Budgetkontrolle. Es weiß eh’ jeder, dass die Landesregierung alles, was sie tut, zum Wohle des Landes Kärnten tut, also wozu noch aufwendig kontrollieren, kost jo lei no mea Göld.

Oder so in etwa.

Das erklärt den Umgang mit den Landesfinanzen, wie er auch beim Scheiß-Dich-nicht-an-Birni-Prozess zu Tage kam.

Kein Wunder, dass da inquisitive Staatsanwälte ebenso wie naseweise Journalisten schlecht ins Bild passen bzw. als nestbeschmutzende Einmischung von außen empfunden werden. Zumindest von denen, die täglich alles nehmen – äh – geben, um dem Volk zu dienen. Oder so ähnlich.

Folgerichtig sagte Richter Manfred Herrnhofer bei der Urteilsverkündung so etwas wie die politische Schuld läge mehrheitlich bei dem, der vor seinem Tribunal nicht mehr verfolgt werden könne. So gesehen ist er nicht vom Himmel gefallen, sondern schwebt als schmierig grinsender Geist über all jenen Morasten und Sumpftümpel, in deren schlierigen Oberflächen er sich spiegelt.

Christian Rainer, diese fleischgewordene Apotheose der Selbstdarstellung, der Kollege von der Bobopostille profil, zweifelt in aller Öffentlichkeit an, dass Kärnten überhaupt reformierbar ist.

Und auch die Presse, wenngleich um vieles höflicher, zweifelt mit. „Mangels eines Gegenentwurfes“, so schreibt sie, sehe man keine Alternative.

So was ist alles nicht förderlich für einen gesunden Schlaf, selbst im besten aller Lehnsessel, also bin ich wieder aufgewacht.

Und da war sie wieder, die Perchtl, die Pechtra Baba, bei mir auf Besuch. Schiach wie ein Untersuchungsausschuss ist sie ja schon, die Baba. Aber ich fürcht’ mich da überhaupt nicht mehr.

„Baba“, sag’ ich, schon ganz vertraut, „was willst Du denn jetzt wieder?“

„Ich will Dich erschrecken.“

„Nach dem Birni-scheiß-dich-nicht-an-Prozess soll’ ich mich noch vor was schrecken?“

Sagt die Baba: „Es geht immer noch schlimmer.“

„Klar“, sag’ darauf ich, „zum Beispiel bei diesem Tillo …“

„Bei wem?“

„Na, dem Tillo Berlin.“

„Der hat nur ein l.“ Sagt jetzt die Baba.

„Bist Du da sicher?“ Sag ich.

Sagt sie: „Da bin ich mir ganz sicher.“

„Ich bin mir auch ganz sicher“, sag’ ich jetzt, „dass er als Vorstandsvorsitzender der Hypo Alpe Adria, so mit Prämien und allem, drei Millionen Euro bekommen hat.“

„Der war doch nur knapp zwei Jahre dort Chef?“

„Ja, genauer 23 Monate. Und wenn man das umlegt, so mit Montag bis Freitag und alle Feiertage, dann hat er pro Arbeitstag über 6.500 Euro bekommen.“

Die Baba pfeift anerkennend durch ihre schiefen Vorderzähne. „Das ist nicht schlecht. War der so gut?“

„Kommt drauf an. Für die Bank nicht. Die schrieb zu der Zeit hohe Verluste und musste vom Staat mit Kapitalzuschüssen unterstützt werden. Das hat den Herrn Berlin nicht daran gehindert, 600.000 Euro Bonus einzustreifen.“

Die Baba scheint beeindruckt.

„Das geht noch besser.“ Langsam gewinne ich die Oberhand. „Aber man darf nicht immer nur nach Kärnten schauen. Im schönen Oberösterreich sind sie auch nicht schlecht unterwegs. Dort hat die Stadt Linz zwei Bilder von Schiele und eine Klimt-Zeichnung verschlampt.“

„Was heißt verschlampt? Das sind ja Kunstwerke, die für viel Geld gehandelt werden.“

„Eh. Das hat die Stadt Linz, respektive die Neue Galerie, die der Stadt gehört, aber nicht wirklich gehindert. Die hat sich Schieles Aquarell „Junger Knabe“, das Ölgemälde „Tote Stadt“ sowie eine Klimt-Zeichnung mit dem Titel „Zwei Liegende“ 1951 von der damaligen Besitzerin ausgeborgt. Ganz legal, mit Übernahmebestätigung. Und heute sind die drei Werke einfach unauffindbar. Futsch. Gone. Disparu. Die Erben fordern rund 7 Mio. Euro. Und das könnte es die Stadt auch kosten. Steuergeld. Stell’ Dir vor, was man damit alles hätte machen können.“

„Ein teureres Birnbacher-Gutachten?“ schlägt die Baba vor.

„Geh’, Baba, sei ein bisserl ernster.“

„Dann schreck’ mich halt noch ein bisserl mehr.“

„OK“, sag’ ich jetzt, da kann ich noch einen drauf setzen. „Der Helmut Elstner will 1,8 Milliarden Dollar Schadenersatz.“

Jetzt ist es mir gelungen. Die Baba starrt mich sprachlos an.

