Hans Peter, Gusi und das russische Problem.

 Der Österreicher liebster russische Oligarch ist durch die jüngsten US-Sanktionen schwer unter Druck geraten. Hierzulande fällt das offenbar Keinem auf.

 

Moderne Technik hat die Art, in der wir Krieg führen, verändert. Unbemannte Drohnen können gezielt angreifen und töten – sagen wir mal am Hindukusch oder in Syrien – gesteuert von weit entfernten Piloten, die auf der anderen Seite des Globus in klimatisierten Räumen sitzen und am Abend entspannt zu ihrer Familie nach Hause gehen. Angeblich soll das sogar wichtig sein, dass Drohnenpiloten in gewohnter Umgebung arbeiten und abends nach Hause gehen könne, das fördert die Arbeitsmoral und unterstützt die psychische Gesundheit aka so bekommen sie weniger leicht moralische Bedenken.

Auf dem diplomatischen Parkett ist es ähnlich. Dort hat vor allem die USA Methoden entwickelt, die Bösen Buben auf dieser Welt ordentlich in den Schwitzkasten zu nehmen, indem die Möglichkeiten ausgenützt werden, die das weltweite Finanzsystem so bietet. Die Rede ist von Wirtschaftssanktionen, und vor knapp einem Monat wurde das zum ersten Mal im großen Stil nicht gegen Regierungen, sondern gegen einzelne Unternehmen angewandt. Und irgendwie fällt das hierzulande keinem auf, obwohl es direkten Einfluß auf unser Wirtschaftsleben hat.

Der US-Präsident Woodrow Wilson nannte Sanktionen dereinst „eine stille, aber tödliche Methode“. Das war 1919, und seither hat die USA sie immer wieder eingesetzt, mit gemischten Resultaten. Vor allem in den 90er Jahren hatte die Globalisation diese Waffe ziemlich stumpf erscheinen lassen. Unternehmen konnten sehr gut weltweite Geschäfte ohne die USA machen, allfällige Strafen wurden achselzuckend als Geschäftskosten abgerechnet. Man erinnere sich nur an das Oil-for-Food Programm, das von der UNO aufgelegt wurde und über das der damalige irakische Diktator Saddam Hussein fröhlich Geschäfte betrieb, allen US-WIrtschaftssanktionen zum Trotz.

Alles änderte sich mit dem 11. September 2001, allgemein als Nine-Eleven bekannt. Der so genannte „Patriot Act“ erlaubt es seither dem US-Finanzministerium, einzelne Banken als Bedrohung der finanziellen Ordnung einzustufen und sie aus dem Clearing mit US-Dollar auszuschließen, sprich: Zahlungen in US-Dollar anzunehmen und weiter zu geben, denn das Clearing von US-Dollar läuft halt über die USA. Seither können US-Behörden auch bei SWIFT in die Akten schauen. Ursprünglich war das mal ein nur für Banken einsichtiges Nachrichtensystem, in dem alle Zahlungen untereinander von Banken weltweit registriert werden. Nachdem der US-Dollar weltweit noch immer das Zahlungsmittel Nummer eins ist, ist der Ausschluss aus dem Dollar-Clearing für eine Bank, die international tätig ist, praktisch der Todesstoß.

Bis heute wurden nur Nordkorea, der Iran und Syrien aus dem Dollar-Clearing ausgeschlossen (der Iran darf seit seinem Atomdeal übrigens wieder mitspielen), außerdem hatte man das System benutzt, um diverses Kleinzeugs zu fangen, den Waffenhändler Victor Bout etwa, oder BDA, eine Bank aus Macau, die verbotenerweise mit Nordkorea Geschäfte gemacht hatte, und derartiges mehr.