Schließlich sagt sie: „Wie bitte? Von wem?“

„Von so ziemlich jedem, der ihm eingefallen ist. Elsner hat in New York eine Betrugsklage eingebracht gegen BAWAG-Eigentümer Cerberus, Ex-ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer, Ex-BAWAG-Chef Ewald Nowotny, Ex-BAWAG-Aufsichtsrat Erich Foglar, Ex-BAWAG-Vorstand Stephan Koren, den früherer BAWAG-Treasurer Thomas Hackl sowie die Ex-Refco-Chefs Phillip Bennett und Tone Grant und BAWAG-Anwalt Markus Fellner. Man habe ihn betrogen, und er fordere Schadenersatz.“

„In der Höhe von …“ Die Baba ist noch immer verduzt.

„Einskommaacht. Milliarden. Zwar nur US-Dollar, aber das ist dann auch schon wurscht.“

Und jetzt, so denk’ ich mir, geb’ ich ihr den Todesstoß. „Und der – äh – der Dingsbums …“

„Der wer … ?“

„Na, der Altherrenfaschist, aus Kanada, Du weißt schon …“

„Nicht“ schreit die Baba jetzt, „untersteh’ Dich und nenn’ seinen Namen. Das bringt Unglück.“

„Wurscht, er fällt mir eh nicht ein. Na, jedenfalls hat der seine neue Partei vorgestellt. Ohne jeden störenden Inhalt, aber mit sehr viel Pathos.“

„Ja, und? Die anderen Parteien sind inhaltsvoller?“

„Eh’ nicht. Aber am letzten Sonntag hat man ihn – in dieser Sendung Tick, Trick und Track interviewen Onkel Dagobert – gefragt, warum er so viele Politiker in seinem Unternehmen beschäftigt hat. Und da hat er gesagt – wörtlich – die seien eh’ nicht so schlimm, die müsse man nur umerziehen.“

Die Baba schweigt und schaut mich an.

„Umerziehen“, sag ich jetzt und schaue zurück. „Das hat so einen faulen Beigeschmack, das ranzelt so … wie soll ich sagen … “

„Und das ist keinem aufgefallen?“ unterbricht die Baba.

„Offenbar nicht, obwohl’s ja eigentlich eine Steilvorlage ist. Aber vielleicht braucht die keiner, weil wenn er so weitermacht, demontiert er sich eh’ selber.“

„Sag’ das nicht. Der könnte über zehn Prozent der Stimmen bekommen.“

„Was? Du glaubst wirklich, der – Dingsbums – na, ah ja, jetzt fällt er mir ein, der Stronach …“

Da stosst die Baba einen ganz schrillen Schrei aus und verschwindet in einer Wolke aus Ruß und Schwefel.

Und von dem Schrei bin ich dann wieder aufgewacht.

Schade.

Ich hätte sie noch so gerne gefragt, ob sie wirklich daran glaubt, dass der Herr – äh, Dingsbums aus Kanada, also ob der tatsächlich etwas reissen wird, bei den Auftritten, die er liefert.

Und ob sie auch glaubt, dass die Grünen in Kärnten Leute suchen, die bei der nächsten Landtagswahl ihre Infostände betreuen sollen. Gegen Geld. Also gegen Entgelt. Weil jetzt haben sie doch eh’ so viel Geld, nach der Erhöhung der Parteienföderung. Aber vielleicht ist das alles nur eine böse Unterstellung. Deshalb hab’ ich sie ja auch fragen wollen … jetzt ist sie weg. Und ich bin wieder allein.

Aber dass die Grünen in Kärnten, trotz  mehrmaliger Bitte, mit uns immer noch nicht reden, das kann ich bestätigen. Offenbar sind Piraten nicht satisfaktionsfähig, oder irgendwie so.

Der neue SPD-Spitzenkandidat in Deutschland – wie bitte? Ja, genau der, der die Schweiz mit der afrikanischen Stadt Ouagadougou verglichen hat, also der weltgewandte Herr Steinbrück, hat ja auch schon öffentlich angekündigt, egal wie die nächste Bundestagswahl ausgeht, mit den Piraten rede er nicht, „Die Piraten werden nicht regieren wollen – und könnten es auch nicht“, sagte er der „Welt am Sonntag“ am vergangenen Wochenende.

Ich denke mir, die sollten wir alle eines Besseren belehren.

 

PS: Haben Sie jetzt in Wikipedia unter Heidegger nachgeschaut, oder Thomas von Aquin? Ja, ja, das ewige Bildungsbürgertum. 🙂

Die Gruselgeschichte von der Pechtra Baba oder Man wird ja noch träumen dürfen

 

Gestern abend bin ich vor dem Fernseher eingeschlafen. Mit all der Aufregung über
U-Ausschuss wird abgedreht oder nicht, Kollegin Schramm, die fleischgewordene Peinlichkeit, steht im Shitstorm, Charlie Hébdo veröffentlicht neue Karikaturen des Propheten – äh – Dingsbums, EU-Anwärter Kroatien will den Euro möglichst bald einführen (san de deppat?) – kurzum, mich hat die Aufregung überwältigt, vielleicht auch das kleine Bier. Also eingeschlafen.

Wie ich wieder aufwache, sitzt eine neben mir, der tät’ ich im Dunklen nicht begegnen wollen, so hässlich ist die. Irgendwie denk ich mir – nach so einem Tag! – nix weiter dabei, schließlich hab’ ich öfters seltsame Gäste.

Sag’ ich dann doch zu ihr: „Wer bist Du denn?“ Sagt sie: „I bin die Pertchtl.“

Ich, Zuagroaster aus dem feindlichen Ausland (aka Bundeshauptstadt), hab’ natürlich keine Ahnung. Und sag’ das auch. Sagt sie: „Die Pechtra Baba, na slovensku …“

„Das kann ich auch nicht“, sage daraufhin, wahrheitsgemäß, ich. „Egal“, sagt die Baba jetzt, „ich bin gekommen, Dir eine Geschichte zu erzählen. Eine grausliche, denn Du sollst Dich fürchten vor mir …“

Und dann hat sie mir eine Geschichte erzählt, die Pechtra Baba.

Die Geschichte geht von den wackeren Kärntner Roten und der schönen Zeitung, die sie Jahrzehnte lang hatten, zu einer Zeit, in der sie noch kleine rote Papiermarkerln in die Parteibücher geklebt haben, als Nachweis des Mitgliedsbeitrages … „ja, Baba“ sag’ ich dann, „und der Kreisky ist auch schon lange tot. Komm’ zur Sache.“

Die Pechtra Baba schaut mich erbost an, weil ich so respeklos rede mit ihr, und lässt sich nicht beirren. Und erzählt weiter, wie der Fortschritt ins Land Einzug gehalten hat, und wie daraufhin die Roten die schöne Zeitung heruntergewirtschaftet haben, so dass am Ende sie keiner mehr lesen, geschweige denn abonnieren wollte, und daraufhin die Werbekunden … „Baba“, sag’ ich jetzt, „die Roten haben ihre Zeitungen alle an die Wand gefahren, überall, auch in Frankreich und in Deutschland. Also erzähl’ mir was Neues.“

Potschasne“, sagt die Baba jetzt, „es ist erst vorbei, wenn die dicke Dame singt.“ Und dann erzählt sie mir, dass die Roten am Ende so verzweifelt waren, dass sie sie verkauft haben, die schöne Zeitung, samt dem Verlagshaus und der Druckerei. An einen erfolgreichen Villacher Geschäftsmann, der in Werbung macht, und ein bisserl in Grundstücken, und so. „A gstondana Untanehma, holt“, sagt sie dann, und grinst mich an.

Und erzählt, wie der Betriebsrat und die Chefredaktion besorgt waren, dass die Blattlinie … eine linksliberale, also etwas in Kärnten sehr verbreitetes … und der erfolgreiche Unternehmer hat ganz viel versprochen, und es werde keine Änderungen geben.

Und dann hat er es noch präzisiert, der erfolgreiche Unternehmer, in einem Interview mit einer anderen Zeitung. Da hat er gesagt: „ Wenn ein Journalist Material hat, soll er wen abflaschen. Mir is’ das egal. Ich will, dass wir eine gute Zeitung machen und nicht unter der Gürtellinie angreifen – das ist meine Grenze. Aber die Redaktion macht ohnehin, was sie entscheidet. Nur mitdiskutieren darf ich als Eigentümer noch – oder?“

Also ganz die Position des verantwortungsbewussten, nachhaltigen Unternehmers. Und dann hat er seinen Vater noch zum Prokuristen gemacht, der erfolgreiche Unternehmer, damit er wenigstens ein bisserl noch die Kontrolle hat, oder?

Leider war die Zeitung zwei Jahre später schon wieder pleite. Und dann gab es so was Unanständiges wie einen Konkursantrag, noch dazu von der Gebietskrankenkasse, es war allen echt peinlich. Heuer, Anfang Juni, am Bezirksgericht Klagenfurt Stadt.

Der Antrag sei „völlig überraschend gekommen“ für ihn, hat er gesagt, der erfolgreiche Unternehmer. Und dann passierte Seltsames: Dann kam ein anderer erfolgreicher Unternehmer, diesmal aus dem Oberland, der macht sein Geld in – erraten – Immobilien, und auch in Spielgemeinschaften, und mit dem anderen erfolgreichen Geschäftsmann, dem Villacher, vertreibt er zusammen auch diese neuen elektrischen Zigaretten. Nicht fragen, Sie wollen’s nicht wissen. Jedenfalls der aus Oberkärnten hat die Schulden von der Tageszeitung bei der Gebietskrankenkasse gezahlt, und da war man dann allgemein froh.

Und noch eine Woche später – da hatte der erfolgreiche Villacher den anderen Zeitungen schon erzählt, der erfolgreiche Oberkärntner habe keinerlei Geschäftsbeziehung mit dem Verlag – da war der erfolgreiche Oberkärntnter Unternehmer auch schon Mehrheitsbesitzer an einem Tochterunternehmen der Zeitung, nämlich den – an sich nicht ganz so maroden – Bezirksblättern.