Doch vor einem Monat schloss der 45. Präsident der USA (dessen Namen man nicht aussprechen sollte), zum ersten mal ein einzelnes Unternehmen vom Handel mit US-Dollar aus, nämlich Rusal. Das russische Unternehmen ist einer der weltgrößten Produzenten von Aluminium, mit einem geschätzten Unternehmenswert von 18 Mrd. US-Dollar, und kontrolliert von Oleg Deripaska.

Ja, genau, der Kumpel von Hans Peter Haselsteiner, mit dem zusammen er die Strabag kontrolliert, eines der größten Bauunternehmen Europas mit rund 12,5 Mrd. Euro Jahresumsatz und Sitz in Österreich. (Raiffeisen ist da auch noch dabei, sowie rund 14 Prozent Streubesitz).

In der letzten Finanzkrise musste Deripaska einen Teil seiner Strabag-Aktien verkaufen, hat aber seither seinen Anteil wieder auf knapp über ein Viertel der Aktien aufgestockt.

So wie es aussieht, könnte sich das bald ändern, denn Rusal rauft mit dem Rotz, wie man in Wien so salopp sagt. An sich macht Rusal in den USA nur 14 Prozent seines Gesamtumsatzes, arbeitet so gut wie nicht mit US-Banken zusammen und ist in Hong Kong und Moskau gelistet. Aber dadurch, dass Rusal vom Dollar-Clearing ausgeschlossen wurde, will niemand mehr Geschäfte mit Rusal machen, denn weltweit wird Aluminium (wie die meisten Rohstoffe) in US-Dollar notiert und gehandelt.

Rund um den Globus müssen jetzt Investoren ihre Rusal-Anleihen (die in US-Dollar begeben wurden), abstossen. Der weltgrößte Schiffsfrächter Maersk macht mit Rusal keine Kontrakte mehr. Niemand will Dollar-Schulden von Rusal refinanzieren. Die London Metal Exchange, weltweit der führende Handelsplatz für Metalle, hat die Teilnahme von Rusal drastisch reduziert. Bonitätsagenturen haben Rusal von ihren Bewertungen ausgeschlossen (das tut besonders weh, denn damit ist Rusal de facto nicht kreditwürdig). Europäische Banken haben den Handel mit Rusal-Papieren ausgesetzt. Der Aktienkurs ist seither um die Hälfte (genauer: 56%)  gefallen, die Rusal-Anleihen für 2023 stehen derzeit mit 45 US-Cent auf den US-Dollar im Kurs. Mit einem Wort: The shit has hit the fan.

Weil die US-Regierung explizit die enge Verbindung von Oleg Deripaska mit Wladimir Putin und den anderen Mächtigen im Kreml sowie Deripaskas Kontrolle über den Aluminiumkonzern als Gründe für die Sanktionen gegen Rusal genannt hat, versucht dieser derzeit verzweifelt, seine Anteile (die über diverse Holdings gehalten werden, unter anderem auch über Zypern) zu verkaufen, um das Unternehmen noch zu retten.

So wie es aussieht, könnte unser aller Lieblings-Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer als Aufsichtsratsvorsitzender bei der Strabag SE bald einen neuen Großaktionär begrüssen. Wenn alles gut geht. Wenn nicht, könnte es noch deutlich unfreundlicher werden.

Die Österreicher nehmen davon keinerlei Notiz, weder in den Medien noch in der Öffentlichkeit. Für sie ist Deripaska ein netter, freundlicher Mensch, der seinem Freund Hans Peter wirtschaftlich eng verbunden und ansonst ein hierzulande gern gesehener Gast ist. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hält Rusal wahrscheinlich für eine Südkoreanische Zahnpastamarke. Und mit Wirtschaftsthemen ist hierzulande sowieso kein Aufsehen zu machen: Zu fad, zu kompliziert, und überhaupt.

Ja, ich weiß, wir haben gerade andere Sorgen. Aber wenn die Strabag in Schieflage gerät, könnte das sehr schnell zu einem ziemlich großen Problem werden.

Wir leben in aufregenden Zeiten.