Wo all das schöne Geld herkam, darf gerätselt werden. Ich mein’, für Kärntner Verhältnisse sind 240.000 Eumels ein Waukerl, da scheißt sich selbst der Birni nicht an, aber so auf die Schnelle, jetzt, hier, in bar … auch nicht so wenig, dass es aus der Portokasse genommen werden könnte. Aus den Bilanzen der Zeitung jedenfalls auch nicht, deren letzte aus 2010 weist 922.698,86 Euro Verbindlichkeiten, einen Bilanzverlust von 524.302 Euro und 371.586,53 Euro negatives Eigenkapital aus, also nicht wirklich berauschend.

„Aber da gibt es noch einen“, sagt die Pechtra Baba jetzt und grinst ganz hinterhältig, „der hat viel Geld, sehr viel Geld, und der will jetzt bei der kommenden Landtagswahl mitspielen, und da wäre eine Zeitung doch gerade recht … möglichst ohne eine offene Übernahme, von wegen dem Wirbel und der Medienbehörde warat’s, die in solchen Fällen ja mitreden will … und das bisserl Widerstand aus der Redaktion, das kriegen wir auch noch hin, schließlich sitzt das Herz links, aber das Geldbörserl sitzt rechts.“

„Ach ja“, sag’ ich. Und: „Das sind doch alles nur Spekulationen.“ Sag’ ich. Und: „Du hast absolut keine Beweise.“

„Ach“, sagt die Pechtra Baba dann, „und dass jetzt der Vater des erfolgreichen Unternehmers aus Villach – der mit der Prokura im Verlag – jetzt sein Wahlkampfleiter geworden ist, ist ein Zufall, ja?“

„Nein, was es doch für Zufälle gibt, sagt sie noch, und jetzt grinst sie direkt diabolisch. „Und, stell’ dir vor, er macht es ehrenamtlich. Was für eine Ehre. Und seine Prokura hat er selbstverständlich zurück gelegt.“

„Was“, sag’ ich jetzt, erstaunt, „der Alte ist jetzt Wahlkampfleiter beim … “

„Nicht!“ schreit die Baba jetzt, „nicht sag’ seinen Namen, „den darf man nicht aussprechen, sonst … “ zu spät.

„Frank Stronach“, sag’ ich jetzt, und die Baba schreit ganz fürchterlich laut, und es stinkt nach Schwefel, davon bin ich wieder aufgewacht. Und was dann passiert, werden wir nie erfahren. Weil: es is eh‘ nix passiert.

Und dann war gottseidank alles wieder normal. Der U-Ausschuss wird nicht eingestellt. Charlie Hébdo ist nicht abgefackelt worden, Frau Schramm ist noch immer eine blöde Kuh, und selbstverständlich ist die KTZ eine linksliberale Zeitung geblieben. *muhahahaha* Und alles Andere ist nur geträumt. Da hab’ ich nix versäumt.

Und das von der Hypo Alpe Adria Bank, die jetzt vom Staat Schadenersatz einklagen möchte, weil sie bei der Notverstaatlichung um vermögensrelevante Werte gebracht worden sein will, das habe ich natürlich auch nur geträumt. Gottseidank.

Äh – nein?

Ganz lange Pause.

Hallo, Nobelpreis-Komitee? Haben Sie auch einen Nobelpreis für Chuzpe? Also, ich möchte da einen Vorschlag machen …

 

Ergänzung am Di. 13.11.2012:

http://derstandard.at/1350261198868/Kaerntner-Team-Stronach-trennte-sich-von-Wahlkampfleiter

Ging eigentlich erstaunlich schnell.

Ahoi, Kameraden oder Warum ich jetzt Bezirksparteiobmann geworden bin

 

Ich bin nicht mehr der Jüngste, darüber brauchen wir erst gar nicht diskutieren.

Ich habe viel erreicht und habe oft versagt, ich habe viel gesehen und viel gelernt, und manchmal kommen so Augenblicke, da hat man das Gefühl, jetzt sei wieder einmal eine Zwischenbilanz notwendig.

In all diesen Jahren hab’ ich an vielen verschiedenen Orten auf diesem Globus gelebt, daneben aber immer wieder in einem Land, in dem es tatsächlich einen funktionierenden Gesellschaftsvertrag gab, einen halbwegs erträglichen, und das mich als Mitglied akzeptiert. Von wegen Gnade der Geburt und so, ich bin halt da geboren. Und da hat man mich zwölf Jahre in die Schule gehen und dann auch noch studieren lassen, zehn Jahre lang, und das für lau, das kann auch nicht jeder von sich sagen. Später durfte ich dann den Beruf ausüben, den ich mir ausgesucht hab, ich hab’ hier Kinder in die Welt gesetzt und sie erwachsen werden gesehen – kurzum: Meine Heimat Österreich war immer so eine Art sicherer Schutzhafen, wo man mich versichert und krankheitsmäßig immer (wieder) ordentlich zusammengeflickt hat, wo ich immer zurück kommen konnte, egal aus welchem Winkel dieser Erde, so was ist an den deprimierenderen Orten dieser Welt höchst tröstlich. Und überhaupt.

Und manchmal überkommt mich so das Gefühl, ich sollte vielleicht jetzt noch was zurück geben, dieser Gesellschaft, die ihren Teil des Vertrages bisher ganz anständig erfüllt hat. Weil sehr viel später als jetzt ist leicht möglich, dass nix mehr wird, um es auf Kärntnerisch auszudrücken. Das also erstens.

Und kärntnerisch wohl auch, weil die beste aller Ehefrauen … und jetzt lebe ich eben in Kärnten.

Ja, das ist nicht immer so einfach. Und hat eigentlich eher wenig damit zu tun, dass ich Wiener bin oder zumindest dort geboren, was man an meinem Zungenschlag, zumindest in Deutsch, bis an mein Lebensende hören wird. Na ja, egal, Karntn eben, schön guttural hinten aussprechen, aber nicht so weit hinten wie die Tiroler … egal. Wird eh’ nix.

Die Sprache ist nicht das einzige Gewöhnungsbedürftige, in Österreich südlichstem Bundesland. Obwohl sie echt interessante Aspekte hat, zum Beispiel die des Auslassens. So wie in: Weasd dånn Klågenfuad gehn? Jo, lei no kamod Mahd mochn. Für mich, des lokalen Zungenschlags nicht so mächtig, ist so was eine echte Kommunikationshürde.

Den politischen Alltag, also den in Kärnten, wollen wir – wenn wir schon von gewöhnungsbedürftig reden – erst gar nicht erwähnen, schon von wegen gar nicht so viel essen können wie kotzen wollen. Das also zweitens, die Details erspare ich dem geneigten Leser und mir hier, weil unappetitlich und überhaupt und außerdem weiß eh’ jeder.

Übrigens und außerdem wird mir dafür erst jetzt so langsam klar, dass ich meine nächste Landtagswahlstimme nicht mehr in Wien, sondern in Kärnten abgeben werde, weshalb sich mir eine ganz konkrete Frage stellt, abseits aller Schriftstellereien und fröhlichem Wortgeschmiede. Nämlich: Wen, oder von mir auch auch was, wählen?

Da werden Luft ebenso wie Schmäh sehr schnell sehr dünn.

Gehen wir es einmal ganz pragmatisch von oben herunter: Die *spuck* Blauen kann man erstmal streichen, ebenso das orangene Pendant. Die Schwarzen? Are you kidding? Die Roten? In Kärnten? Die mit dem Landeshauptmann Wagner den Grundstein gelegt haben für das ganze hier, Jahrzehnte lang? Und die heute noch mit packeln? Sorry, Genossen, no way.

Dabei, nur so als extempore: Ich bin ja mit dem Seppi Cap in die Volksschule gegangen, gemeinsam ministriert hamma auch, beim Studieren haben wir uns wieder getroffen, er beim – damals noch wilden – VSSTÖ, und ich gebe zu, ich habe ihn damals auch gewählt. Und wenn ich mir anschau‘, heute … es ist echt ein Jammer. Soviel zu den Sozis.

Den Stronach? Really? Are you serious? Ah ja, eh‘ nicht.

Und dann?

Dann bleiben noch die Grünen.

Lange Pause.

Jetzt schaun s’ ned so betreten, ich mag die eh’ auch nicht. Aus verschiedenen Gründen, wahrscheinlich andere als die Ihren, aber Gedanken sind bekanntlich frei.

Hauptsächlich kann ich mit den Grünen deshalb so schwer, weil mich ihre grundsätzliche Technophobie stört. Ich bin ein alter Hippie, für uns war Technologie immer ein Teil der Lösung, nicht ein Teil des Problems. Das Problem lag immer in der Anwendung. Doch dann kam Three Mile Island, und dann kam Tschernobyl, und seither ist Technik eher etwas Unanständiges geworden.

Oder, wie ein Kollege jüngst gepostet hat: „Früher standen die Grünen für Doors hören und dogmatisch sein. Heute haben sie das mit den Doors halt aufgegeben.”

Das hat sicher auch etwas mit diesem neuen Biedermeier zu tun, dieser Landleben-Euphorie, der ich, obwohl ich jetzt bei den Bauern im Kärnter Unterland lebe, nicht sehr viel abgewinnen kann. Eigentlich gar nichts, denn es ist so fake, dass es schmerzt. Aber den Leuten gefällt’s. Egal: Ich glaube nicht daran. Die Hälfte der Menschheit lebt schon heute in Städten, das ist ein langfristiger Trend, wo der aufhören wird, weiß man nicht so recht, aber ohne High-tech wird das nicht abgehen, so weit ist das heute schon klar.

Und wir werden daher die Probleme dieser Zukunft nicht mit silofreien Milka-Kühen auf glücklichen Bio-Wiesen lösen (Nur mit Kuhscheiße gedüngt? Ja natürlich!), auch nicht gentechnikfrei, was immer das genau bedeuten mag. Egal, darüber ließe sich noch diskutieren, aber über diese kategorische Ablehnungshaltung eben leider nicht. Oder, um es kurz zu fassen: Mit der Müslifaschisten-Fraktion bei den Grünen kann ich echt nicht. Sorry, Freunde, ich respektiere eure Meinung respektive Haltung, aber mitmachen? Nein, danke.

Dann könnte man noch argumentieren, so einer wie Du sollte die Realo-Fraktion unterstützen, genau solche wie Dich brauchen wir.

Also gut, schauen wir uns die Kärntner Grünen an.

Die sitzen schon seit zwei Legislaturperioden im Landtag. Und nu, Oskar? Viel bewegt haben die dort nicht. Mir ist jedenfalls keiner aufgefallen.

Dafür haben sie jetzt den Herrn Holub recycled, der tritt jetzt als der nächste große Aufdecker auf, sozusagen als Peter Pilz von Kärnten, als Johanna von Orléans für Arme (aka die Steuerzahler), oder lieber als die Heilige Johanna der Schlachthöfe? (Oder doch Johanna die Wahnsinnige?) Jedenfalls will er „jedes Dokument, dass die Brüder Scheuch nicht geschreddert haben, nachprüfen.“ Wenn ich mir so die Arbeit der Korruptionsstaatsanwalt anschau’, wird der Herr Holub dafür mehr als eine Legislaturperiode brauchen, um zum regieren wird er auch nicht viel kommen, obwohl er in die Landesregierung will. Und dort wäre einiges zu machen, die Schulden des Landes Kärnten etwa, die in den letzten fünf Jahren um 100 Prozent gestiegen sind – man liest richtig, sie haben sich verdoppelt. Aber Wirtschaftskompetenz ist traditionell bei den Grünen nicht wirklich zu verorten, würde mein alter Professor sagen, aka davon haben sie nicht so viel Ahnung. Oder es ist ihnen wurscht. Und außerdem: Kapitalismuskritik ist viel lustiger, und schick isses auch noch, also was jetzt?

Mmh.

Ich bin dann doch Wirtschaftsjournalist, wenngleich ein eher linker. Also diese seltene, weil gern unterdrückte Spezies von einem Sozi, der auch was von Wirtschaft …

Hab’ ich schon gesagt, dass ich die Grünen dann doch auch nicht … ?

Und nu?

Hier wird’s eng.

Die meisten der Freunde, die mir bis hier gefolgt sind, gingen anschließend in die innere Emigration. Das wollte ich nicht.

Bleibt nur: Selber was machen. Oder hat wer einen anderen Vorschlag?

Und dann gibt es eben die Piraten. (Jetzt isses raus. Egal, dass ich die mag, hab’ ich hier schon geblogged, also darf das nicht so überraschen.)

Also gut, schauen wir uns die Piraten an.

Wie gesagt, ich schrub das hier schon: Hoffentlich gelingt den Piraten mit der digitalen Revolution, was den Grünen mit der Ökologie geschafft haben, nämlich im politischen Mainstream anzukommen. Weil das eine ebenso wichtig ist wie das andere. Und dabei /müssen/ die so sein, wie sie sind, weil sonst kann das nicht funktionieren.

Daneben fordern sie noch ein paar Dinge, mit denen ich gut kann. Die Entkriminalisierung von Drogen etwa, das fordert auch der britische Economist, weil nur das der weltweiten (und immer bedrohlicher werdenden) Drogenkriminalität die Existenzgrundlage entzieht, im Grunde eine alte Forderung, muss man immer wieder stellen. Nur wer Süchtige als Kranke sieht, hat eine Chance, der Situation Herr zu werden.

Und dieses bedingungslose Grundeinkommen, häh? Das ist doch pure Sozialromantik, ist das. *börp*

Nein, ist es nicht. In Wirklichkeit gibt es so etwas Ähnliches schon, es heißt Grundsicherung. Aber es ist kein Recht, sondern eine Gnade. Eine soziale Gnade Deiner Heimatgemeinde.

Würde man alle diese Gelder, die man da heute ausgibt, zusammenfassen, wäre das durchaus finanzierbar. Und als Denkansatz ist es politisch interessant: Sozial Handeln als Rechtsprinzip, nicht als Gnadenprinzip, das gefiele mir.

Kurzum: Ich kann mich mit dem Piratenkodex durchaus identifizieren.

Und dann gibt es noch ein paar Aspkte, zum Beispiel die Arbeitsgruppe KMU, oder der Einsatz für freie Mitarbeiter, vor allem in den Medien, und noch ein paar so Sachen.

(Kommen Sie doch öfter hier vorbei, dann können Sie noch viel mehr darüber erfahren. </Werbung>)

Und deshalb bin ich den Piraten beigetreten.

Eigentlich war das schon im Oktober 2010, und damit bin ich wahrscheinlich der dienstälteste Pirat in Kärnten, aber irgendwie war das mit den Piraten in Österreich nicht so, wie es sein sollte, und deshalb war da eine Zeitlang nix.

Doch jetzt gab es den konstituierenden Landesparteitag, und seither bin ich aktiv. Und zum Bezirksobmann Kärnten Unterland gewählt worden. Und mache erstmal die Pressearbeit. Und, wenn wir schon dabei sind: Das heisst jetzt Landesgeneralversammlung. Damit es sich von den anderen Parteien abhebt.

Irgendwie würde mir ja gefallen, wenn bei der nächsten Landtagswahl /sowohl/ die Piraten als auch die Grünen in den Landtag kämen. Obwohl, sicher ist das beileibe nicht. Aber möglich wäre es. Vielleicht könnte man dann tatsächlich etwas bewegen *träum*

Ich sagte ja schon, ich bin ein alter Hippie.

Habe ich schon erwähnt, dass die Grünen bei der exorbitanten Erhöhung der Parteienförderung in Kärnten  im Landtag mitgestimmt haben? Dafür, nämlich. Die Unschuld haben sie damit jedenfalls verloren, meine grünen Freunde. Mal schauen, ob sie bei der (dann doch) geplanten Rücknahme auch mit Ja stimmen werden.

Ach ja, Rolf Holub, Spitzenkandidat der Grünen, verweigert im Moment den Piraten den Dialog. Sprich: Früher hat man gerne und viel miteinander geredet, und mehr. Aber jetzt laufen die Piraten auf seiner Sekretärin (sic!) auf. Ein Schelm, wer Schlechtes davon denkt.

Na ja, hoffen wir, dass das noch was wird.

Ich werde berichten.

Die Regierenden sind zu alt oder Warum es nicht reichen wird, nur dagegen zu sein

Können Sie sich noch erinnern, als die Grünen zum ersten Mal in ein Landesparlament einzogen? Es war 1979, vor genau 32 Jahren, da schaffte sie es in Bremen erstmals in eine Legislative.

Die müssen sich damals ähnlich gefühlt haben wie die Jungs von der Piratenpartei, die unlängst in Berlin staunend und mit großen, aufgeregten Kinderaugen durch das Rote Rathaus gingen, in dem sie jetzt Sitz und Stimme haben.

Mittlerweile hat es der einst Bullen verprügelnde Joschka Fischer ja zum Elder Statesman gebracht, und die Grünen zum langweiligen Politalltag einer etablierten Partei. Die Rolle der Spaßpartei hat jetzt wer anderer. Und der ist gerade in den Berliner Senat gewählt worden. Paradigmenwechsel erkennt man meist nicht, wenn sie geschehen, sondern später, wenn es nicht mehr zu übersehen ist. Doch der aufmerksame Gartenzwerg kann schon jetzt das Knistern im Gebälk hören.

Mit dem Tod von Steve Jobs (btw: RIP) ist erst einmal die Generation Garage endgültig von Bord gegangen. Sie erinnern sich: Die kalifornischen Stanford-Absolventen Bill Hewlett und David Packard bastelten 1939 einen Tonfrequenzgenerator für Disney in einer Garage in Palo Alto, damit war Silicon Valley geboren, die Garage steht heute noch und ist das Allerheiligste der Nerds dieser Welt: Dort hat es angefangen, der wilde Ritt durch die Technologie, bei der es jedes halbe Jahr einen neuen Durchbruch gab.  PC, Handies, Notebooks, Tablets – denken Sie einmal 32 Jahre zurück, dann verstehen Sie sicher, was ich meine. Und diese wilde Entwicklung ist heute erst einmal abgeschlossen.

Die nächste Revolution wird nicht mehr bei der Hardware, sondern softwareseitig passieren, und bei sich dadurch ergebenden neuen Kulturtechniken, von denen wir heute noch gar nicht wissen, wie sie aussehen und funktionieren werden.

Zwar kursieren Gerüchte, Steve Jobs habe vor seinem Abgang noch das „nächste große Projekt“ vorbereitet, einen Fernseher, der unsere Art, Video zu konsumieren, so verändern soll wie iPod und iTunes es bei Musik geschafft haben, aber ein iTV wird nur mehr die konsequente Weiterführung des Konzepts sein, digitaler zu konsumieren, so wie sich Apple das vorstellt, an den Grundvoraussetzungen wird das nichts mehr ändern.

Dafür wird selbst Microsoft in seiner nächsten Inkarnation als Windows 8 nicht mehr tastatur- bzw. mausgesteuert sein, sondern per Touchscreen, und auf allen möglichen und unmöglichen Devices laufen, überall dieselbe Oberfläche, stationär oder mobil, wir werden demnächst tatsächlich immer online sein können, in realtime, auf Geräten, die wir uns heute nur so ungefähr vorstellen können.

Ob uns das gefallen wird, ist eine andere Diskussion, die wir jetzt nicht führen, mir gefällt das ja auch nicht, aber hier geht’s um Grundsätzlicheres.

Wo lässt der Deutsche Intellektuelle denken? Richtig, bei Tante Zeit. Dort stand, dementsprechend, schon vor zwei Jahren ein kluges Interview <http://www.zeit.de/2009/44/Interview-Piratenpartei> mit dem damaligen Chef der deutschen Piratenpartei, Jens Seipenbusch, das ich hier schon einmal kommentiert habe (Siehe: Warum das mit den Daten so kompliziert ist).

Da ging es um die Umkehrung des Prinzips „Gläserner Staatsbürger“ zum Prinzip „Gläserner Staat“, was soviel heißt wie jeder Staatsbürger sollte ein Problembewusstsein haben darüber, was für Daten über ihn gespeichert sind, und wo, und unter welchen Umständen sie vernetzt werden können. Und wozu das alles führen kann und es schon tut.

Beim nächsten Bankbesuch, zum Beispiel, teilt Ihnen Ihr Betreuer mit, man habe Ihren Überziehungsrahmen deutlich gekürzt. Er wird etwas von Krise murmeln und Basel Zwei und dass Kreditrichtlinien jetzt strenger gehandhabt würden. Aber in Wirklichkeit hat eine Software einfach Daten über Sie gesammelt. Etwa dass Sie Ihre Stromrechnung immer erst am Stichtag oder ein paar Tage später einzahlen (weil da das Mahnprogramm nicht so schnell greift, machen wir doch alle). Daneben weiß die Software noch, dass Sie bei Hofer einkaufen, dass Ihre Leberwerte schlecht sind, dass Sie Steuerschulden haben und dass gegen Sie zwei Mahnklagen laufen. Dass die Steuerschulden ordentlich gestundet sind und dass Sie die Mahnklagen gewinnen werden, weil sie völlig ungerechtfertigt sind, weiß es nicht, das Programm, so schlau hat es der Programmierer nicht gemacht. Egal: Es reicht, Sie um eine Risikoklasse höher zu stufen, und schon schrumpft der Rahmen.

Solche Programme werden schon eingesetzt. Und auch noch andere, die noch ganz andere Sachen können. Und wenn wir nicht schleunigst die Medienkompetenz erwerben, um uns wehren zu können, sowie die rechtlichen Voraussetzungen, es auch zu dürfen, dann schaut es eher schlecht aus um den bürgerlichen Staat so wie wir ihn kennen.

Auch das habe ich hier schon vor zwei Jahren geschrieben: Es ist schon bezeichnend, dass die Grünen, die es immerhin geschafft haben, die Ökologie ins politische Bewusstsein zu bringen, bei IT völlig versagen. Sie sind ja in Wirklichkeit nur arrivierte Apo-Opas, die genau so verspießern wie alle anderen auch. Oder kennen Sie einen bekennenden Nerd in einer europäischen grünen Partei? Na eben.

Dass sich die Nerds da zu einer eigenen Partei zusammenschließen, ist irgendwie verständlich, schließlich weiß niemand besser als sie, was wirklich abgeht. Dass sie kaum wer tatsächlich versteht (und sich alle daher am einzigen Programmpunkt, den sie zu verstehen glauben, nämlich dem freien Internet, aka Filesharing, aufhängen), steht auf einem anderen Blatt. Ungeschickt, wie Nerds nun einmal sind, bringen sie es auch nur sehr schwer rüber.

In Wirklichkeit könnte das jetzt auch der nächste Entwicklungsschritt werden. Dereinst wurde der demokratische Diskurs auf der Agora geführt, dann ermöglichte der Buchdruck ihn über geographische Grenzen hinweg, wenngleich nur für eine Elite und Anfangs noch sehr langsam. Dennoch: ohne Buchdruck weder Aufklärung noch bürgerlicher Staat.

Heute wird der Diskurs nicht nur ubiquitär, sondern auch in realtime und barrierefrei geführt. Ubiquitär, weil jederzeit, überall und weltweit. Und barrierefrei, weil die Technologie billig und weltweit verfügbar ist, wie etwa Mobiltelefone.

Was das bedeuten könnte, haben der arabische Frühling ebenso vorgeführt wie die soziale Entwicklungen in Schwarzafrika oder die Grüne Revolution im Iran. Und schon ist die Gegenbewegung ebenso da, steigen Zensur und Regulation im Internet, nicht nur in totalitären Staaten, sondern auch bei uns, es fällt Ihnen nur nicht auf, weil Sie halt kein Nerd sind.

So gesehen sind die Piraten wichtig, völlig egal, wie das in Berlin jetzt weitergeht, wie sehr sie unter sich streiten, wie sehr sie erst einmal politisch unbeholfen agieren und alles, was dazu gehört. Und selbstverständlich haben weder Medien noch Politiker wirklich eine Ahnung, wie sie mit den Neuen umgehen sollen, weil ihnen, wie wir schon festgestellt haben, einfach das Problembewusstsein dafür generell fehlt.

Oder, wie es Jens Seipenbusch schon vor zwei Jahren elegant formulierte: „Da muss man einfach realistisch bleiben: Politiker, die jetzt 50, 60, 70 Jahre alt sind, sind weit davon entfernt, diese Problematik überhaupt zu durchdenken. Die Regierenden sind zu alt.“